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17.11.99
15:01 Uhr
SPD

Ulf von Hielmcrone: Küstenwache

Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Sven-Hauke Kaerkes •Landeshaus•Postfach 3607•24100 Kiel Tel: 0431/ 988-1305 • Fax: 0431/988-1308• E-Mail: pressestelle@spd-fraktion-ltsh.de Internet: www.spd-schleswig-holstein.de

Kiel, 17.11.1999

Landtag aktuell

Ulf von Hielmcrone zu TOP 21: „Küstenwache“

Dieses Haus hat zur Klärung der Vorgänge um die Pallas einen Unter- suchungsausschuss eingesetzt, der sich auch mit Schlußfolgerungen aus diesem Unglück befassen sollte. Die Forderung nach einer kompe-tenten Küstenwache als Bestandteil eines Sicherheitskonzeptes auf Nord- und Ostsee ist ohne Frage eine Konsequenz aus dem „Pallas“- Untersuchungsausschuss. Eigentlich hätte das Haus deswegen zu-nächst den Bericht des Ausschusses diskutieren und dann in entspre-chenden Anträgen die notwendigen Folgerungen ziehen sollen. Die CDU hat mit ihrem Antrag einen anderen Weg gewählt. Sie teilt of-fenbar die Folgerungen aus dem Ausschuss in solche auf, die a) sach-gerecht sind und solche, die b) der politischen Agitation dienen, also po-litische Kampfinstrumente sind. Erstere werden also erkennbar jetzt, letztere sollen wohl im Januar behandelt werden.
Da die Forderung nach einer kompetenten Küstenwache parteiüber-greifend aufgrund der bereits auf der Hand liegenden Ergebnisse des Untersuchungsausschusses schon lange in vielen Presseveröffentli-chungen gestellt worden ist, mag es sinnvoll erscheinen, dieser Forde-rung gemeinsam auch in diesem Hause Nachdruck zu verleihen und sie vor allem aus dem später zu erwartenden Wahlkampfgetöse herauszu-halten. Denn natürlich wird auch die „Pallas“ im Wahlkampf herhalten müssen, ein völlig unseriöser und lancierter „Bild“-Artikel hat einen er-sten Vorgeschmack geliefert. Die Chance, jetzt noch über die Grenzen des Landes hinaus Gehör zu finden, mag also vorhanden sein. Vor allem aber dürfte ein solcher – offensichtlich sehr weitgehender Antrag auch eine Rückendeckung für den Innenminister sein in seinen Verhandlungen mit den Kollegen der anderen Länder. In diesem Zusammenhang gilt unser Dank dem Innen-minister, der sehr aktiv war und der damit die infamen Behauptung, seit dem Pallas Unglück sei nichts wesentliches geschehen, Lügen straft. Er hat von sich aus gehandelt, eines gesonderten Antrags hätte es nicht bedurft.
Der „Pallas“-Unfall war von seinen Ausmaßen einerseits zwar über-schaubar und keineswegs der von der Küste gefürchtete GAU, aber er hat deutlich gemacht, dass die bisherige Konstruktion einer Küstenwa-che diesen Namen 2



