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Petition zur Sicherstellung einer frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung in Schleswig-Holstein
zur Sicherstellung einer frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung sowie zur Gewährleistung von guten Arbeitsbedingungen für die Erzieher*innen und einer verlässlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf fordern wir:
1. Die Festschreibung einer dritten Fachkraft pro Gruppe/ einen Betreuungsschlüssel von mind. 3,0. Die Gruppengrößen werden dabei nicht größer.
2. Die Erhöhung der Verfügungszeit auf 5 Stunden pro Mitarbeiter*in, pro Woche.
3. Erhöhen Sie die Freistellung der Leitung.
4. Die Gewährleistung von zusätzlichen Fachkraft-Stunden für Fachkräfte, die Praktikant*innen in den Einrichtungen betreuen und anleiten.
5. Die Einhaltung der UN Behindertenrechtskonvention. Halten Sie den gesetzlichen Rahmen ein und ermöglichen Sie den Einrichtungen, ohne viel Bürokratie, gleichermaßen den Bedürfnissen von Kindern mit und ohne Behinderung sowie den Mitarbeiter*innen durch genügend Fachpersonal und räumlichen Gegebenheiten gerecht zu werden. Das garantiert die Gleichbehandlung aller Kinder sowie die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention, die die gleichberechtigte Teilnahme aller Menschen am gesellschaftlichen Leben vorsieht.
6. Keine Qualitätsminderung durch helfende Hände. Aufgrund des starken Fachkräftemangels in Kindertagesstätten besteht die Gefahr, dass diese "helfenden Hände" schnell als Ersatzkräfte für das pädagogische Personal angesehen werden. Diese "helfenden Hände" verfügen jedoch nicht über die erforderliche berufliche Qualifikation.
7. KiTas sollen ohne organisatorischen Aufwand beitragsfrei sein. Das bedeutet auch, dass keine Verpflegungskosten für uns Eltern entstehen. Nur absolute Beitragsfreiheit sorgt für Bildungschancengleichheit.
8. Eine Revisionsklausel. Angesichts des stetigen Wandels in unserer Gesellschaft und der wachsenden Bedeutung frühkindlicher Bildung ist es erforderlich, eine Klausel einzuführen, die regelmäßige Überprüfungen ermöglicht, um das Gesetz auf dem neuesten Stand zu halten und an aktuelle gesellschaftliche Gegebenheiten anzupassen.
Ein besserer Betreuungsschlüssel würde die Fachkräfte-Engpässe erstmal verschärfen. Allerdings würden sich sofort die Möglichkeiten für gute Qualität bei Erziehung und Bildung verbessern. Gleichzeitig wird dadurch das Arbeitsfeld deutlich attraktiver für junge Menschen vor der Ausbildung sowie Quereinsteiger und die Fluktuation von Fachkräften in andere Arbeitsfelder würden sich verringern. Teilzeitkräfte können sich vorstellen unter guten Bedingungen auch mehr Stunden zu arbeiten.
Gez. Christin Spieckermann
Initiatorin der Initiative KiTaMisere-SH
Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die von 1.163 Mitzeichnern unterstützte öffentliche Petition auf der Grundlage der von der Petentin vorgetragenen Gesichtspunkte, einer Stellungnahme des Ministeriums für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung sowie der Ergebnisse einer aktuellen Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes beraten. Die Petentin setzt sich dafür ein, die Qualität der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung in Schleswig-Holstein durch einen verbindlichen Betreuungsschlüssel von 3,0 und eine zusätzliche Anhebung der Verfügungszeiten der Mitarbeitenden auf fünf Stunden pro Woche weiter zu erhöhen. Dies würde ihrer Ansicht nach das Arbeitsfeld für junge Menschen sowie Quereinsteiger deutlich attraktiver machen und die
Fluktuation von Fachkräften in andere Arbeitsfelder verringern. Sie kritisiert, dass der Einsatz der sogenannten Helfenden Hände hingegen zu einer Absenkung der Betreuungsqualität führe. Ferner sollten die Elternbeiträge abgeschafft werden.
Der Petitionsausschuss teilt die Auffassung der Petentin, dass bereits in der frühen Kindheit Grundlagen für das spätere Leben gelegt werden. Kinder entwickeln in den ersten Lebensjahren wichtige Fähigkeiten, verinnerlichen Werte und erlernen Sozialkompetenz. Eine hohe Qualität der Betreuung in Kindertagesstätten ist daher unbedingt erforderlich. Eine hochwertige Betreuung von Kindern unterstützt diese unabhängig von ihrer Herkunft in der persönlichen Entwicklung und fördert damit gleiche Bildungschancen für alle. Dem Ausschuss ist bewusst, dass das Anliegen der Petentin nach einer verlässlichen Kinderbetreuung sowie einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung stellvertretend für die Forderung vieler Familien im Land steht, deren Lebenswirklichkeit maßgeblich von den Rahmenbedingungen in den Betreuungseinrichtungen beeinflusst wird.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass diese Ziele durch das im Januar 2021 in Kraft getretene Kindertagesförderungsgesetz erreicht werden sollten. Durch dieses wurde eine grundlegende Umstellung des Finanzierungssystems sowie die Verankerung von Mindestqualitätsstandards vorgenommen. Ziel war eine finanzielle Entlastung der Familien und Kommunen sowie eine Steigerung der Qualität in den Einrichtungen. Ein zuverlässiges Betreuungsangebot sollte überdies die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen.
