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§ 35

Form der parlamentarischen Anfragen

(1) Die Abgeordneten können von der Landesregierung Auskunft über bestimmt bezeichnete Tatsachen verlangen,

a) durch Kleine Anfrage,
b) durch mündliche Frage in der Fragestunde,
c) durch Große Anfrage.

(2) Die Fragen sind der Präsidentin oder dem Präsidenten einzureichen; sie müssen kurz und sachlich gefaßt sein und dürfen sich nur auf einen Gegenstand beziehen. Fragen, die diesen Bestimmungen nicht entsprechen, gibt die Präsidentin oder der Präsident zurück und begründet die Rückgabe.

Kommentar

1. Statusrecht der Abgeordneten

Das Recht, Fragen an die Regierung zu richten, gehört zu den in der Landesverfassung ausdrücklich gewährleisteten Rechten der Abgeordneten (Artikel 17 Abs. 2 LV). Ihm entspricht die verfassungsrechtliche Pflicht der Landesregierung und ihrer Mitglieder, Fragen der Abgeordneten nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten (Artikel 29 Abs. 1 LV). Das Fragerecht gehört neben dem Auskunftsrecht und dem Recht auf Aktenvorlage, verbunden mit den mit diesen Rechten korrespondierenden Pflichten der Landesregierung, zu den parlamentarischen Informationsrechten (Artikel 29 Abs. 1 und 2 LV), die wesentliche Instrumente für die effektive Wahrnehmung der Kontrollfunktion des Landtags gegenüber der Landesregierung darstellen (Artikel 16 Abs. 1 Satz 3 LV).

Der Bedeutung des Fragerechts entsprechend darf die Landesregierung die Beantwortung parlamentarischer Anfragen nur bei Vorliegen eines der in Artikel 29 Abs. 3 LV abschließend aufgeführten Gründe ablehnen. Nach dieser Vorschrift kann die Landesregierung eine Antwort verweigern, wenn dem Bekanntwerden des Inhalts gesetzliche Vorschriften, Staatsgeheimnisse oder schutzwürdige Interessen Einzelner, insbesondere des Datenschutzes, entgegenstehen oder wenn die Funktionsfähigkeit und die Eigenverantwortung der Landesregierung beeinträchtigt werden. Zum Ganzen vgl. auch Riedinger, in: Becker/Brüning/Ewer/Schliesky, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2021, Art. 29 RN 4 ff.

2. Fragearten

In § 35 Abs. 1 Buchst. a bis c sind mit der Kleinen Anfrage, der mündlichen Frage in der Fragestunde und der Großen Anfrage die Arten „parlamentarischer Anfragen“ aufgeführt, für die die Geschäftsordnung Verfahrensregelungen trifft (§ 35 Abs. 2, §§ 36-38). Das Recht der Abgeordneten, darüber hinaus Fragen an die Landesregierung und ihre Mitglieder im Plenum oder in den Ausschüssen zu richten, bleibt unberührt; bei diesen formlosen Anfragen handelt es sich nicht um „parlamentarische Anfragen“ im Sinne der Geschäftsordnung (vgl. § 40 Abs. 1). Die Auswahl einer bestimmten Frageart erfolgt im Wesentlichen nach politischen Gesichtspunkten. Sie wird aufgrund der politischen Einschätzung des Fragegegenstandes unter Berücksichtigung der Verfahrensregelung für die einzelnen Fragearten durch den oder die Fragestellenden vorgenommen.

3. Verfassungsrechtliche Grenzen des Fragerechts

Das parlamentarische Fragerecht unterliegt verfassungsrechtlichen Grenzen, die sich zum einen aus dem Zweck des Fragerechts, zum anderen aus den Grundrechten und weiteren durch die Verfassung geschützten Rechtsgütern ergeben.