nicht verdient und selbst ein gewisses Sicherheitsri-siko darstellt. Zwar mögen die vielen bunten Schiffchen auf Nord- und Ostsee mit den großen Aufschriften „Küstenwache“ beeindruckend sein, aber eigentlich steckt hinter dem eigentlichen Küstenwachzentrum in Cuxhaven nicht mehr als eine mittelgroße Telefonzentrale, die einge-hende Anrufe –darunter auch akute Notfälle – an jeweils unterschiedli-che dann erst zuständige Stellen weiterleitet, meistens jedenfalls... Ei-ne Telefonzentrale, die übrigens auch technisch nicht mit anderen Ein-satzzentralen im selben Haus vergleichbar ist.
Drei Fehlerquellen im Laufe des Pallas-Unfalls möchte ich stellvertretend erwähnen:
1. Eingehende Nachrichten hinsichtlich der Pallas in den frühen Mor- genstunden wurden nicht in ihrer Ernsthaftigkeit begriffen und des-wegen nicht schnell genug weitergegeben, so daß nicht gehandelt wurde.
2. Es fehlte eindeutig der „commander on scene“, also ein Einsatzleiter mit Weisungsbefugnis vor Ort. Der Kapitän der „Neuwerk“, der den Einsatz leitete, konnte mit den Männern auf der „Pallas“ nur über den Kapitän der „Meerkatze“ kommunizieren, weil diesem nicht ihm, son-dern jenem unterstanden.
3. Wertvolle Stunden verstrichen ungenutzt, weil Hubschrauberkapizität nach dem Bruch der Schleppverbindung „Pallas“-„Mellum“ nicht her-beigeschafft werden konnte und nicht für den Fall des vorhersehba-ren Bruchs bereitgestellt war.
Der erste Punkt macht sehr deutlich, daß die Handlungskompetenz nicht erst in dritter Linie liegen muß, sondern bereits in der Einsatzleitstelle und zwar mit Kompetenzen hinsichtlich aller dort vereinigter Behörden – von Fischereiaufsicht, über Zoll, Bundesgrenzschutz, Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und dann natürlich auch der Wasserschutzpolizei und der Feuerwehr, denn offensichtlich wachen die einzelnen Behörden, die jetzt im Küstenwachzentrum eigentlich gegen ihren Willen, zusam-men gesperrt sind, eifersüchtig über ihre jeweiligen Kompetenzen.
Eindeutig hat in der Nacht vom 25. Auf den 26.10.1998 eine entschei- dungskompetente Person und zwar in der Einsatzleitstelle selbst gefehlt. Der zweite Fall macht ebenfalls deutlich, daß es strukturelle Probleme in der Organisation der Zusammenarbeit der Behörden untereinander in erheblichen Maß gibt, ein Commaner on scene muß vollständige Kom-petenz im Einsatzfall haben, während der dritte Fall ein Fehler in der Beurteilung der Situation war. Herausgeber: SPD-Landtagsfraktion und SPD-Landesvorstand Verantwortlich: Sven-Hauke Kaerkes •Landeshaus•Postfach 3607•24100 Kiel Tel: 0431/ 988-1305 • Fax: 0431/988-1308• E-Mail: pressestelle@spd-fraktion-ltsh.de Internet: www.spd-schleswig-holstein.de


Ohne Zweifel ist es also richtig, im Interesse der Sicherheit auf See, eine Küstenwache mit Entscheidungskompetenz über Behörden- und Län- dergrenzen hinweg zu fordern und sie nicht nur zu fordern, sondern sie auch möglichst bald und in machbaren Schritten zügig umzusetzen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, daß es klare Entscheidungs-kompetenzen im Einsatzfall gibt und zwar behördenübergreifend und dass diese Entscheidungskompetenz ad hoc in der Einsatzleitstelle vor-handen vorhanden sein muß.. Ob dafür die Verfassung geändert werden muß, ist für mich ein zweitranginge Frage, wichtig ist vor allem die schlagkräftige und damit auch ständig einsatzbereite Struktur.
Einen Fehler sollten wir allerdings nicht begehen, den nämlich anzu-nehmen, alle Gefahren währen dann gebannt, wenn wir eine solche Kü-stenwache hätten, es wäre nämlich lediglich das Instrument der Gefah-renabwehr verbessert worden, Chancen des erfolgreichen Eingreifens und der Minimierung menschlicher Fehler würde verbessert, höhere Gewalt läßt sich indessen nie ausschließen.
Denn es ist lange nicht gesagt, daß wenn alle die von mir nicht ab-schließend aufgezählten Fehler im konkreten Fall nicht eingetreten wä-ren, daß dann die Bergung der „Pallas“ geglückt wäre, es wäre lediglich die Chance des Erfolges größer geworden, die Möglichkeit eine Schei-tern hätte aber auch dann bestanden.
Ungerecht wäre es außerdem, pauschal die Arbeit des bisherigen Kü- stenwachzentrums als völlig erfolglos abzuqualifizieren, es gilt sehr wohl den Männern dort auch einmal Dank für ihre Arbeit zu sagen, denn von den vielen Beinahe-Unfällen, die es immer wieder gegeben hat und immer wieder gibt, und die dort abgewendet wurden, erfahren wir ja nichts. Und auch von Ruby XL hätten wir nichts gewußt, wenn nicht an-schließend die Pallas gekommen wäre, und bei Ruby XL hat das Kü-stenwachzentrum einwandfrei gearbeitet. Dennoch muß man das Gefühl haben, wir hatten bisher Glück und die Gefahren wurden immer, sofort und richtig erkannt. Die „Pallas“ hat aber gezeigt, daß davon eben nicht selbstverständlich ausgegangen werden kann und es dringend einer besseren und sicheren Konstruktion bedarf.