Der Ausschuss begrüßt, dass die mit dem Gesetz verbundenen Zielsetzungen durch eine umfangreiche Evaluierung überprüft wurden. Zweieinhalb Jahre lang haben externe Forschungsinstitute Daten gesammelt und ausgewertet. Auftraggeber war ein Fachgremium, in dem neben dem Sozialministerium die kommunalen Landesverbände, die Landeselternvertretung sowie die Verbände der Einrichtungsträger und der Kindertagespflegepersonen vertreten sind. Durch die Befragung von Einrichtungen, Einrichtungsträgern, Standortkommunen sowie Fachkräften und örtlichen Trägern konnten vielfältige Erkenntnisse zur Wirkung des Gesetzes gewonnen werden. Der „Abschlussbericht zur Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes Schleswig-Holstein“ steht auf der Internetseite der Landesregierung zur Verfügung (https://www.schleswig-holstein.de/mm/downloads/SOZMI/
abschlussbericht_eval_kitag.pdf). Der Petitionsausschuss entnimmt dem Bericht, dass trotz der weiterhin bestehenden Herausforderungen in verschiedenen Bereichen deutliche Fortschritte erzielt wurden.
Das Anliegen der Petentin, den verbindlichen Betreuungsschlüssel von 2,0 auf 3,0 zu erhöhen, um so die Betreuung der Kinder in den Einrichtungen noch weiter zu verbessern, kann der Ausschuss grundsätzlich nachvollziehen. Selbstverständlich ist es erstrebenswert, den Kindertagespflegepersonen genug zeitliche Kapazitäten zu verschaffen, damit sie bestmöglich auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes eingehen können. Diese Maßnahme würde jedoch einen Personalmehrbedarf von über 8.000 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) erfordern, durch die begehrte zusätzliche Anhebung der Verfügungszeiten kämen weitere 1.400 VZÄ hinzu. Die dafür notwendigen Fachkräfte stehen jedoch auf dem Arbeitsmarkt kurz- und mittelfristig nicht zur Verfügung. Der Bericht hat leider gezeigt, dass der Fachkräftemangel eine große Herausforderung bleibt. Der Ausschuss stellt fest, dass es bei einem Großteil der Kindertagesstätten aufgrund fehlender Fachkräfte insbesondere bei hohen Krankenständen zu längerfristigen Unterschreitungen des gesetzlichen Betreuungsschlüssels kommt. Ihm ist bewusst, dass vorübergehende Schließungen der Einrichtungen schwerwiegende Belastungen für die betroffenen Familien darstellen und weiterer Verbesserungsbedarf besteht. Um den Einrichtungen in diesen Situationen mehr Spielraum zu ermöglichen, kann es daher zukünftig erforderlich werden, die bestehenden Regelungen flexibler zu gestalten. Für einen höheren Betreuungsschlüssel kann der Ausschuss sich vor dem dargestellten Hintergrund nicht aussprechen.
Dem Ausschuss ist bekannt, dass die Landesregierung im Rahmen einer umfassenden Fachkräfte-Stärken-Strategie darauf abzielt, mit kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen vorhandene Fachkräfte zu stärken und neue qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen. Die Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher an den Beruflichen Schulen wurden bereits erhöht. 100 zusätzliche Stellen im Bereich des Freiwilligen Soziales Jahres werden jährlich gefördert. Darüber hinaus wird erfahrenen sozialpädagogischen Assistentinnen und Assistenten der Aufstieg zur Gruppenleitung ermöglicht, sobald diese eine zusätzliche Qualifizierung abgeschlossen haben. Durch das Voraussetzen von Berufserfahrung und zusätzlicher Qualifizierung wird der Qualitätsanspruch an die Bildung, Erziehung und Betreuung in Kindertageseinrichtungen unterstrichen. Weitere Kräfte sollen gewonnen werden, indem Interessierten nach vorangegangener Grundqualifizierung der Quereinstieg als zweite Fachkraft in Kindertageseinrichtungen ermöglicht wird.
