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Bessere Opferentschädigung

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Gesetzgebung und Justiz

Was möchten Sie mit Ihrer Bitte / Beschwerde erreichen?
1. Etablierung einer externen, unabhängigen Monitoringstelle zur Überprüfung des Opferentschädigungsverfahrens in Schleswig-Holstein
2. Errichtung einer externen, unabhängigen Beschwerdestelle für Gewaltopfer, sowie Angehörige von Opfern von Mord- und Tötungsdelikten
3. Proaktive Aufklärung über die Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG)

Begründung:
Opfer, die aufgrund einer Gewalttat gesundheitliche Schädigungen erlitten haben, haben nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), der Richtlinie des europäischen Rates (2004/80/EG), sowie der EU-Kommission (2012/29/EU) ein Recht auf eine gerechte, angemessene Entschädigung Die Behandlung durch die Behörden hat anerkennend, respektvoll, einfühlsam, individuell, professionell und diskriminierungsfrei zu erfolgen Erfahrungsberichte von zahlreichen Betroffenen, sowie der in diesem Jahr veröffentlichte OEG-Report des Weissen Rings belegen, dass zahlreiche Missstände in der Umsetzung des OEG bestehen. Für das Jahr 2021 wurde ein 20-jähriger Rekordtiefstand von Anträgen verzeichnet. Das Fazit des Weissen Rings lautet: Opfer einer Gewalttat, sollten nicht auf die Hilfe des Staates hoffen, da dieses Gesetz, an seiner Umsetzung scheitert. Neben der niedrigen Zahl der gestellten Anträge, fällt die hohe Ablehnungsquote auf. Zudem wird dargestellt, wie die langwierigen, hochbürokratischen und unsensiblen Antragsverfahren dazu führen, dass Gewaltopfer schlussendlich resignieren, da die Verfahrensführung nicht mehr aushaltbar ist und Anträge aus Selbstschutz zurücknehmen. Eine solche Behandlung führt allerdings nicht selten zu Krisen, Suizidalität, zusätzlichen Symptomen, bis hin zum Suizid. Dies stellt eine strukturelle Gewalt seitens des Staates dar und muss evaluiert werden.

Die Fakten zu Schleswig-Holstein (2021), Quelle: OEG-Statistiken des Weißen Rings, PKS:
2021: 176.893 Straftaten, davon 5.118 Gewaltdelikte (= nur Hellfeld)
Antragsstellungen: 548 (= 10,71% der erfassten Gewalttaten)
2,25% der Anträge im Vergleich zu den Gewalttaten (PKS) wurden anerkannt
1,29% der Gewaltopfer erhielten Heilbehandlungen, 0,96% Renten

Zur Beseitigung der Missstände werden folgende Maßnahmen gefordert:

1. Externe und unabhängige Monitoringstelle zur Evaluation der OEG-Verfahren
Diese soll unabhängig von allen staatlichen Instanzen und Betroffenen agieren und zur Verbesserung der Daten- und Erkenntnislage umfassende Statistiken zum OEG erfassen (u.a. Anträge, Bescheide, Widerspruchs- und Klageverfahren, Grad der Schädigungsfolgen, Bearbeitungsdauer, ärztliche Gutachten, Qualifikationen der Gutachter)
Die Monitoringstelle soll auch externe Überprüfung der Gutachten (z.B. durch ausgebildete Fachärzte/ Psychotherapeuten mit Schwerpunkt Psychotraumatologie) sowie Einschätzung dieser durchführen. Sie erfasst und erforscht sekundäre Viktimisierungen anhand der Daten (Begründungen, Begutachtungen), sowie Suizidfälle (von Opfern, die einen Antrag auf OEG gestellt hatten). Bei der Arbeit der Monitoringstelle sollen Opfer sowie weitere Fachpersonengruppen stets einbezogen werden (Rechtsanwälte, Therapeuten, Institutionen, Experten, etc.).

