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12.01.00
13:05 Uhr
CDU

Rede des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg, zum Festakt zum 50. Jahrestag des Inkrafttretens der Landessatzung Schleswig-Holstein

LANDTAGSFRAKTION S C H L ES WI G - H O LS T EI N

Pressesprecher Bernd Sanders Landeshaus 24100 Kiel Telefon 0431-988-1440 Telefax 0431-988-1444 Internet: http://www.landsh.de/cdu-fraktion/ e-mail:fraktion@cdu.landsh.de
PRESSEMITTEILUNG Nr. 08/00 vom 12. Januar 2000
Rede des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion und Oppositionsführer im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Martin Kayenburg, zum Festakt zum 50. Jahrestag des Inkrafttretens der Landessatzung Schleswig-Holstein
Die Geschichte unserer Landesverfassung bietet ein wechselhaftes Bild, das von langen Zeiten grundsätzlicher Kontinuität aber auch von Zeiten notwendiger Anpassung geprägt ist.
Letztere spiegeln die Veränderung von Politik und Gesellschaft wider und folgen dem Verständnis der Bürger gegenüber und von unserer Demokratie.
So sind die Verankerung der 6-jährigen Grundschulzeit oder auch der quasi Enteignung aller Landflächen über 100 ha für Siedlungszwecke in der ersten Landessatzung von 1949 festgelegt worden - Beispiele für die teils erbitterten Diskussionen über die grundsätzlichen Weichenstellungen unserer politischen Ordnung nach dem Kriege.
Die jüngsten Änderungen sind dagegen geradezu "demokratischer Luxus"; sie sind das Bemühen - entsprechend einem veränderten Demokratieverständnis - unseren Demokratiebetrieb komfortabler zu gestalten.
Die Änderungen haben im Laufe der 50 Jahre - bis auf die Korrektur der Grundschulzeit und die Abschaffung der enteignungsfördernden Bestimmung - an den damaligen Grundregeln nie gerüttelt, sondern haben Teilbereiche optimiert oder ergänzt - soweit dafür jeweils der politische Wille aus den gesellschaftlichen Erfahrungen parteiübergreifend herangereift war.
Die 1. Landessatzung hatte insoweit einen Geburtsfehler; sie war trotz gravierender Bedenken der Hohen Alliierten Kommission und besonders auch gegen die massiven Proteste der damaligen Opposition mit einfacher Mehrheit beschlossen worden. Ich will das Geburtsdatum dennoch nicht anzweifeln - aber der Tag, an dem eine Landessatzung beschlossen wurde, die auch verfassungsrechtlich unbedenklich und darüber hinaus von allen demokratischen Kräften getragen war , das war der 20. November 1950.
Ich meine, auch daran sollte an diesem Tag erinnert werden.
In meinem kurzen Beitrag möchte ich beispielhaft einige grundsätzliche Aspekte ansprechen, die der Würdigung bedürfen oder die auch weiter in der Diskussion bleiben werden:
Nach der ersten Aufarbeitung der sogen. Kieler Affäre 1987/88 haben alle Fraktionen aus damals unterschiedlicher Betroffenheit konstruktiv und verantwortungsvoll an der wichtigsten Verfassungsänderung mitgewirkt. Der 1990 damit verbundene Schritt von der Landessatzung zur Landesverfassung ist für mich aus zweierlei Gründen konsequent.
• Die Bezeichnung Landesverfassung unterstreicht die Eigenständigkeit und die Nachhaltigkeit unseres Landes im Gefüge unserer föderativen Ordnung.
• Unser Land hat sich in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht zu einem lebensfähigen Bundesland Schleswig-Holstein entwickelt.
Der vom verfassungsgebenden Landtag 1949 und 1950 angenommene Übergangscharakter der Länderordnung und eine damit verbundene baldige Neugliederung unseres föderativen Staatsaufbaus hat sich bisher als nicht machbar erwiesen. Versuche dazu, wie zwischen Brandenburg und Berlin, sind an dem zu respektierenden Willen der Bürgerinnen und Bürger gescheitert.
Auch deswegen hat der Landtag 1990 - vorbereitet durch die Enquete-Kommission „Verfassungs- und Parlamentsreform“ und die Empfehlungen des Sonderausschusses - weitere Änderungen beschlossen. Diese trugen dem Funktionswandel in den deutschen Länderparlamenten Rechnung, und haben eine eigene Antwort für unser Land gegeben.
Grundsätzlich hat sich aus meiner Sicht die daraus resultierende Praxis für den parlamentarischen Alltag und das dabei teilweise neu definierte Verhältnis zwischen Opposition und Regierung und den sie tragenden Fraktionen bewährt.
Dennoch - die 1990 beschlossenen Verfassungsänderungen müssen von uns in Teilen konsequenter und bewusster im Sinne des damaligen Konsenses ausgefüllt und parlamentarisch gelebt werden.
Beispielhaft will ich einige Stichpunkte nennen:
• Die Stellung und die Funktion des Landtages als des obersten Organs der politischen Willensbildung ist durch die zunehmende Öffnung des Hauses und über die modernen Kommunikationswege deutlich verbessert worden. • Die Rechte der Opposition als einem wesentlichen Bestandteil der parlamentarischen Demokratie sind erheblich verbessert worden. Sicherlich kann die Opposition diese Rechte auch noch effizienter nutzen. Doch zur Bilanz gehört auch, dass der Opposition diese Kontrollfunktion oft schwer gemacht wird. Dass die Opposition in unserem Land Verfassungsrang hat, wird durch die Mehrheitsfraktion und die Regierung nicht immer angemessen respektiert.
