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19.01.00
17:57 Uhr
FDP

Votum der F.D.P. im Abschlussbericht des Pallas-Untersuchungsauss chusses

Abschlussbericht des „Pallas“-Untersuchungsausschusses
Votum des Ausschussmitglieds Wolfgang Kubicki (F.D.P.)

I. Der Ausschuss
Fast ein Jahr lang hat der „Pallas“-Untersuchungsausschuss konstruktiv zusammen gearbeitet, um die notwendigen Informationen zusammenzutragen, damit das Land Schleswig-Holstein für die Zukunft besser auf Unglücksfälle wie die „Pallas“-Havarie vorbereitet ist und schneller und effektiver auf vergleichbare Gefahren reagieren kann. Für einige der untersuchten Sachverhaltsteile konnte – auch in den Ergebnissen und Vorschlägen – eine breite Übereinstimmung erzielt werden. Für den Bericht haben die Fraktionen von SPD und Bündnis90/Die Grünen aber auch eine Fülle von Fakten einfach weggelassen oder aus dem Zusammenhang gerissen und feststehende Tatsachen zwar beschrieben aber nicht gewürdigt. Die F.D.P. bedauert das sehr. Wer wirklich den Willen zur Aufklärung eines Sachverhaltes hat, kann und darf so nicht vorgehen.
Der „Pallas“-Untersuchungsausschuss stand unter der Fragestellung, welche Maßnahmen die Landesregierung Schleswig-Holstein im Zusammenhang mit der Havarie und der Strandung des Holzfrachters „Pallas“ vor beziehungsweise an der Nordseeküste ergriffen hat bzw. hätte ergreifen können, um die Strandung zu verhindern und deren Folgen abzuwenden. Um diese Frage angemessen zu beantworten, wäre es erforderlich gewesen, zunächst den Sachverhalt umfassend und im Zusammenhang darzustellen und anschließend die Geschehensabläufe zu beurteilen. Diesem Umstand ist nicht ausreichend Rechnung getragen worden. Alle Bedenken, die die F.D.P. deshalb von Beginn an gegen die vorliegende Gliederung vorgetragen hat, wurden verworfen. Das Ergebnis ist ein Bericht, dessen Sachverhaltsdarstellung lückenhaft und ohne die erforderlichen Zusammenhänge ist. Die Bewertung ist auf dieser Grundlage einseitig.
Auf diese Weise reduziert sich der Bericht vor allem auf eine Rechtfertigung, warum die Landesregierung nicht gehandelt hat, anstatt herauszuarbeiten, nach welcher Maßgabe das Land hätte handeln können. Offenbar ist es den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wichtiger gewesen, positive Vergangenheitsbewältigung – insbesondere zugunsten von Umweltminister Steenblock und des von ihm geführten Ministeriums – zu betreiben, statt die Fehler, die bei der Bewältigung der „Pallas“-Havarie unstreitig aufgetreten sind, angemessen aufzuarbeiten. Dem Untersuchungsauftrag wird diese Darstellung nicht gerecht.
Die F.D.P.-Fraktion legt deshalb aus ihrer Sicht notwendige Ergänzungen zum Sachverhalt sowie eine eigene Bewertung vor.

II. Zum Sachverhalt
Die Bemühungen, die unternommen worden sind, um die Havarie und Strandung des Holzfrachters „Pallas“ zu verhindern waren vielfältig. Besondere Anerkennung gebührt dabei den mutigen und entschlossenen Einsätzen der Hilfskräfte vor Ort, sei 2
es auf Schiffen, Hubschraubern und an Land, die sich nach Kräften bemüht haben, größere Schäden für das Wattenmeer und die Küste zu vermeiden.