3.1  Aus dem Zweck des Fragerechts als parlamentarischen Kontrollmittels, Verantwortung der Regierung einzufordern, folgt, dass parlamentarische Anfragen auf den Verantwortungsbereich der Landesregierung bezogen sein müssen (so ausdrücklich vorgeschrieben für die Fragestunde in § 37 Abs. 2). Dieser Verantwortungsbereich ist weit gesteckt und deckt sich nicht mit dem Zuständigkeitsbereich. Er erstreckt sich personell auf die Mitglieder der Landesregierung und auf alle Einrichtungen und Personen, die der Aufsichts- oder Weisungsbefugnis der Landesregierung unterliegen. In der Sache erstreckt sich die Verantwortlichkeit der Landesregierung auf jeden politischen Bereich, auf den sie unmittelbar oder mittelbar Einfluss nehmen kann, in dem sie tätig geworden ist, tätig werden kann oder sich geäußert hat (vgl. Hölscheidt, Frage und Antwort im Parlament, 1992, S. 31 f.).

Der Verantwortungsbereich der Landesregierung ist in der Regel nicht angesprochen, wenn von der Landesregierung Aussagen zu dem Verhalten oder zu Einstellungen von Abgeordneten, Fraktionen, Parteien oder anderen Regierungen verlangt werden (sog. Dreiecksfragen). Solche Fragen können gleichwohl dann zulässig sein, wenn etwa die Aussage eines Abgeordneten, einer Fraktion, einer Partei oder einer anderen Regierung von den Fragestellenden zum Anlass genommen wird, die Landesregierung zu einer Beurteilung einer dort angesprochenen, in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Sachfrage aufzufordern (vgl. Riedinger, aaO., Art. 29 RN 8). Nicht verantwortlich ist die Landesregierung grundsätzlich für von ihr rechtlich, personell und finanziell unabhängige Einrichtungen und Vereinigungen oder für das Verhalten Privater.

Unter dem Gesichtspunkt fehlender Verantwortlichkeit der Landesregierung und der Unabhängigkeit der rechtsprechenden Gewalt sind Fragen unzulässig, die von der Regierung Auskünfte, die einen Eingriff in ein schwebendes Gerichtsverfahren darstellen, oder die Bewertung einer Gerichtsentscheidung verlangen. Ebenso unzulässig sind Fragen, die von der Landesregierung eine Gesetzesinterpretation oder abstrakte Rechtsauskünfte verlangen.

Schließlich fehlt hypothetischen Fragen der erforderliche Bezug zur Verantwortlichkeit der Regierung. Fragen nach einem nicht absehbaren Verhalten gegenüber unterstellten Sachverhalten sind daher nicht zulässig.

3.2  Das Fragerecht der Abgeordneten unterliegt dem verfassungsrechtlichen Missbrauchsverbot (BVerfGE 72, 175, 192; 124, 161, 198; BayVerfGH, DÖV 1990, S. 431 f.).

Der Missbrauch des Fragerechts dürfte allerdings nur in seltenen Fällen eindeutig feststellbar sein. Angesichts des hohen Ranges, den die Verfassung in Artikel 29 LV dem Abgeordnetenfragerecht einräumt, wäre die Ausübung des Fragerechts nur dann als missbräuchlich anzusehen, wenn sich kein vernünftiger Grund für den Inhalt, für den Zeitpunkt und das Frageinteresse überhaupt finden ließe, etwa wenn die Frage offensichtlich nur deshalb gestellt wird, um Verwaltungskraft zu binden. Ein Missbrauch des Fragerechts ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter eine Anfrage an die Landesregierung zu einem Gegenstand richtet, zu dem bereits eine andere Frage gestellt (z. B. Kleine Anfrage zum Gegenstand einer vorliegenden Großen Anfrage) oder eine andere Initiative (z. B. Berichtsantrag) ergriffen oder ein Auskunftsersuchen gestellt worden ist. Ein Verbot konkurrierender Fragen zum gleichen Gegenstand, das fragestellende Abgeordnete in eine Abhängigkeit von anderen Parlamentsmitgliedern brächte, wäre ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Fragerechts.