Die Monitoringstelle soll regelmäßig dem Landtag berichten und in allen einschlägigen Gesprächskreisen, Arbeitsgruppen und ähnlichen Arbeitskreisen in den Ministerien beteiligt werden.
Sie erhält auch die Möglichkeiten zur Schlichtung, Mediation und Einforderung von Stellungnahmen sowie in kritischen Fällen zur Einleitung von Amtshaftungsverfahren (in schweren Fällen), Sanktionsverfahren, Einreichung/ Unterstützung bei Dienstaufsichtsbeschwerden. Bei groben Verstößen auch Musterklagen, da dieser Rechtsweg Gewaltopfern aufgrund zu hoher Kosten verwehrt ist.


2. Unabhängige Beschwerdestelle für Gewaltopfer und Angehörige von Mord- sowie Tötungsdelikten
Eine Beschwerdestelle sollte nicht nur die Opferentschädigungsverfahren fokussieren, sondern Missstände in allen Bereichen erfassen. Sie soll Missstände evaluieren und auf Lösung aktiv hinwirken.

3. Proaktive Aufklärung über die Leistungen nach dem OEG
Anders als bisher muss eine proaktive und ausführliche Aufklärung hinsichtlich der zustehenden Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz erfolgen, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen, sowie die Betroffenen über alle Leistungen des OEG aufzuklären.

Beschluss des Petitionsausschusses

26.09.2023
Der Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtages hat die von 153 Mitzeichnern unterstützte öffentliche Petition auf der Grundlage der von der Petentin vorgetragenen Gesichtspunkte unter Beiziehung von Stellungnahmen des Ministeriums für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung beraten.

Die Petentin beklagt in ihrer Eingabe die Ausgestaltung des Antragsverfahrens nach dem Opferentschädigungsgesetz. Entschädigungsanträge von Opfern, die durch eine Gewalttat gesundheitliche Schädigungen erlitten hätten, würden häufig abgelehnt. Langwierige, hochbürokratische und unsensible Antragsverfahren würden dazu führen, dass Gewaltopfer resignieren und weitere Anträge aus Selbstschutz zurücknehmen. Auch sei vielen Betroffenen nicht bekannt, welche Leistungen ihnen zustehen. Die Petentin fordert daher die Etablierung einer unabhängigen Monitoringstelle zur Überprüfung des Opferentschädigungsverfahrens in Schleswig-Holstein sowie eine proaktive und ausführliche Aufklärung zu den Leistungen nach dem Gesetz.

Der Ausschuss nimmt die Ausführungen des Sozialministeriums zur Kenntnis, wonach gemäß des in der Petition thematisierten Opferentschädigungsgesetzes Opfern von Gewalttaten und Missbrauchsopfern eine Entschädigung in Form von Sach- und Geldleistungen zustehen kann. Hierfür muss ein Antrag gestellt werden, der bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bewilligt wird. Eine Bewilligung erfordert, dass eine Gewalttat nachgewiesen ist, Schädigungsfolgen belegt sind und die Schädigungsfolgen nach überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen sind. Die ausführende Behörde ist bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen an die Einhaltung von Recht und Gesetz gebunden. Dabei ist die Beweislast für die Geltendmachung von Ansprüchen oft eine unvermeidbare Hürde. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass der fehlende Nachweis des schädigenden Vorganges zu Lasten der beziehungsweise des Antragstellenden geht.