In verschiedenen Chronologien zum „Havarieverlauf der Pallas“, zu den Bergungs- und Schleppversuchen, zur Brandbekämpfung sowie zu den Ölbekämpfungsmaßnahmen versucht der Bericht diese Bemühungen aufzuarbeiten. Die Schwerpunktsetzung, die dabei zugunsten der Darstellung der Ölbekämpfung vorgenommen wird, hält die F.D.P., trotz des Umstandes, dass es sich dabei ohne Zweifel um die zeitintensivste Maßnahme gehandelt hat, für falsch. Insbesondere ist die Darstellung der Ölbekämpfungsmaßnahmen im wertenden Teil des Berichts unter der Fragestellung, ob die Landesregierung alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Gefahren- und Katastrophenabwehr genutzt hat, verfehlt. Sie gehört vielmehr zur Sachverhaltsdarstellung.
Eine Überbewertung erfährt auch die Darstellung der Witterungsverhältnisse in der Zeitleiste zum Havarieverlauf der „Pallas“. Wenngleich unstreitig die extrem widrigen Wetterbedingungen erheblichen Einfluss auf die Gefahrabwehrmaßnahmen aller beteiligten Stellen und Akteure hatten, werden mit der detaillierten Darstellung keine besonderen Erkenntnisse vermittelt, insbesondere da in den nachfolgenden Chronologien die relevanten Wetterverhältnisse immer wieder aufgegriffen werden. Es wird lediglich der im Bericht geäußerten Vermutung, dass die Ursache der Strandung der „Pallas“ die Sturmwetterlage war, der Boden bereitet. Für diese Vermutung hätte es des Ausschusses nicht bedurft.
Durch die getrennte Darstellung der einzelnen Geschehensabläufe, ohne dass – wie ursprünglich geplant - ein einheitlicher und ausschließlich am historischen Ablauf orientierter Sachverhalt vorangestellt ist, der auch das Zusammenwirken der verschiedenen Handlungsebenen wiedergibt, geraten darüber hinaus die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Maßnahmen aus dem Blickfeld. Bereits die Wiederholungen in den verschiedenen Chronologien und die Querverweise auf erst nachfolgende Textpassagen spiegeln das deutlich wider.
Insbesondere ist die Chronologie zum Havarieverlauf kein Ersatz für einen Gesamtüberblick. Es bleiben an dieser Stelle Sachverhaltselemente unberücksichtigt, die in der Gesamtschau für die Bewertung des Unglücksfalls von Bedeutung sind, beispielsweise die Warnungen, Hinweise und Hilfsangebote aus dem Innenministerium, Einsatzmöglichkeiten der „Oceanic“ nach ihrem Einsatz mit der „Ruby XL“, die Anordnung von Umweltminister Steenblock, die „Pallas“ einzuschlengeln und weiteres mehr. Es verfälscht den Gesamteindruck, wenn diese Elemente erst an späterer Stelle isoliert im Bericht angesprochen werden.
Die Trennung der Handlungsabläufe in den Chronologien birgt darüber hinaus – bei allem Bemühen um eine systematischen Aufarbeitung der Ereignisse - auch noch eine weitere Gefahr: Sie erweckt den Eindruck, als habe es eine Rangfolge gegeben, wonach erst nach dem Scheitern der Bergungsmaßnahmen Brandbekämpfungs- maßnahmen in Betracht gekommen wären. Das ist falsch. Zwar steht fest, dass zu Beginn der Havarie der Schwerpunkt der Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in dem Versuch lag, eine Schleppverbindung herzustellen, um den Frachter in einen geschützten Bereich oder einen Hafen schleppen zu können. Voraussetzung und gleichzeitig auch Ziel dieser Maßnahme war jedoch die Brandbekämpfung. Ohne das Löschen der immer wieder aufflammenden Brandherde 3
und ohne ein Kühlen der Außenhaut wäre das Herstellen einer Schleppverbindung überhaupt nicht möglich gewesen. Andererseits wurde in der Herstellung einer Schleppverbindung eine geeignete Maßnahme gesehen, um die „Pallas“ an einen Ort zu verbringen, an dem sie endgültig hätte gelöscht werden können. Bergungs- und Brandbekämpfungsmaßnahmen gingen also Hand in Hand.