Der Effektivität der Parlaments- und der Regierungsarbeit dient dagegen die auf einer Verabredung im Ältestenrat beruhende Praxis des Landtags, dass die Präsidentin oder der Präsident grundsätzlich Kleine Anfragen zu Gegenständen der Haushaltsberatungen zwischen der ersten und der zweiten Lesung des Haushalts an die Fragestellenden zurückgibt und ihnen anheimstellt, solche Fragen im Rahmen der Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen an die Mitglieder oder Beauftragten der Landesregierung zu richten. Dieses Verfahren begegnet dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Rückgabe durch die Präsidentin oder den Präsidenten lediglich der Charakter einer nicht verbindlichen Empfehlung an die Fragestellenden zukommt.

3.3  Durch die öffentliche Behandlung parlamentarischer Anfragen können Grundrechte Privater verletzt werden, insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht, aus dem sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ableitet (Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG), sowie die Berufsfreiheit und das Eigentumsrecht (Artikel 12 und 14 GG), aus denen sich das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ergibt. Bei parlamentarischen Anfragen und ihrer Beantwortung ist dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz von Daten und Geheimnissen Privater Rechnung zu tragen. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Anfrage selbst solche Daten oder Geheimnisse offenbart oder erst die Antwort der Landesregierung. Was die Antwort der Landesregierung anlangt, liegt es in ihrer Verantwortung, ob und in welcher Art und Weise sie nach Maßgabe des Artikels 29 Abs. 1 LV antwortet. Gegebenenfalls muss oder kann sie sich dabei auf die o. a. Ablehnungsgründe in Artikel 29 Abs. 3 LV stützen. Enthält die parlamentarische Anfrage bereits selbst schutzwürdige Daten oder Geheimnisse, ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit das Statusrecht der Abgeordneten und deren grundsätzlicher Anspruch, öffentlich-parlamentarische Kontrolle auszuüben, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht abzuwägen und im Wege der praktischen Konkordanz unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszugleichen. Dabei kann von folgenden anhand der Praxis des Deutschen Bundestags entwickelten Leitlinien ausgegangen werden (vgl. Hölscheidt, aaO., S. 41 f.):

- Das Fragerecht überwiegt das Persönlichkeitsrecht, wenn Betroffene selbst öffentlich aufgetreten oder als „Person der Zeitgeschichte“ anzusehen sind;

- dem Fragerecht ist auch Vorrang einzuräumen, wenn Name und nähere Umstände einer Angelegenheit öffentlich in den Medien erörtert worden sind;

- des Weiteren kann für den Vorrang des Fragerechts das Ausmaß der möglichen Rechtsverletzung durch die Namensnennung von Bedeutung sein.

Ergibt sich danach ein Vorrang des Fragerechts nicht, bietet sich als Lösungsmöglichkeit die Anonymisierung des Sachverhalts an.

4. Begrenzung des Fragerechts durch die Geschäftsordnung

§ 35 legt für die aufgeführten Fragearten bestimmte Zulässigkeitskriterien fest, die in den nachfolgenden Vorschriften der §§ 36 bis 38 durch weitere Verfahrensregelungen ergänzt werden. Sie sind durch die Geschäftsordnungsautonomie des Landtags (Artikel 20 Abs. 1 Satz 2 LV) verfassungsrechtlich legitimiert. Durch die Geschäftsordnung und ihre praktische Handhabung darf jedoch die Wahrnehmung des Fragerechts nicht über das für die Funktionsfähigkeit des Parlaments erforderliche Maß hinaus beschränkt oder gar unmöglich gemacht werden. Insoweit sind bei Reglementierungen das Prinzip der gleichen Teilhabe aller Abgeordneten am Fragerecht sowie der Minderheitsschutz, insbesondere das Recht der Opposition auf Chancengleichheit (Artikel 18 Abs. 1 Satz 4 LV), zu wahren (vgl. BVerfGE 80, 188, 219).

