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Stoppt das Horror-Examen -
gegen die Abschaffung des prüfungsfreien Tages im juristischen Staatsexamen!
Das Jura-Staatsexamen ist seit langem in der Kritik. Eine Prüfung entscheidet über Bestehen oder nicht-Bestehen, Erfolg oder nicht-Erfolg eines fünfjährigen Studiums. Zahlreiche Studierende klagen über kaum Freizeit, extremen Druck und psychische Probleme während der eineinhalbjährigen Examensvorbereitung. Doch statt den gesundheitsgefährdenden und lernpädagogisch unsinnigen Druck zu senken, plant das Justizministerium nun mit der Neufassung der JAVO die größte Verschärfung der Prüfungsbedingungen seit Jahrzehnten. Aus Kostengründen soll der bisher vorgeschriebene Ruhetag nach zwei Prüfungen gestrichen werden. Gleichzeitig soll eine weitere Klausur eingeführt und der Prüfungsstoff erweitert werden. Das Ergebnis: sieben anstatt bisher sechs fünfstündige Klausuren in nur zehn Tagen. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Mit anderen Worten: Schleswig-Holstein soll das härteste Examen Deutschlands bekommen. Das ist nicht nur ein Wettbewerbsnachteil beim Werben um dringend benötigten juristischen Nachwuchs, sondern gefährdet die Gesundheit der Studierenden in Schleswig-Holstein.
Der Landtag muss dieses Vorhaben stoppen! Im Einzelnen fordern wir:
1. Die Ruhetagsregelung muss erhalten bleiben! Nach zwei Klausuren braucht es einen Tag Erholung.
2. Keine siebte Klausur! Sie ist eine nicht notwendige zusätzliche Belastung der Studierenden.
3. Keine Ausweitung des Prüfungsstoffes! Dieser ist schon jetzt völlig überladen.
4. Schluss machen mit Sehnenscheidenentzündungen! Fünfstündige handschriftliche Klausuren sind eine Zumutung für Studierende. Sie müssen wie in anderen Bundesländern auch spätestens ab 2025 die Möglichkeit bekommen, ihr Examen am Computer zu schreiben.
5. Die wesentlichen Rahmenbedingungen des ersten juristischen Staatsexamens müssen vom Parlament geregelt werden. Klausurenzahl und Ruhetagsregelung gehören ins JAG.
Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die öffentliche Petition, die von 2.723 Personen mitgezeichnet wurde, aufgrund des Vorbringens des Petenten und der in der öffentlichen Anhörung am 11. Juli 2023 vorgetragenen Argumente unter Hinzuziehung mehrerer Stellungnahmen des Ministeriums für Justiz und Gesundheit ausführlich geprüft und beraten.
Der Petent wendet sich gegen die zum damaligen Zeitpunkt in Planung befindliche Novellierung der Juristenausbildungsverordnung. Dadurch würden sich die Prüfungsbedingungen des ersten juristischen Staatsexamens verschärfen.
Der Petitionsausschuss stellt fest, dass die Landesregierung am 18. Juli 2023 aufgrund der Ermächtigung in § 14 Gesetz über die Ausbildung der Juristinnen und Juristen im Land Schleswig-Holstein eine Neufassung der Juristenausbildungsverordnung beschlossen hat. Diese tritt am 27. Februar 2024 in Kraft.
Dem vorangegangen ist ein langjähriger Abstimmungsprozess mit den Justizministerien der anderen Bundesländer und eine Beteiligung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Fachschaft sowie des Justizprüfungsamtes. Das Justizministerium sieht eine Novellierung der Juristenausbildungsverordnung als notwendig an, um die Qualität der juristischen Ausbildung, auch im Bundesvergleich, sicherzustellen. Die Ergebnisse der Abschlussprüfungen seien nicht zufriedenstellend, daher sei eine Überarbeitung, Anpassung und Neustrukturierung der staatlichen Pflichtfachprüfung geboten. Das rechtswissenschaftliche Studium sei aufgrund der mit juristischen Berufen verbundenen hohen Verantwortung ein sehr anspruchsvoller Studiengang, der in Schleswig-Holstein ohne Eingangstests und Numerus Clausus allen Personen mit Hochschulreife offenstehe.