Der Petentin ist zuzustimmen, dass die Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz teilweise langwierig und für die Antragstellenden sehr belastend sein können, da diese sich gegebenenfalls mit der erlittenen Gewalt erneut auseinandersetzen müssen. In Einzelfällen kann es leider nicht nur Wochen und Monate, sondern auch länger dauern bis der angeschuldigte schädigende Tatbestand festgestellt worden ist. Erst dann werden die aktuellen medizinischen Befunde der jeweiligen Fachärzte angefordert. Durch speziell geschulte Gutachter ist daraufhin zu entscheiden, ob sich aus der Gewalttat gesundheitliche Nachteile ergeben haben oder ob sich Entwicklungen in den persönlichen Lebensläufen aufgrund dieser Gewalttat ergaben. Der Nachweis einer Tat und ihrer schädigenden Folgen gestaltet sich vor allem dann schwierig, wenn das Ereignis lange in der Vergangenheit zurückliegt oder keine Strafermittlungsakte beigezogen werden kann. Die Ablehnung eines Entschädigungsantrags erfolgt unter anderem dann, wenn eine Gewalttat nicht nachgewiesen werden kann (2021: 55,4 Prozent der Ablehnungen) oder die Antragstellerinnen beziehungsweise Antragsteller ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sind (2021: 31,5% der Ablehnungen). Der Ausschuss betont, dass eine solche Ablehnung nicht bedeutet, dass den Betroffenen nicht geglaubt wird.

Der Petitionsausschuss stimmt vor diesem Hintergrund mit der Petentin überein, dass die Verfahren für die Betroffenen weniger belastend zu gestalten sind. Um dies zu erreichen, werden bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen. So gestaltet sich gerade bei Opfern von sexueller Gewalt in der Kindheit, die vor Jahren erfolgte, die Sachverhaltsaufklärung oftmals sehr schwierig. In solchen und vergleichbaren Fällen sind Beweiserleichterungen möglich. Beispielsweise kann bei nachvollziehbaren Schilderungen kann das schädigende Ereignis als nachgewiesen anerkannt werden.

Darüber hinaus soll durch das neue Vierzehnte Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV) eine deutliche Verbesserung des sozialen Entschädigungsrechts erreicht werden. Dieses löst am 1. Januar 2024 das Opferentschädigungsgesetz ab. Durch die Zusammenführung der gesetzlichen Regelungen zum Sozialen Entschädigungsrecht in einem eigenen Buch des Sozialgesetzbuches wird mehr Transparenz und Rechtsklarheit erreicht. Dies macht es für Betroffene leichter, mögliche Ansprüche zu erkennen und geltend zu machen. Für die Verwaltung wird die Gesetzesdurchführung vereinfacht und der Kreis der Leistungsberechtigten wird erweitert. Zukünftig können auch Opfer psychischer Gewalt – hierunter fallen insbesondere Fälle von sexueller Gewalt – Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten. Bereits seit dem 1. Januar 2021 erhalten betroffene Gewaltopfer und Angehörige im Rahmen der „Schnellen Hilfen“ psychotherapeutische Leistungen in Traumaambulanzen, um den Eintritt beziehungsweise die Chronifizierung psychischer Gesundheitsstörungen zu vermeiden. Diese Leistungen können in einem erleichterten Verfahren in Anspruch genommen werden. Das Landesamt für Soziale Dienste informiert hierzu auf seiner Website:

https://www.schleswig holstein.de/DE/landesregierung/ministerien behoerden/LASD/Aufgaben/Opferentschaedigung/OpferentschaedigungTraumaambulanzen.html.

Der Ausschuss hält es für richtig, dass bei der Auswahl des Personals im Landesamt für Soziale Dienste für die Betreuung von Gewaltopfern ein sensibler und empathischer Umgang mit Betroffenen vorausgesetzt wird. Das Personal berät Betroffene im Bedarfsfall umfassend und unterstützt bei allen Fragen. Ab dem Jahr 2024 ist ein aktivierendes und koordinierendes Fallmanagement bundesgesetzlich verpflichtend.

Der Ausschuss unterstützt, dass darüber hinaus die von der Petentin dargelegten Aspekte zur Kommunikation, Aufklärung und Entscheidungspraxis durch das Sozialministerium berücksichtigt und im Rahmen der länderübergreifenden Kooperation in die Entwicklung des gemeinsamen IT-Fachverfahrens zur Abwicklung des Sozialen Entschädigungsrechts einfließen werden.