4.1  Adressat der Anfragen

Nach Absatz 1 ist Adressatin parlamentarischer Anfragen die Landesregierung. Es ist somit der Regierung überlassen zu bestimmen, welches ihrer Mitglieder eine Anfrage beantwortet.

4.2  Bestimmtheit

Die Anfragen müssen sich auf „bestimmt bezeichnete Tatsachen“ beziehen. Als unbestimmter Rechtsbegriff eröffnet dieses Erfordernis einen weiten Beurteilungsspielraum. Das Bestimmtheitsgebot erfordert, dass die Frage aus sich heraus, d. h. ohne Herbeiziehung von Interpretationshilfen, verständlich sein muss und der Sachverhalt eindeutig benannt wird. Da es sich im Übrigen um Tatsachen handeln muss, sind insbesondere hypothetische Fragestellungen ausgeschlossen.

Die Geschäftsordnung enthält keine den § 100 Satz 1 und § 104 Satz 3 GO-BT entsprechenden Regelungen, nach denen Anfragen eine kurze Begründung beigefügt werden kann. Gleichwohl werden auch in der Praxis des Schleswig-Holsteinischen Landtags Fragen gelegentlich Erläuterungen des der Frage zugrunde liegenden Sachverhalts oder des Motivs der Anfragenden vorangestellt. Soweit solche Erläuterungen der Bestimmtheit der Frage dienen und sie im Übrigen kurz und sachlich gefasst sind, begegnet diese Praxis keinen Bedenken. Nach einer Verständigung im Ältestenrat vom September 2017 sollen Vorbemerkungen eine Länge von acht Zeilen nicht überschreiten.

4.3  Umfang der Anfrage

Zum Umfang der Anfrage bestimmt Absatz 2 Satz 1, dass sie kurz gefasst sein muss und sich nur auf einen Gegenstand beziehen darf. Was die Kürze der Anfrage anlangt, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der einen erheblichen Beurteilungsspielraum eröffnet. Die Geschäftsordnung sieht davon ab, das Gebot der Kürze etwa durch eine zahlenmäßige Begrenzung von Unterfragen oder der Druckseitenzahl zu konkretisieren (vgl. zur Zulässigkeit solcher Begrenzungen Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 100 GO-BT, Erl. 1 b). Lediglich für die mündliche Frage in der Fragestunde lassen sich aus § 37 Abs. 2, 3, 4 und 6 eine Beschränkung auf Einzelfragen, die eine kurze Beantwortung ermöglichen müssen, und eine nummerische Begrenzung von Zusatzfragen entnehmen.

Einen Maßstab für die Beurteilung der Kürze einer Frage kann die Beantwortbarkeit für die Landesregierung innerhalb der regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit bieten. Er beträgt für die Frage in der Fragestunde mindestens zweieinhalb Tage (§ 37 Abs. 5), für die Kleine Anfrage zwei Wochen (§ 36 Abs. 2), für die Große Anfrage drei Monate (§ 38 Abs. 2 Satz 2). Auf die verschiedenen Fragearten angewandt, würde das Gebot der Kürze daher bedeuten, dass grundsätzlich die Anzahl von Detailfragen in Kleinen Anfragen begrenzt gehalten werden soll, dagegen in Großen Anfragen zu einem komplexen Sachverhalt ein umfangreicherer Katalog von Unterfragen vorgelegt werden kann. Letztlich dürfte allerdings eine Reduzierung des Umfangs der Anfragen nur durch eine an dem Gebot der Kürze ausgerichtete Selbstbeschränkung der Fragestellenden bzw. der Fraktionen erreichbar sein. Nach einer Verständigung im Ältestenrat vom September 2017 sollen in Kleinen Anfragen nicht mehr als acht Hauptfragen gestellt werden.

Das Gebot, dass Anfragen nur auf einen Gegenstand bezogen sein dürfen, bedeutet, dass in der Anfrage nicht verschiedene miteinander nicht zusammenhängende Gegenstände angesprochen werden dürfen (Spezialität der Frage). Dadurch ist eine Unterteilung einer Anfrage in verschiedene Teilfragen nicht ausgeschlossen.