Auch ist es möglich, den fehlenden Stellenanteil auch mit Personal zu besetzen, das nicht die von pädagogischen Fachkräften geforderte Ausbildung durchlaufen hat, um diese von nicht-pädagogischen Aufgaben zu entlasten. Entgegen der Befürchtung der Petentin können diese sogenannten Helfende Hände Fachkräfte jedoch nicht ersetzen. Sie können durch den Kita-Träger zusätzlich zum geltenden Betreuungsschlüssel von 2,0 eingesetzt werden. Nur wenn der Kita-Träger auf Grund des hohen Fachkräftemangels eine Stellenvakanz trotz großer Anstrengungen und mehrerer Ausschreibungen nicht besetzen kann, ist er berechtigt beim örtlichen Träger eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen und den Betreuungsschlüssel in der jeweiligen Gruppe für eine befristete Zeit auf 1,5 abzusenken. An dieser Stelle wird es der Einrichtung dann ermöglicht, in dieser Gruppe eine Helfende Hand zu beschäftigen. Diese helfende Hand ersetzt dementsprechend keine pädagogische Fachkraft. Der Ausschuss entnimmt dem Bericht, dass der Einsatz der Helfenden Hände gut angenommen worden ist und eine wertvolle Unterstützung für die Einrichtungen darstellt.
Soweit die Petentin die finanzielle Belastung von Familien durch die Elternbeiträge problematisiert, stellt der Ausschuss fest, dass das Gesetz bereits verschiedene Maßnahmen zu einer Entlastung vorsieht. Eine davon ist die Deckelung der Elternbeiträge. Der Petitionsausschuss nimmt zur Kenntnis, dass diese im Evaluationsbericht als Reformerfolg hervorgehoben wird. Der Vergleich der Jahre 2019 und 2022 zeigt, dass sich die Elternbeiträge in diesem Zeitraum um durchschnittlich 30 Prozent reduziert haben. Ein Drittel der Eltern hat demnach bei den Beiträgen eine Entlastung erfahren.
Darüber hinaus tragen auch Ermäßigungen für Geschwister und Sozialermäßigungen zur Entlastung bei. Die Sozialermäßigung entlastet Familien mit unteren und mittleren Einkommen bei den Elternbeiträgen. Eltern mit einem Einkommen unterhalb der Sozialhilfe-Einkommensgrenze sind beitragsfrei gestellt.
Insgesamt werden für die Kinderbetreuung gegenwärtig Mittel in Höhe von ungefähr 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Hiervon werden vom Land 43 Prozent und von den Kommunen 37 Prozent getragen. 20 Prozent werden aus den Elternbeträgen finanziert. Für die begehrte gänzliche Abschaffung der Elternbeiträge müssten somit weitere rund 300 Millionen Euro durch das Land und die Kommunen finanziert werden. Eine Anhebung des Betreuungsschlüssels auf 3,0 sowie eine Anhebung der Verfügungszeiten hätten zusätzliche Kosten in Höhe von 591 Million Euro zur Folge. Der Evaluationsbericht hat jedoch bereits gegenwärtig eine Finanzierungslücke im dreistelligen Millionenbereich identifiziert. Der Ausschuss bedauert, dass damit angesichts der aktuellen angespannten Haushaltslage derzeit eine Abschaffung der Elternbeiträge nicht finanzierbar ist. Er betont, dass es momentan darum geht, die weitere Finanzierung zwischen Land, Kommunen und Eltern fair zu verteilen.
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass nun im nächsten Schritt die Auswertung des Berichtes und bis zum 30. April 2024 die Erarbeitung einer Stellungnahme des Fachgremiums vorgesehen sind. Das anschließende Gesetzgebungsverfahren soll bis November abgeschlossen sein, damit das neue Gesetz, wie geplant, zum 1. Januar 2025 in Kraft treten kann. Der Ausschuss begrüßt, dass bei diesem Prozess die fachliche Expertise der Kita-Träger, der Kommunen, der Kindertagespflege und der Eltern einbezogen wird. Die von der Petentin begehrte Überprüfung des Gesetzes findet damit gegenwärtig statt. Im Ergebnis seiner Beratung stellt der Petitionsausschuss fest, dass die von der Petentin gewünschte Anhebung des Betreuungsschlüssels ebenso wie die Abschaffung der Elternbeiträge derzeit aufgrund der damit einhergehenden hohen finanziellen Belastungen nicht umgesetzt werden kann. Jedoch ist im Laufe des Verfahrens deutlich geworden, dass Einigkeit darin besteht, eine höchstmögliche Qualität der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung sowie eine größtmögliche Verlässlichkeit in der Betreuung der Kinder zu erreichen. Daher geht der Ausschuss davon aus, dass die im Rahmen der Evaluierung gewonnen Erkenntnisse zum Wohle der Familien in das anstehende Gesetzgebungsverfahren mit einfließen werden.