Hinsichtlich der Bitte der Petentin, eine unabhängige Monitoringstelle sowie eine unabhängige Beschwerdestelle für Gewaltopfer einzurichten, unterstreicht der Ausschuss, dass bereits verschiedene Stellen zur Verfügung stehen. Betroffene können sich an die Opferschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein wenden. Deren Aufgabe ist es, schnelle und unbürokratische Hilfe und Unterstützung für Betroffene von Straftaten sicherzustellen (https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/
themen/justiz/opferschutz/opferschutz_node.html). Sie wird dabei von der „Zentralen Anlaufstelle für Opfer von Straftaten und deren Angehörigen“ unterstützt. Die Anlaufstelle unterstützt Betroffene in belastenden Ausnahmesituationen schnell und engmaschig. Sie informiert sie über ihre Rechte, Möglichkeiten des Zugangs und etwaige finanzielle Hilfen. Sie verfügt über ein umfangreiches und vielfältiges Netzwerk zu den in Schleswig-Holstein bereits bestehenden Hilfs-, Beratungs-, Unterstützungs- und Schutzangeboten und vermittelt hier an Opferhilfeeinrichtungen und Leistungsträger sowie in andere Hilfsangebote.

Von Missbrauch betroffene Kinder und Jugendliche erhalten zusätzlich Hilfe durch das Regelsystem der Kinder- und Jugendhilfe. Erste Ansprechpartner sind dabei immer die örtlich zuständigen Jugendämter. Im Missbrauchsfall ergreifen sie unmittelbar vorläufige Schutzmaßnahmen wie die Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder in einer Pflegefamilie. Die Sicherstellung des Kindeswohles steht hier an erster Stelle.

Für Beschwerden steht Betroffenen in den jeweiligen Einzelfällen der Rechtsweg oder, sofern ein Fehlverhalten der Behörde vermutet wird, die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde beziehungsweise Fachaufsichtsbeschwerde zur Verfügung. Diese ist an die oder den jeweiligen Vorgesetzten beziehungsweise die Aufsichtsbehörde zu richten. Darüber hinaus können sie sich jederzeit an den Petitionsausschuss oder die Bürgerbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein wenden.

Der Ausschuss teilt vor diesem Hintergrund die Einschätzung des Ministeriums, dass die Schaffung weiterer Anlaufstellen insbesondere unter Berücksichtigung der dargestellten künftigen Verbesserungen im Bereich des Sozialen Entschädigungsrechts keinen Mehrwert für Betroffene von Gewalttaten bringt, sondern die Hilfe für die Betroffenen nur unübersichtlicher machen würde.

Die von der Petentin geforderten statistischen Erhebungen durch eine Monitoringstelle werden mit der Einführung des SGB XIV durch eine amtliche bundesweite Statistik zur Beurteilung der Auswirkungen der Neuregelungen und dessen Fortentwicklung abgedeckt. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden, inwieweit alle Zielgruppen damit erreicht werden und ob die Betroffenen Leistungen schneller erhalten als bisher. Für die Erstellung und Veröffentlichung der Statistik ist die neue Bundesstelle für Soziale Entschädigung zuständig.

Der Petitionsausschuss dankt der Petentin für ihr Engagement. Er stellt fest, dass durch die Reform des sozialen Entschädigungsrechts bereits eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen wurden, um das Verfahren für die Betroffenen im Sinne der Petition weniger belastend zu gestalten. Der Ausschuss ist zuversichtlich, dass mit den neuen Regelungen im Zusammenspiel mit den bereits bestehenden Hilfsangeboten der Anteil erfolgreicher Antragsverfahren deutlich gesteigert und mehr Menschen zu den ihnen zustehenden Leistungen verholfen werden kann.

Details

Veröffentlichungsdatum
07.10.2022
Petent/in
Gudrun Stifter
Status
abgeschlossen
Mitzeichnungs­frist abgelaufen
153 Mitzeichner