Gegenteiliges, wie es im Bericht dargestellt wird, kann insbesondere nicht aus den Aussagen des Leiters der Feuerwehr Cuxhaven Gillert abgeleitet werden, wonach eine umfassende Brandbekämpfung auf der „Pallas“ auf offener See nicht möglich gewesen sei. Sowohl Gillert als auch der stellvertretende Leiter der Feuerwehr Hamburg Rechenbach haben deutlich gemacht, dass sich nur das abschließende Löschen eines Brandes auf offener See nicht realisieren lässt. Die Feuerwehren sind aber durchaus in der Lage, einen Brand auf einem Schiff auf offener See soweit zu löschen, dass sie das Schiff in einem weitgehend manövrierfähigen Zustand halten. Die Feuerwehr Cuxhaven, aber auch die Feuerwehr Brunsbüttel, sind für diese Zwecke sogar extra ausgebildet und technisch ausgestattet.
Dies gilt insbesondere, wenn die Feuerwehren rechtzeitig über ein Feuer informiert werden, um den Brandherd effektiv bekämpfen und begrenzen zu können. Im Fall „Pallas“ hat es jedoch eine erhebliche Zeitverzögerung zwischen der Information des Zentralen Meldekopfes in Cuxhaven und der dort ansässigen Feuerwehr von ca. sieben Stunden gegeben. Die schleswig-holsteinische Landesregierung, insbesondere das für besondere Lagen zuständige Umweltministerium, hat die Feuerwehr in der Anfangsphase nicht informiert.
Es bleibt hypothetisch, ob und inwieweit bei einer wesentlich früheren Anforderung der Feuerwehr ein Übersteigen auf die „Pallas“ möglich gewesen wäre und sich der weitere Geschehensablauf dadurch geändert hätte. Wäre ein Einsatz der Feuerwehr Cuxhaven unmittelbar nach dem Verlassen der Besatzung der „Pallas“ jedoch erfolgt, hätte nach den Darstellungen von Gillert und Rechenbach zumindest eine Möglichkeit bestanden, eine sachgerechte Brandbekämpfung vorzunehmen und die anfangs noch funktionsfähige Betriebstechnik und damit die Manövrierfähigkeit der Schiffes zu erhalten, um es an einen Notliegeplatz zu verbringen. Aufgrund der technischen Ausführungen der „Pallas“ (Eisklasse) wäre ein Kontrollieren der Situation durch die Feuerwehr sehr gut möglich gewesen und ein Übergreifen des Feuers von den Laderäumen auf die Maschine und das Brückenhaus hätte möglicherweise verhindert werden können. Durch mangelhaften Informationsaustausch aller betroffenen Stellen wurde diese Chance vertan. Selbst eine sachgerechte Vorplanung eines Handlungskonzepts unter Einbeziehung entsprechender Fachberater der Feuerwehr Cuxhaven erfolgte nicht.
Unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen ist auch die Darstellung über die Zusammenarbeit des Umweltministeriums mit dem Innenministerium. Feststellungen, wonach es unterschiedliche Bewertungen der Situation gegeben habe, die in solchen Fällen aber durchaus üblich seien, beschönigen die damaligen Vorkommnisse. Tatsächlich hat das Innenministerium, insbesondere die Mitarbeiter des Amtes für Katastrophenschutz, die Lage von Anfang an wesentlich realistischer eingeschätzt und auch auf eine mögliche Gefährdung der schleswig-holsteinischen Küste hingewiesen. Das Umweltministerium lehnte jedoch die Angebote, die Krisenzentrale des Innenministeriums zwecks verbesserter Kooperation aller 4
betroffenen Stellen zu nutzen, dreimal ab. Man habe die Lage im Griff, lautete die Begründung durch Abteilungsleiter Kesting im Umweltministerium, die Zuständigkeit läge bei der ELG. Bis heute ist allerdings unklar, auf welcher Grundlage das Umweltministerium eine Zuständigkeit des Landes Schleswig-Holstein oder sonstige Interventionsmöglichkeiten des Landes, auch im Rahmen der ELG, ausschließen konnte. Erst auf die persönlichen, sowohl schriftlichen als auch telefonischen, Aufforderungen von Innenminister Dr. Wienholtz gegenüber Umweltminister Steenblock am 9. November 1998 reagierte das Umweltministerium auf die Hilfs- und Unterstützungsangebote. Auf Beschluss der Landesregierung wurde schließlich am 11. November 1998 ein Interministerieller Leitungsstab eingerichtet. Seine positive Auswirkung auf alle beteiligten Stellen bei der weiteren Bewältigung des Unglücksfalls ist unbestritten. Einseitig und ergebnisorientiert sind schließlich auch die Darstellungen zur Ölbekämpfung. Zwar trifft es zu, dass die Ölbekämpfung an Land im Ergebnis gut funktionierte. Diese Feststellungen, insbesondere in Verbindung mit scheinbar abschließenden Zitaten, wonach beispielsweise der Amtsvorsteher von Amrum Jungclaus vor dem Untersuchungsausschuss mit Bezug auf touristische Auswirkungen des „Pallas“-Unglücks geäußert hat, froh zu sein, eine saubere Insel vorzeigen zu können, können jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass sich im Verlauf der Ölbekämpfung erhebliche Probleme gegeben hat. Jungclaus erwähnt sie an gleicher Stelle. Unter anderen weist er darauf hin, dass die auf Amrum angelandeten Ölmengen so dramatisch gewesen seien, dass sofort Hilfskräfte der Amrumer Feuerwehr alarmiert worden seien. Er kritisiert ausserdem, dass den Helfern vor Ort Unterstützungsmaßnahmen seitens der Landesregierung verweigert worden sind. Hinzukommt eine mangelhafte Informationspolitik, die immer wieder Fragen und Unklarheiten in bezug auf Zuständigkeiten, Einsatzpläne und Handlungsabläufe bei den Helfern hervorrief. Die Stimmung der beteiligten Helfer war daher zu Recht gereizt. Auch Greenpeace kritisierte den unprofessionellen und nachlässigen Umgang der Landesregierung mit der Ölverschmutzung. Insbesondere die Bergung der Restölmengen hat erhebliche Schwachstellen gezeigt.

3. Bewertung
Dem Untersuchungsauftrag nicht gerecht werden nach Auffassung der F.D.P. auch die Überlegungen zu den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, die dem Land Schleswig-Holstein zur Gefahren- und Katastrophenabwehr zur Verfügung gestanden haben. Dabei erkennt die F.D.P. durchaus an, dass man Aussagen von Zeugen und Sachverständigen unterschiedlich würdigen und auch Geschehensabläufe unterschiedlich deuten kann. Es kann und darf darf aber nicht sein, dass feststehende Tatsachen ausgeblendet und Fakten und Rechtsvorschriften einfach ignoriert werden, um sich nicht mit anderen als den tatsächlich ergriffenen Handlungsmöglichkeiten auseinandersetzen zu müssen.
Ausgangspunkt für die Bewertung der von der Landesregierung im Zusammenhang mit der Havarie und Strandung der „Pallas“ veranlassten Maßnahmen ist die Frage, ob die Landesregierung alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zur Gefahren- und Katastrophenabwehr hinsichtlich der „Pallas“ genutzt hat, um vorhandene oder eingetretene Schäden zu vermeiden oder zu minimieren und ob die 5
Koordinierung mit den Maßnahmen von Behörden des Bundes hierzu beigetragen hat.
Leider geht der Bericht hier bereits im Ansatz von einem falschen Ausgangspunkt aus, indem er den Zeitpunkt nach der Strandung der „Pallas“ zum Kernpunkt der Gefahrenabwehr-maßnahmen erhebt und die Frage der Minimierung der Meeresverschmutzung und damit einhergehender Schäden für den marinen Bereich besonders in den Vordergrund rückt. Ohne Frage erstreckt sich die Frage nach den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten aber gleichermaßen auf den Zeitpunkt vor der Strandung der Pallas. Die gewählte Schwerpunktsetzung, die der Bewertung vorangestellt wird, ist daher verfehlt.