Der Petitionsausschuss stimmt mit dem Justizministerium überein, dass Juristinnen und Juristen in ihrer beruflichen Tätigkeit eine große Verantwortung tragen und sie daher im Studium und Referendariat bestmöglich ausgebildet werden sollten, um den Anforderungen im späteren Berufsleben gerecht werden zu können.
Dabei besteht in der universitären juristischen Ausbildung im Gegensatz zu den meisten anderen Studienfächern die Besonderheit, dass der umfangreiche Prüfungsstoff erst am Ende des Studiums in der staatlichen Pflichtfachprüfung abgefragt wird, deren Ergebnis zu 70 Prozent in das erste juristische Staatsexamen einfließt. Die universitäre Schwerpunktprüfung, die in der Regel vorher abgelegt wird, geht zu 30 Prozent in die Benotung des Staatsexamens ein. Das Justizministerium sieht in dieser Möglichkeit der Abschichtung des Prüfungsstoffs bereits eine erhebliche Erleichterung für die Studierenden.
Der Ausschuss pflichtet in Anbetracht dieser Prüfungskonstellation und der hohen Durchfallquoten in der staatlichen Pflichtfachprüfung dem Petenten bei, dass die Neufassung der Prüfungsanforderungen in der Juristenausbildungsverordnung auch die psychische und physische Belastung der Studierenden im Blick haben muss. Der Petent hat insbesondere vor dem Hintergrund der regelmäßig sehr hohen Durchfallquoten von nahezu 30 Prozent, der langen Examensvorbereitung und der von Studierenden als notwendig empfundenen Vorbereitung mittels kommerzieller Repetitorien in der öffentlichen Anhörung eindrucksvoll dargelegt, welcher Drucksituation die Studierenden der Rechtswissenschaften ausgesetzt sind. Dieser Vortrag wird von dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät unterstützt unter Verweis auf eine vergleichende Umfrage des Bundesverbandes der rechtswissenschaftlichen Fachschaften zur psychischem Belastung im Jurastudium.
In Bezug auf die von dem Petenten geforderte Beibehaltung der Ruhetagsregelung, also einem prüfungsfreien Tag nach jeweils zwei Examensklausuren, hat das Justizministerium in der öffentlichen Anhörung vorgetragen, dass es auf absehbare Zeit keine Abweichung von der bisherigen Praxis der Ruhetage geben werde. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Petitionsausschuss, dass die Neufassung der Juristenausbildungsverordnung in § 11 Absatz 2 Satz 4 weiterhin – wie von den Petenten und auch dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät gefordert – einen prüfungsfreien Tag nach zwei Klausuren vorsieht. Dabei ist die vom Justizministerium dargestellte Begründung, Schleswig-Holstein müsse sich im Sinne einer bundeseinheitlichen Homogenität der inhaltlichen Prüfungsanforderungen an dem länderübergreifenden Klausurenaustausch beteiligen, sicherlich nachvollziehbar. Der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hat in Bezug auf diese Zielsetzung betont, dass eine Harmonisierung nicht Einheitlichkeit bedeuten, sondern ein weiter Raum für Flexibilität gegeben sein müsse. Er halte es für wichtig, dass das Examen nicht von der Administrierbarkeit, sondern von den Inhalten her gedacht werde. Dementsprechend sei es selbst bei der Teilnahme am Klausurenring möglich, dass das Prüfungsamt in Schleswig-Holstein kleinere Anpassungen an ansonsten einheitlichen Klausuren vornehme.
Aus der ergänzenden Stellungnahme des Justizministeriums geht hervor, dass Schleswig-Holstein aufgrund der nur zwei Mal jährlich stattfindenden Prüfungstermine in der Regel lediglich mit vier anderen Bundesländern an unterschiedlich zusammengesetzten Klausurenringen teilnimmt. Diese Teilnahme wechsele jährlich und werde auf der Konferenz der Justizprüfungsämter abgestimmt.