Das heißt für mich: Wir sollten uns hin und wieder einmal an die Debatten von damals erinnern, um die dort begonnene verfassungspolitische Erneuerung auch gemeinsam umzusetzen. • Die vergrößerten Rechte der einzelnen Abgeordneten werden durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Information künftig noch besser genutzt werden können. Wir alle müssen davon allerdings auch bewusst mehr Gebrauch machen. • Das repräsentative System ist um Elemente der unmittelbaren Demokratie ergänzt worden. Dies haben wir mitgetragen. Dennoch ist es aus meiner Sicht schon jetzt an der Zeit, aus den bisherigen Erfahrungen in grundsätzlicher Sicht Bilanz zu ziehen. Dazu gehört auch, die Konsequenzen für das Parlament als Gesetzgeber bei Initiativen aus dem Volk für Volksbegehren und Volksentscheid zu überprüfen.
Die jüngsten Verfassungsänderungen von 1998 waren ein weiterer Schritt, sich mit der Verfassung auf neue Herausforderungen einzustellen: • Die Verlängerung der Wahlperiode des Landtages auf fünf Jahre, • der Schutz und die Förderung der Pflege der niederdeutschen Sprache sowie die Förderung des Sports als Staatsziele • und auch der Verfassungsrang des Konnexitätsprinzips
waren aus Sicht der CDU-Fraktion erforderliche Änderungen, die aus der politischen und gesellschaftlichen Praxis erwachsen sind, aber ihrer Ausfüllung und Bewährung noch bedürfen.
Die Verfassungsgeschichte unseres Landes macht deutlich, wie heftiger parlamentarischer Streit sich durch neue Mehrheiten erledigen kann; sie zeigt aber auch, wie schnell sich neue Herausforderungen stellen.
Ein Blick auf den 30. Jahrestag der Landessatzung im Jahre 1979 zeigt weitgehende Zufriedenheit aller mit der damaligen verfassungsrechtlichen Situation. 10 Jahre später war die Landessatzung Gegenstand intensiver, heftiger Erörterungen. Heute scheinen wir wiederum ruhigere Zeiten zu haben. Aber im Verfassungsleben stellen sich immer neue Fragen oder auch alte Fragen neu.
Welche es zukünftig sein werden, ist heute schwer auszumachen. Doch einige sind mit wechselndem Engagement sicher immer wieder auf der Tagesordnung:
• Die Zahl der Abgeordneten, die Größe des Parlaments, die im Parlament auf Initiative der CDU-Fraktion bereits erörtert worden ist, wird auch zukünftig zu Diskussionen Anlass geben. Diese Frage jedoch ausschließlich aus finanzieller Sicht zu diskutieren, wird unserer repräsentativen Demokratie nicht gerecht. Selbstverständlich müssen wir unseren Demokratiebetrieb nach den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit organisieren. Doch die Grenzen der Sparsamkeit liegen dort, wo sie die Grundprinzipien des Parlamentarismus gefährden oder den Pluralismus in der Zusammensetzung des Landtages nicht mehr gewährleisten. Hinzu kommt, dass in einem Flächenland , wie Schleswig-Holstein die regionale Interessenvertretung untrennbar mit einer überschaubaren Mandatsausübung vor Ort verbunden ist. Immer größere Wahlkreise sind keine Lösung für die Zukunft. Sie entsprechen auch nicht dem bürgernahen Charakter unseres Landes.
• Ebenso flackert immer wieder die Frage der Neugliederung des Bundesgebietes auf, die auch nach der alten Landessatzung von Schleswig-Holstein angestrebt war.
In unserem Land hat sich jedoch - wie in den anderen Bundesländern auch - eine starke eigene Identität entwickelt, eben das selbstbewusste Bundesland Schleswig- Holstein.
Dazu hat auch die Verfassung als Ordnungsrahmen wesentlich beigetragen; deswegen ist es richtig, den föderativen Status quo auf absehbare Zeit nicht in Frage zu stellen. Wir müssen aber um so nachdrücklicher alle Möglichkeiten der kooperativen und funktionalen Zusammenarbeit und Aufgabenerfüllung über Ländergrenzen hinweg ausbauen und befördern.
• Schließlich gehört auch eine Reform der Aufgabenverteilung und der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern, der wir einen höheren Stellenwert einräumen müssen, zu den unmittelbaren Aufgabenstellungen.
Insgesamt meine ich aber, dass wir in den vergangenen 50 Jahren unsere Verfassung in einer Weise entwickelt und gelebt haben, die identitätsstiftend war und die uns in den Stand setzt, die Herausforderungen zu bewältigen, denen wir uns in Zukunft zu stellen haben werden.
Grundsätzlich bleibt die Verfassung also ein Regelwerk, das nicht dem kurzlebigen Meinungswandel unterworfen sein darf.
Aber die jüngste Geschichte zeigt auch - der gesellschaftliche Wandel kann eine Veränderung der ordnenden Regeln erfordern. Für uns als Region in Europa wird neben den Entwicklungen in unserem eigenen Land besonders auch der Fortgang der Europäischen Integration stetige politische Aufmerksamkeit erfordern.
Dabei bin ich sicher: auch in Zukunft werden eigenständige Bundesländer mit einer starken kulturellen, landschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Identität ein stabiler und stabilisierender Faktor in einem noch enger zusammenrückenden aber auch größeren Europa sein. Dafür ist unsere Landesverfassung eine gute Grundlage.