Welche rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten dem Land Schleswig-Holstein zur Bewältigung des „Pallas“- Unglücks zur Verfügung gestanden haben, ist im Ausschuss umstritten geblieben. Die F.D.P. ist der Auffassung, dass es über die getroffenen Maßnahmen hinaus noch eine Reihe weiterer Möglichkeiten gegeben hätte, um der Havarie und Strandung der „Pallas“ zu begegnen. Dabei ist sich die F.D.P. bewußt, dass es hypothtisch bleiben muss, ob und inwieweit sich diese Maßnahmen auf den Geschehensablauf ausgewirkt hätten, insbesondere ob und inwieweit sich dadurch hätten Schäden vermeiden oder minimieren lassen. Das ist aber weder ein Indiz dafür, dass man nicht hätte anders handeln können noch lässt es die Schlussfolgerung zu, dass das tatsächlich praktizierte Vorgehen deshalb „in Ordnung“ gewesen ist. Es ist es nach der Überzeugung der F.D.P. nicht. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich das aus folgenden Gründen:
Zutreffend geht der Bericht bei der Frage der Zuständigkeiten des Landes Schleswig- Holstein davon aus, dass – mit Ausnahme der Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraßen – „alle übrigen Kompetenzen in den Zuständigkeitsbereich der Länder (fallen), insbesondere die Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren für die Küstengewässer und zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Verschmutzung der Küstengewässer oder einer Verschmutzung der Strände“. Für die Frage nach den rechtlichen Eingriffsmöglichkeiten bedeutet das, dass Schleswig-Holstein durchaus hätte eingreifen können, wenn es die Notwendigkeit dazu gesehen hätte. Denn ohne Frage stellte die brennend und führerlos auf die schleswig-holsteinische Küste zutreibende „Pallas“ eine Gefahr für Schleswig-Holsteins Küstengewässer dar.
Dieses Ergebnis stützt sich sowohl auf Aussagen des Geschäftsführers des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht Dr. Nöll, der auf die völkerrechtliche Berechtigung des Küstenstaates hingewiesen hatte, die Polizeigewalt ausüben zu können. Folge ist, dass das Land im Falle einer drohenden Verschmutzung der Meeresumwelt infolge einer Havarie oder eines Feuers an Bord eines Schiffes unverzüglich geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen darf. Die Eingriffsbefugnisse des Küstenstaates zur Abwehr insbesondere von Umweltverschmutzungen wird außerdem im Bericht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen besonders betont. Darüber hinaus kommt auch die Rechtsgutachterin Dr. König im Rahmen der von der Ministerpräsidentin in Auftrag gegebenen Schwachstellenanalyse aus Anlass der Havarie der Pallas zu dem Ergebnis, dass dem Land Schleswig-Holstein, möglicherweise im Rahmen seiner Eilkompetenz, im Wege der allgemeinen Gefahrenabwehr und für die Beseitigung bereits eingetretener Störungen Möglichkeiten zum Eingreifen zur 6
Verfügung gestanden hätten. Prof. Dr. Ziemske von der Universität Erlangen bestätigt diese Auffassung.
Soweit demgegenüber die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor allem auf die Regelungen zum Verkehrs- und Wegerecht auf See nach dem Seeaufgabengesetz verweisen, wonach eine von der Schifffahrt ausgehende und ebenso eine der Schifffahrt drohende Gefahr die Zuständigkeit des Bundes begründet, und auch keine Notkompetenzen zugunsten des Landes Schleswig- Holstein bestanden haben sollen, übersehen sie, dass sich die Frage nach den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nicht nur darauf beschränkt, welche Maßnahmen die Landesregierung getroffen hat. Nach dem Untersuchungsauftrag sollte ebenfalls darlegt, welche Maßnahmen die Landesregierung hätte ergreifen können. Die Fraktionen waren sich darüber einig, dass der Bericht nicht nur im Rückblick als Rechtfertigung für getroffene bzw. nicht getroffenen Maßnahmen des Umweltministers dienen kann, sondern sein Sinn vor allem in Schlussfolgerungen für die Zukunft liegen muss. Es verkürzt den Untersuchungsauftrag unzulässig, wenn sich die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen darauf beschränken, das Verhalten der Landesregierung und insbesondere des Umweltministers mit rechtlichen Vorgaben zu begründen.