Der Petitionsausschuss bittet vor dem dargestellten Hintergrund nachdrücklich darum, dass das Justizministerium im Austausch mit den anderen Bundesländern weiterhin auf das Erfordernis eines prüfungsfreien Tages im Sinne einer notwendigen Begrenzung der Prüfungsbelastung für die Studierenden dringt.
Die durch die Neuregelung der Juristenausbildungsverordnung ermöglichte Einführung digitaler Prüfungsleistungen wird vom Petitionsausschuss ebenfalls ausdrücklich begrüßt. In Anbetracht der notwendigen Digitalisierung der Justiz hatten Studierende schon länger die Einführung eines elektronischen Examens gefordert. Der Petitionsausschuss hofft, dass das E-Examen nun zügig eingeführt wird, um auch hier mit den anderen Bundesländern auf einem vergleichbaren Standard zu sein.
Die durchgeführte öffentliche Anhörung hat aus Sicht des Ausschusses ergeben, dass über die Erfordernisse an Inhalt und Modalitäten der ersten juristischen Staatsprüfung durchaus unterschiedliche Ansichten bestehen.
Dies gilt vor allem für die nun erfolgte Einführung einer zweiten Strafrechtsklausur (§ 11 Absatz 2 Nummer 2 Juristenausbildungsverordnung), die dazu führt, dass insgesamt sieben Klausuren in der staatlichen Pflichtfachprüfung abzulegen sind. Das Justizministerium hält die zusätzliche Klausur zur Qualitätssicherung eines zukunftsorientierten Abschlusses für geboten. Die zweite Strafrechtsklausur biete den Kandidatinnen und Kandidaten die Chance, ihr Gelerntes in zwei Arbeiten zu zeigen. Die Staatsanwaltschaften hätten in Bezug auf strafrechtliche Kenntnisse bei den Absolventinnen und Absolventen im Referendariat erhebliche Defizite festgestellt. Mit der Einführung einer weiteren Strafrechtsklausur solle einer Fehlentwicklung der strafrechtlichen Kompetenzen begegnet werden. Als Beleg führt das Ministerium eine Statistik zur erreichten Punktzahl in den einzelnen Fächern in der staatlichen Pflichtfachprüfung für die Jahre seit 2017 an, aus der sich eine Durchschnittpunktzahl von 4,32 im Strafrecht gegenüber 5,05 im Zivilrecht und 5,51 im öffentlichen Recht, mithin eine Abweichung unter einem Punkt, ergibt. Das Justizministerium folgert aus diesem Ergebnis, dass die Studierenden sich im Strafrecht nicht ausreichend vorbereiten und durch die Einführung einer weiteren Strafrechtsklausur ein Anreiz geschaffen werden solle, sich diesem Rechtsgebiet im Studium und in der Examensvorbereitung stärker zu widmen.
Aus Sicht des Petenten ist die etwa eineinhalb Jahre dauernde Examensvorbereitung bei den meisten Studierenden durch einen extrem hohen Lernaufwand und kaum Erholungszeiten gekennzeichnet. Er bestreitet, dass allein die Erhöhung der Klausurenanzahl zu einer Zunahme der Kenntnisse der Studierenden im Strafrecht führe.
Der Petitionsausschuss hält in Bezug auf die Notwendigkeit der Einführung einer weiteren strafrechtlichen Klausur die Argumentation des Justizministeriums für nicht überzeugend. Während in anderen Punkten stets auf das vorrangige Ziel einer Harmonisierung der Prüfungsinhalte und –bedingungen mit anderen Bundesländern und somit einer Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse abgestellt wird, weicht Schleswig-Holstein nunmehr in der Anzahl der Prüfungsarbeiten von der Mehrheit der anderen Bundesländer ab. Unstreitig hat die Erweiterung von Prüfungen eine Mehrbelastung der Examenskandidatinnen und –kandidaten zur Folge, unabhängig von der Frage, ob es dadurch zu einer Erweiterung der Prüfungsinhalte kommt.
