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16.12.99
11:32 Uhr
SPD

Dr. Gabriele Koetschau: Zusamamenarbeit mit der Gebietsduma Kaliningrad

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Sven-Hauke Kaerkes•Landeshaus•Postfach 3607•24100 Kiel Tel: 0431/ 988-1305 • Fax: 0431/988-1308• E-Mail: pressestelle@spd-fraktion-ltsh.de Internet: www.spd-schleswig-holstein.de



Landtag Kiel, 16.12.99
aktuell Es gilt das gesprochene Wort! Sperrfrist: Redebeginn



Gabriele Kötschau zu TOP 15:

Zusammenarbeit mit der Gebietsduma Kaliningrad

Die kurzen Redezeiten für diese Debatte weisen nicht auf die Bedeu- tung der Sache hin, sondern auf die Einigkeit im Parlament über den Wunsch nach einer engeren parlamentarischen Zusammenarbeit mit der Duma des Gebietes Kaliningrad. Die Stabilität Rußlands ist auch für Schleswig-Holstein von großer Bedeutung, und hierzu können wir durch aktive Zusammenarbeit im Ostseeraum beitragen. Kaliningrad ist die uns nächstgelegene russische Region und in diese seit vielen Jahren bestehende Kooperation eingebunden.

Anläßlich des Kieler-Woche-Gesprächs im Juni diesen Jahres hatte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Kaliningrader Duma, Alex- ander Filatenko, darum gebeten, die Beziehungen zwischen unseren Parlamenten zu intensivieren – eine Anregung, die wir aufgegriffen und am Rande der Kieler Woche bereits diskutiert haben.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnet uns das Memorandum über die parlamentarische Zusammenarbeit? Was kann es konkret bedeuten? - 2-



Zunächst einmal: es ist das erste interparlamentarische Abkommen, das Schleswig-Holstein mit einem anderen Parlament abschließt - ein zusätzlicher Schritt der Vertrauensbildung. Vor dem Hintergrund der EU-Beitrittsverhandlungen mit Polen und den baltischen Staaten ist ei- ne verstärkte Zusammenarbeit gerade mit Kaliningrad zur Vermeidung von Rückschlägen und zur Festigung der Region von großer Bedeu- tung.

Kontakte zwischen Schleswig-Holstein und Kaliningrad bestehen be- reits seit Anfang der 90er Jahre. Unterstützt werden sie seit 1995 von der Arbeit des "Hanse-Büros" in Kaliningrad. Am 12. Februar 1999 ha- ben der Gouverneur des Kaliningrader Oblast, Leonid Gorbenko, und Ministerpräsidentin Heide Simonis ein Memorandum über regionale Zu- sammenarbeit unterzeichnet, das wir an anderer Stelle bereits diskutiert haben. Bereits im Mai 1997 hatte eine Delegation des SH Landtags unter Leitung des Landtagspräsidenten Kaliningrad besucht.

Zur Erinnerung: Im internationalen Bereich ist Kaliningrad durch die Ostseekooperation bereits eingebunden in den Ostseerat (CBSS), über die Russische Föderation die Ostseeparlamentarierkonferenz, in der auch die Regionen vertreten sind und damit, ebenso wie Schleswig- Holstein, auch die russischen Rechtssubjekte St. Petersburg, Oblast Leningrad, Karelien und Stadt und Oblast Kaliningrad die Konferenz der Subregionen (BSSSC), einem Netzwerk der 162 Subregionen des Ostseeraumes, einer der wichtigsten Partner der Eu- ropäischen Kommission für EU-Programmaktivitäten im Ostseeraum

Und hierin liegt eine unserer großen Chancen: - 3-



diese Foren verstärkt zu nutzen für gemeinsame Initiativen zur Förde- rung der Demokratie sowie regionaler und gemeindlicher Selbstver- waltung; gemeinsam auf parlamentarischer Ebene, zum Beispiel durch eine Zu- sammenarbeit der Fachausschüsse, konkrete Projekte zu erarbeiten, die mit finanzieller Unterstützung der EU umgesetzt werden können eine gemeinsame Identität in der Ostseeregion zu entwickeln.

Deutlich wurde in den Diskussionen der letzten Ostseeparlamentarier- konferenz Anfang September, daß wir v. a. die soziale Dimension der neuen Staaten stärker in Betracht ziehen müssen. Der Wechsel zur so- zialen Marktwirtschaft in Rußland korrespondiert mit den Folgen der Privatisierung, wovon auch Kaliningrad betroffen ist. Unser Landtags- präsident hatte in seinem Bericht über die Konferenz ausdrücklich auf den sozialen Sprengstoff hingewiesen, der sich durch die unterschiedli- chen Lebensbedingungen, die Armut und die Arbeitslosigkeit in einigen Ländern entwickelt. Vor allem die Frauen sind hiervon betroffen - ein weites Feld für eine Zusammenarbeit in konkreten Projekten.

