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(1) Ist eine Rednerin oder ein Redner bei derselben Rede dreimal „zur Sache“ oder „zur Ordnung“ gerufen worden, so entzieht ihr oder ihm die Präsidentin oder der Präsident das Wort. Nach dem zweiten Ruf „zur Sache“ oder „zur Ordnung“ muß die Präsidentin oder der Präsident auf diese Folge hinweisen.
(2) Ist einer Rednerin oder einem Redner das Wort entzogen worden, so darf sie oder er es zu diesem Beratungsgegenstand bis zur Eröffnung der Abstimmung nicht wieder erhalten.
Gemäß Absatz 1 Satz 1 kann einer Rednerin oder einem Redner das Wort entzogen werden. Der Inhalt dieses Begriffs kann nicht isoliert bestimmt werden; er ist vor dem Hintergrund der §§ 65 und 66 auszulegen: Eine Wortentziehung kommt nur gegenüber den Rednerinnen und Rednern in Betracht, die Adressatinnen oder Adressaten eines Sachrufs oder eines Ordnungsrufs waren. Hierzu wird auf die Kommentierung der §§ 65 und 66 (jeweils Erl. 1) verwiesen. Eine solche Regelung stellt eine zulässige Beschränkung des aus Artikel 17 fließenden Rederechts der Abgeordneten dar (vgl. BVerfGE, 10, 4, 13; SächsVerfGH, Beschluss vom 19. Juli 2012, Az.: Vf. 160-I-11, RN 39, juris).
Unstreitig ist, dass einem Mitglied der Landesregierung, das von seinem Rederecht nach Artikel 27 Abs. 3 LV Gebrauch macht, das Wort grundsätzlich nicht entzogen werden darf. Etwas anderes gilt, wenn das Rederecht missbraucht wird. Denn das Rederecht findet seine Grenze im Missbrauchsverbot. Die Präsidentin oder der Präsident wird daher durch die Verfassung nicht gehindert, im Falle des Missbrauchs gegen ein Regierungsmitglied vorzugehen (vgl. Schürmann, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, 2016, § 20 RN 66 m. w. N.).
Voraussetzung für eine Wortentziehung ist ein dreimaliger Sach- oder Ordnungsruf im Sinne der §§ 65 und 66; die mehrmalige Erteilung etwa von Ermahnungen reicht also nicht aus. Des Weiteren ist eine Wortentziehung nur zulässig, wenn die Präsidentin oder der Präsident die Rednerin oder den Redner beim zweiten Sach- oder Ordnungsruf auf diese Folge hingewiesen hat (Absatz 1 Satz 2). Dieser Hinweis muss erfolgen und ist unverzichtbare Bedingung für eine Wortentziehung. Sollte der Hinweis vergessen worden sein, ist er im Zusammenhang mit dem nächstfolgenden Sach- oder Ordnungsruf zu erteilen; das Wort kann in einem solchen Fall erst nach dem vierten Ordnungs- oder Sachruf entzogen werden. Schließlich müssen die einer Wortentziehung vorhergehenden Sach- oder Ordnungsrufe „in derselben Rede“ erfolgt sein. Versteht man unter „Rede“ alle Ausführungen, zu denen die Präsidentin oder der Präsident das Wort erteilt hat (vgl. § 52 Abs. 1), so würde § 67 auch dann Anwendung finden können, wenn etwa ein Abgeordneter während einer Bemerkung zur Geschäftsordnung (§ 54), einer persönlichen Bemerkung (§ 55) oder einer Erklärung zur Abstimmung (§ 64 Abs. 2) dreimal zur Ordnung gerufen worden ist (so Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 36 GO-BT, Erl. 4. b). Dem steht indessen Absatz 2 entgegen. Dort werden zwar nur die Folgen der Wortentziehung geregelt: Die Rednerin oder der Redner darf „zu diesem Beratungsgegenstand bis zur Eröffnung der Abstimmung“ das Wort nicht wieder erhalten. Diese Umschreibung der Folgen kann aber nach den Grundsätzen der systematischen Interpretation nicht ohne Auswirkung auf das Verständnis des Absatzes 1 bleiben, d. h.: Eine auf diese Bestimmung gestützte Wortentziehung kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen auch die Folgen des Absatzes 2 eintreten könnten. Daran fehlt es aber bei den Bemerkungen zur Geschäftsordnung, bei persönlichen Bemerkungen oder bei Erklärungen zur Abstimmung. Dessen ungeachtet kann die Präsidentin oder der Präsident auch im Rahmen der §§ 54, 55 und 64 Abs. 2 das Wort entziehen. Voraussetzung ist insoweit, dass sich die betreffende Rednerin oder der betreffende Redner nicht an die in den genannten Bestimmungen gezogenen engen Grenzen hält. Soweit der Redebeitrag seiner Art nach dafür Raum lässt, sollte dabei Absatz 1 Satz 2 in dem Sinne entsprechend angewendet werden, dass der Wortentziehung eine entsprechende Abmahnung vorausgeht (vgl. hierzu Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 41 GO-BT, RN 1.2 ff. und 2).