4.4  Sachlichkeitsgebot

Bei der Fassung der Anfrage ist das Gebot der Sachlichkeit zu beachten (Absatz 2 Satz 1  2. Halbsatz). Sachlich fragen heißt, nüchtern, ausgewogen und an Fakten orientiert zu fragen. Dagegen verfälschen unsachliche Formulierungen einen Sachverhalt oder versehen ihn mit überflüssigem Pathos oder mit Polemik (Hölscheidt, aaO., S. 51 f.). Unsachlich ist jede beleidigende, polemische, aggressive und durch die Sache nicht gerechtfertigte Form der Fragestellung. Als beleidigend ist unter Rückgriff auf das Strafrecht ein Angriff auf die Ehre einer anderen Person oder Personengruppe durch Kundgabe der Nicht- oder Missachtung anzusehen. Ein Indiz für Polemik kann sein, wenn die Frage nicht auf eine sachliche Information zielt, sondern sichtlich nur dazu dient, die politische Auffassung der Anfragenden zu transportieren; eine Formulierung ist aggressiv, wenn sie erkennbar nur einen Angriff auf abweichende Anschauungen darstellt.

Zweifelhaft kann in diesem Zusammenhang sein, ob das Gebot zur sachlichen Fassung der parlamentarischen Anfragen grundsätzlich jede Feststellung und Wertung verbietet. Die Geschäftsordnung schreibt für die mündlichen Fragen in der Fragestunde ausdrücklich vor, dass sie Feststellungen und Wertungen nicht enthalten dürfen (§ 37 Abs. 4). Das Verbot von Feststellungen und Wertungen ist nach dem Sinn dieser Vorschrift als Konkretisierung des allgemeinen Sachlichkeitsgebots anzusehen. Es steht daher jedenfalls solchen Feststellungen und Wertungen nicht entgegen, die unstreitig sachlich gehalten sind und lediglich dem besseren Verständnis der Fragestellung dienen. Tatsächliche Behauptungen und Wertungen sind nicht schlechthin ausgeschlossen, soweit sie in ihrer Form die Grenzen zur Unsachlichkeit nicht überschreiten. Das Verbot unsachlicher Formulierungen erstreckt sich auch auf die Fassung des Betreffs einer Frage sowie auf die Fassung einer gegebenenfalls angefügten Erläuterung oder Begründung.

5. Prüfung der Anfragen

Die parlamentarischen Anfragen sind der Landtagspräsidentin oder dem Landtagspräsidenten einzureichen (Absatz 2 Satz 1 1. Halbsatz, § 23 Abs. 1 Satz 1). Bevor diese oder dieser die Anfragen nach Maßgabe von § 36 Abs. 2, § 37 Abs. 5 und § 38 Abs. 2 an die Landesregierung weiterleitet und sie gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 als Drucksache an die Abgeordneten verteilt, hat sie oder er zunächst zu prüfen, ob die vorgenannten Zulässigkeitskriterien erfüllt sind. Das Recht und die Pflicht zur Prüfung der Anfragen ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift, dass Anfragen, die den Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht entsprechen, zurückzugeben sind (Absatz 2 Satz 2).

Die Vorprüfung sowie die weitere Abwicklung im Geschäftsgang obliegt in der Praxis der Landtagsverwaltung. Ergibt sich, dass eine Frage unzulässig ist oder Zweifel an der Zulässigkeit bestehen, nimmt die Landtagsverwaltung im Auftrag der Präsidentin oder des Präsidenten in der Regel zunächst Kontakt zu den Fragestellenden auf und versucht, ein Einvernehmen über Formulierungsänderungen zu erreichen. Sie ist jedoch nicht befugt, von sich aus den Wortlaut einer Anfrage zu ändern, um sie in eine nach ihrer Auffassung geschäftsordnungsmäßige Form zu bringen.