In der Stellungnahme der Rechtswissenschaftlichen Fakultät bemängeln die Fachsäulen Zivilrecht und Öffentliches Recht zudem, dass die angeführten schlechteren Ergebnisse im Bereich der Strafrechtsklausur in keiner Weise mit belastbaren Vergleichsdaten unterlegt sind.
Aus Sicht des Ausschusses stellt die bloße Erweiterung der Anzahl der Prüfungen keine geeignete Maßnahme dar, um die strafrechtlichen Kenntnisse der Studierenden zu verbessern. Für die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme gibt es weder aus den Prüfungsergebnissen der anderen Bundesländer noch aus den Forschungen der Vermittlungswissenschaften eine nachvollziehbare Evidenz. Vielmehr sollte in Zusammenarbeit mit der Universität Kiel als Ausbildungsstätte an strukturellen Veränderungen innerhalb der Ausbildung gearbeitet werden, um mangelhaften Kenntnissen in einzelnen Rechtsgebieten und der hohen Durchfallquote sowie der nicht unbeträchtlichen Anzahl der Studienabbrecher zu begegnen. Die Ausweitung der Prüfung um eine weitere Klausur lässt zudem befürchten, dass Studierende lieber in benachbarte Bundesländern, die lediglich sechs Klausuren fordern, abwandern.
In Bezug auf die Änderungen des Pflichtstoffkatalogs teilt der Petitionsausschuss die grundsätzliche Zielsetzung des Justizministeriums nach einer bundesweiten Harmonisierung der Prüfungsbedingungen, um Chancengleichheit zu wahren, den Studienortwechsel zu vereinfachen und die Gleichwertigkeit des Schleswig-Holsteinischen Examens sicherzustellen. Der Petent hat sich gegen die Ausweitung des bereits sehr umfänglichen Prüfungsstoffs ausgesprochen. Hierzu hat der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in der Stellungnahme der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zur Änderung der Juristenausbildungsverordnung bereits Vorschläge unterbreitet, wie der Prüfungsstoff reduziert werden kann, ohne den Grundgedanken der Harmonisierung zu gefährden. Der Wissenschaftliche Dienst der Rechtswissenschaftlichen Fakultät hat bereits in seiner Stellungnahme an das Justizministerium angemahnt, dass weniger relevante Rechtsgebiete verkürzt oder vollständig entfernt werden müssten, um in der Lehre ausreichend Raum zu haben, die notwendigen systematischen, methodischen und argumentativen Fähigkeiten der Studierenden zu stärken, statt sich lediglich auf eine Erweiterung des Detailwissens zu konzentrieren. Diesen Grundgedanken teilt der Petitionsausschuss.
Der Petitionsausschuss bedankt sich bei dem Petenten für sein Engagement und seine Anregungen, die – so zeigt die hohe Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer bei der öffentlichen Anhörung und der Mitzeichnungen der Petition – offenbar sehr viele Studierende teilen. Im Sinne einer weiteren Stärkung des Hochschulstandortes und einer qualitativ hochwertigen Ausbildung von Juristinnen und Juristen in Schleswig-Holstein bittet der Petitionsausschuss in Zukunft um eine konstruktive Zusammenarbeit des Ministeriums mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät als einziger Ausbildungsstätte in Schleswig-Holstein und der Fachschaft der Studierenden, um Ausbildungsinhalte und Prüfungen zu optimieren und die Studierenden bestmöglich auf die hohen Anforderungen, die im Berufsalltag an Juristinnen und Juristen gestellt werden, vorzubereiten.
Des Weiteren bittet der Ausschuss das Ministerium, die Inhalte und Ergebnisse der staatlichen Pflichtfachprüfung nach Einführung der novellierten Juristenausbildungsverordnung zu evaluieren und falls nötig, anzupassen.