Nach sachverständiger Rechtsauffassung hätte Schleswig-Holstein durchaus Gefahrabwehrmaßnahmen ergreifen können. Zumindest hätte es sich nach den vom Bund eingeleiteten Maßnahmen, selbst eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes unterstellt, erkundigen können. Dass kein Amtshilfeersuchen des Bundes vorgelegen hat, wie es rot/grün darlegen, begründet nicht, dass das Land kein Angebot zur Amtshilfe macht. Vor dem Hintergrund der Gefahrenlage ist im übrigen auch nicht vorstellbar, dass der Bund möglichen Vorschlägen oder gar eigenen Gefahrabwehrmaßnahmen des Landes Schleswig-Holstein unter Hinweis auf die von SPD und Bündnis 90/Die Grünen als ausschließlich angenommene Kompetenz widersprochen hätte.
Umweltminister Steenblock und die Schleswig-Holsteinische Landesregierung haben jedoch erst gar nicht den Versuch unternommen, von irgendwelchen Handlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Dass ergibt sich insbesondere aus den Aussagen von Umweltminister Steenblock, Innenstaatssekretär Wegener sowie dem Leiter des Amtes für Katastrophenschutz Preugschat, die sich über die rechtlichen Möglichkeiten bis zur Havarie der „Pallas“ nicht im Klaren waren.
Unabhängig von einer originären Zuständigkeit hat es die schleswig-holsteinische Landesregierung nach Auffassung der F.D.P. jedenfalls versäumt, im Rahmen der ihr nach der Bund-Länder-Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen (BLV) und der ELG-Richtlinie zustehenden Möglichkeiten Gefahrabwehrmaßnahmen zu ergreifen oder zumindest zu initiieren. So hat die Landesregierung weder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, frühzeitig gemäß § 5 Absatz 6 Satz 2 BLV einen ELG Fall einzuberufen, was es als ein der von der Verschmutzung bedrohtes Küstenland hätte verlangen können. Auch die Durchführung weiterer Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, beispielsweise einer frühzeitigeren Anforderung der „Oceanic“ oder des Feuerlöschbootes „Kiel“ hätte nach § 5 Absatz 7 Satz 4 BLV von der schleswig-holsteinischen Landesregierung durchgesetzt oder zumindest angeregt werden können. 7
Bis heute ist jedoch noch nicht einmal klar, mit welcher Maßgabe der ELG-Vertreter Schleswig-Holsteins nach Cuxhaven entsandt worden ist. Das schleswig- holsteinische Mitglied in der ELG, Schell, hat im Gegenteil deutlich gemacht, dass er während der gesamten Zeit keine Weisungen der Landesregierung erhalten hat, dass es keine Anregungen aus der Landesregierung gegeben habe, sondern nur einen fachlichen Austausch und Lagebeurteilungen. Damit ist der Umweltminister seiner Führungsverantwortung nicht gerecht geworden.