Aus dem Verfassungsrang des Fragerechts folgt, dass die Zurückweisung einer Frage durch die Präsidentin oder den Präsidenten erst gerechtfertigt ist, wenn deren Unzulässigkeit zweifelsfrei feststellbar ist, ihr die Unzulässigkeit „auf der Stirn geschrieben“ steht und sich die Fragestellenden zu einer Formulierungsänderung nicht bereitfinden. Insofern ist von dem Grundsatz „im Zweifel für den Fragestellenden“ auszugehen (vgl. Hölscheidt, aaO., S. 69, m. w. N.). Dabei kann nach Fallkonstellationen differenziert werden: So sind etwa in der Frage angesprochene Sachverhalte zunächst als richtig zu unterstellen, jedenfalls soweit deren Unrichtigkeit nicht offensichtlich ist. Die Beurteilung, ob eine Anfrage den Kriterien „kurz“ und „bestimmt“ entspricht, kann gegebenenfalls großzügig gehandhabt werden. Ein strenger Maßstab ist jedoch anzulegen, wenn Rechtsgüter Dritter berührt sind, etwa durch Preisgabe schutzwürdiger Geheimnisse in der Anfrage selbst oder durch unsachliche, insbesondere beleidigende Formulierungen. Die Prognose, dass die Landesregierung die Beantwortung einer Frage, gestützt auf einen der Gründe in Artikel 29 Abs. 3 LV, ablehnen könnte, rechtfertigt für sich genommen keine Rückgabe der Anfrage durch die Landtagspräsidentin oder den Landtagspräsidenten.

6. Reaktionsmöglichkeiten bei unzureichender Beantwortung

Nach Artikel 29 Abs. 1 Satz 1 LV hat die Landesregierung die parlamentarischen Anfragen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Falls die Anfragenden mit der Beantwortung nicht zufrieden sind, weil sie ihres Erachtens unvollständig oder unrichtig ist oder die Fragestellenden im Falle der Ablehnung einer Beantwortung durch die Landesregierung das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes bezweifeln, ist es Aufgabe der Fragestellenden, daraus politische oder rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Eine Beantwortung kann von den Fragestellenden, anderen Abgeordneten oder dem gesamten Landtag als unrichtig, unvollständig oder ausweichend bewertet und kritisiert und somit zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung werden. Die Fragestellenden haben die Möglichkeit, bei unvollständiger Beantwortung einer Kleinen Anfrage zusätzliche Fragen in derselben Angelegenheit einzureichen oder den Fragegegenstand in der Form eines Antrages dem Landtag vorzulegen, bei mündlichen Fragen in der Fragestunde Zusatzfragen zu stellen oder die Fortsetzung der Fragestunde in einer Aktuellen Stunde zu beantragen (§ 37 Abs. 9) und bei Großen Anfragen unzulängliche Antworten im Rahmen der Plenardebatte zu rügen. Wird eine Kleine Anfrage nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen beantwortet oder erklärt sich die Landesregierung nicht in der Lage, eine Große Anfrage innerhalb von drei Monaten zu beantworten, haben die Fragestellenden die Möglichkeit, von der Landtagspräsidentin oder vom Landtagspräsidenten zu verlangen, die Frage auf die Tagesordnung der nächsten Tagung zu setzen (§ 36 Abs. 3, § 38 Abs. 2 Satz 2). Lehnt die Landesregierung die Beantwortung einer Anfrage ganz oder teilweise unter Berufung auf einen der Ablehnungsgründe des Artikels 29 Abs. 3 LV ab, kann der Einigungsausschuss angerufen werden.

Eine Reaktion der Landtagspräsidentin oder des Landtagspräsidenten in solchen Fällen kommt nur ausnahmsweise bei offensichtlicher Missachtung des Parlaments durch die Landesregierung in Betracht. Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident hat grundsätzlich keine rechtliche Befugnis, Antworten der Landesregierung zu rügen.

 

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 4. Januar 2023

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