Ordnungs- und Sachrufe dürfen nicht zusammengezählt werden. Das Wort kann demgemäß nicht schon entzogen werden, wenn eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter z. B. zwei Sachrufe und einen Ordnungsruf erhalten hat. Erforderlich ist vielmehr ein dreimaliger Sachruf oder ein dreimaliger Ordnungsruf (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 36 GO-BT, Erl. 4. b).
Aus dem Zusammenhang der in Absatz 1 getroffenen Regelung ergibt sich, dass eine Wortentziehung nur unmittelbar im Anschluss an den jeweils letzten Sachruf oder Ordnungsruf ausgesprochen werden kann. Was die Form anbetrifft, muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Maßnahme nach § 67 verhängt werden soll.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Absatzes 1 Satz 1 steht die Wortentziehung nicht im Ermessen der Präsidentin oder des Präsidenten; sie oder er muss zu dieser Maßnahme greifen, wenn sie oder er den Hinweis nach Absatz 1 Satz 2 gegeben hat (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 36 GO-BT, Erl. 4. d).
Absatz 2 begrenzt die Folgen der Wortentziehung auf „diesen Beratungsgegenstand“ und „bis zur Eröffnung der Abstimmung“. Bezogen etwa auf eine Einzelberatung eines Gesetzentwurfs nach § 27 Abs. 2 würde das bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung bedeuten, dass die oder der Betroffene bis zur Eröffnung der Schlussabstimmung zum Schweigen verurteilt ist. Diese Konsequenz erscheint indessen zu weitreichend. Wenn nach § 27 Abs. 2 in der zweiten Lesung „die Überschrift und der Reihenfolge nach jede selbstständige Bestimmung verlesen, beraten und zur Abstimmung gestellt“ werden, dann sollten sowohl die Überschrift als auch jede selbstständige Bestimmung als „Beratungsgegenstand“ und die jeweils erfolgende Einzelabstimmung als „Abstimmung“ im Sinne des § 58 Abs. 2 verstanden werden.
Nicht zu „diesem Beratungsgegenstand“ gehören ferner Wortmeldungen zur Geschäftsordnung nach § 54, persönliche Bemerkungen nach § 55 oder Erklärungen zur Abstimmung nach § 64 Abs. 2; wenn sie genutzt werden, um den Wortentzug zu umgehen und gleichwohl weiter zur Sache zu sprechen, kann hierzu allerdings auf dieser Grundlage das Wort entzogen werden (vgl. hierzu Troßmann, aaO., § 41 GO-BT, RN 5; Troßmann/Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, Ergänzungsband, 1981, Erl. zu § 37 GO-BT). Zu Zwischenfragen und Zwischenbemerkungen nach § 53 darf das Wort im Rahmen der Beratung dagegen nicht mehr erteilt werden (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 36 GO-BT, Erl. 4. d).
Wird einer Rednerin oder einem Redner das Wort entzogen, so ist diese Entscheidung endgültig; einen Rechtsbehelf sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Die Maßnahme kann nicht zum Gegenstand einer Diskussion im Plenum gemacht werden.
Eine erfolgte Wortentziehung wird gegenstandslos, wenn eine der ihr zugrunde liegenden Ordnungsmaßnahmen und damit eine ihrer sachlichen Voraussetzungen entfällt; das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Landtag einem Einspruch gegen einen Ordnungsruf stattgibt.
Der durch die Wortentziehung Betroffene hat die Möglichkeit, die Entscheidung gemäß Artikel 51 Abs. 2 Nr. 1 LV durch das Landesverfassungsgericht überprüfen zu lassen (vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., Vorbem. 5. d. zu den §§ 36 bis 41).