Neben der Situation der Frauen sind die „street-children“, die Straßen- kinder, ein erschreckendes Phänomen. Hier sind wir gefordert. Wenn Kinder und Jugendliche keine Perspektive haben, haben wir die Zukunft verloren. Die Berichte meiner Tochter, die im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres in Kaliningrad auch mit Straßenkindern arbeitete, wa- ren erschütternd. Parlamentarische Anstöße und Begleitung auch auf diesem Gebiet können hilfreich sein.

Der Präsident der Kaliningrader Duma, Valerij Ustyugov, betonte in sei- ner Rede vor der Parlamentarierkonferenz das Recht der Regionen auf - 4-



eine eigene Gesetzgebung. Hierbei sollten die ökonomischen und öko- logischen Bedingungen besonders berücksichtigt werden. In diesem gesamten Prozeß seien sie dabei stark auf Zusammenarbeit und Un- terstützung angewiesen.

Die Zukunft werde auch davon abhängen, fuhr Ustyugov fort, in wel- chem Umfang das Land selbst Verantwortung übernehmen werde. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. Hier Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und gemeinsam an einer Stabilisierung der Region Kaliningrad zu ar- beiten, wäre unser Part. Wirtschaftliches Wachstum im Oblast Kaliningrad wird nicht auf diesen begrenzt bleiben – von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Wachstumsregion Ost- seeraum wird auch Schleswig-Holstein profitieren. Wir haben die Chan- ce, sowohl Handelspartner als auch einen Markt aufzubauen.

Hilfreich für eine intensivere Kooperation mit Kaliningrad ist die klare Aussage auf dem Kölner EU-Gipfel im April diesen Jahres zur künftigen Rußland-Politik der EU. Das Abkommen über Partnerschaft und Zu- sammenarbeit zwischen Rußland und der Europäischen Union hat un- seren Beziehungen zu Rußland eine neue Qualität verliehen und be- rührt unsere Kooperation in der Ostseeregion.

Und - die Ostseekooperation ist insbesondere eine Klammer zwischen EU-Mitgliedstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten. Die Ostseepolitik ge- staltet eine Kooperation gerade dort, wo eine Integration (noch) nicht möglich ist. Damit kann sie die wohl wichtigste Rolle der Vor- Beitrittsstrategie für die Beitrittsländer aus dem Ostseeraum spielen und außerdem eine lebendige Nachbarschaft mit Rußland praktizieren. Wir sehen den Abschluß dieses Memorandums als ist einen weiteren - 5-



Schritt zur Verstärkung der Aktivitäten Schleswig-Holsteins mit Kalinin- grad an.

Was können wir bewirken mit dieser parlamentarischen Zusammenar- beit?

Zum Beispiel eine Stabilisierung Rußlands in der Ostseeregion In seiner Rede vor dem 2. Ostseegipfel in Riga hat der damalige russi- sche MP Victor Tschernomyrdin das ausdrückliche Interesse der russi- schen Regierung an einer Stärkung der Zusammenarbeit im Ost- seeraum erklärt und dabei zugleich die Regionen zu einem entspre- chenden Engagement ermuntert.

Bereits heute gibt es Partnerschaften und Kooperationen zwischen Städten, Z. B. Kiel - Kaliningrad Schulen, z. B. Gusev - Harrislee Gesellschaften und Vereinen, z. B.der „Deutsch-Russischen Gesell- schaft“ Unternehmen und Verbänden im Bereich der Kirchen und auf dem Jugendsektor

Zu diesen Kooperationen in verschiedenen Bereichen kommt jetzt die parlamentarische hinzu: Inwieweit wollen wir zum Beispiel jungen Leuten verstärkt die Möglich- keit bieten, im Rahmen eines freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres oder als Au Pair in der Partnerregion tätig zu werden? Ebenfalls eine politische Entscheidung, die auf die Zukunft ausgerichtet ist. Inve- stitionen in die Köpfe und in menschliche, persönliche Erfahrungen - 6-



sollte in der Umsetzung des Memorandums eine besondere Rolle spielen.

Haben wir den Mut, diese Partnerschaft als Parlamentarier dafür zu nutzen in die Köpfe zu investieren, Bildung und Kultur als wichtigen Wirtschaftsfaktor zu erkennen und dies in die Praxis umzusetzen und die jeweils andere Seite als gleichberechtigten Partner zu akzeptieren.

Leisten wir auch als Parlamentarier künftig in gemeinsamen Anstren- gungen unseren Beitrag dazu, die Ostsee zu einem Meer des Friedens zu machen und den Ostseeraum zu einer stabilen Region zu entwik- keln, von der neue, zukunftsträchtige Impulse ausgehen.