In tatsächlicher Hinsicht waren die Möglichkeiten für das schleswig-holsteinische Umweltministerium in der Anfangsphase des Unglücksfalls „Pallas“ begrenzt. Sie lassen sich jedoch nicht mit dem Hinweis, dass alle geeigneten Schiffe bereits im Einsatz oder nicht verfügbar waren, generell verneinen. Insbesondere ist bis heute unklar geblieben, warum es seitens des schleswig-holsteinischen Umweltministerium, eigenständig oder über die ELG, keine Anfragen gegeben hat, den Hochseeschlepper „Oceanic“ frühzeitiger zur „Pallas“ zu beordern. Umweltminister Steenblock hat stets darauf hingeweisen, dass er noch aus seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter um die besondere Bedeutung der „Oceanic“ für die Sicherheit der Nordsee informiert war und sich für ihre Stationierung auch stets eingesetzt hat. Es wäre daher zumindest zu erwarten gewesen, dass sich Umwelminister Steenblock nach ihrer Einsatzmöglichkeit erkundigt, auch wenn letztlich die Order für die „Oceanic“ durch den ZMK erfolgt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass auch der Kapitän der „Oceanic“ Pohl die Auffassung vertreten hat, dass ein früheres Übergeben der in Schlepp genommenen „Ruby XL“ möglich gewesen wäre und damit die „Oceanic“ früher für die „Pallas“ einsatzbereit gewesen wäre. Jedenfalls hätte die „Oceanic“ aber nicht erst auf stand-by nach Helgoland gehen müssen, bevor sie zum Einsatz an die Pallas beordert wird.
Dass eigenständige Maßnahmen, selbst entgegen den fachlichen Empfehlungen der ELG , möglich waren, zeigt sich im übrigen bei der Anordnung von Umweltminsiter Steenblock, die „Pallas“ einzuschlengeln.
Vor diesem Hintergrund ist es nur schwer nachvollziehbar, dass die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Frage, ob die Landesregierung ihre rechtlichen und tasächlichen Möglichkeiten genutzt hat, eindeutig bejahen. Die vielfältigen Aussagen und Materialien machen im Gegenteil deutlich, dass es durchaus andere Handlungsmöglichkeiten gegeben hätte, auch wenn deren Auswirkungen hypothetisch bleiben müssen.

4. Resümee
Ziel des Untersuchungsausschusses war es neben der Aufbereitung der zurückliegenden Ereignisse im Unglücksfall „Pallas“ zukunftsfähige effektive Gefahrenabwehrmaßnahmen für den Bereich der Nord- und Ostsee zu erarbeiten. Wenn es zuträfe, dass die Landesregierung mit Ausnahme der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im wesentlichen alles richtig gemacht hat, wie es SPD und Bündnis 90/Die Grünen als Ergebnis formulieren, wäre es naheliegend, dass keine wesentlichen Änderungen der Handlungsabläufe vorgenommen werden. Genau das ist nicht der Fall. Die Landesregierung hat bereits ihren „Organisationserlass über die Geschäftsverteilung bei der Abwehr drohender oder eingetretener Gefahren unterhalb der Katastrophenschwelle“ geändert und ist damit einer frühzeitig 8
erhobenen Forderung der F.D.P. nachgekommen. Darüber hinaus ist der Forderungskatalog, wie sich die Zusammenarbeit der betroffenen Stellen künftig effektiver gestalten lässt, ausweislich der im Bericht ausgewiesenen „eigenen Ergebnisse und Vorschläge“ lang. Trotz unterschiedlicher Bewertung der Geschehensabläufe konnte in diesem Punkt große Übereinstimmung zwischen allen Fraktionen erzielt werden.
Vor diesem Hintergrund stellt die F.D.P. fest, dass im Unglücksfall „Pallas“ eine Reihe von Möglichkeiten nicht genutzt worden sind, die zu einer positiven Bewältigung hätte beitragen können. Dies lag vor allem an der unentschlossenen und zögerlichen Haltung von Umweltminister Steenblock und seinem Ministerium, die es in der Hand gehabt hätten, sich der Sache anzunehmen, und für den Schutz des schleswig-holsteinischen Wattenmeers und der Küste nichts unversucht lassen, um einen Schaden abzuwenden oder zu minimieren. Dazu hätte gehört sich in Zusammenarbeit mit allen betroffenen Stellen einen Überblick über die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zu verschaffen und diese auch konsequent zu nutzen, eigenständig oder in Kooperation mit den Partnern. Stattdessen hat das Vertrauen in das Handeln Dritter jegliche Eigeninitiative überwogen. Hierin liegt das eigentliche Unglück des Falls „Pallas“.