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§ 31

Anträge

(1) Anträge von Abgeordneten sind der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich einzureichen. Sie sollen mit den Worten beginnen „Der Landtag wolle beschließen“ und so abgefaßt sein, daß sich klar erkennen läßt, wie der von der Antragstellerin oder dem Antragsteller erstrebte Landtagsbeschluß lauten soll.

(2) Anträge, die einen Gesetzentwurf enthalten, können von einer oder einem Abgeordneten oder von mehreren Abgeordneten oder einer Fraktion eingebracht werden.

(3) Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung, die einen Antrag ändern, ergänzen oder ihm eine Alternative gegenüberstellen, können bis zum Schluss der Beratung des Gegenstandes, auf den sie sich beziehen, gestellt werden; liegen sie den Abgeordneten nicht schriftlich vor, so müssen sie verlesen werden.

(4) Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung, die einem Antrag eine Alternative gegenüberstellen, sind als selbständige Anträge zu behandeln. Über Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung, die einen Antrag ändern oder ergänzen, wird nur abgestimmt, wenn die Antragstellenden des Antrags, auf den sie sich beziehen, mit der Abstimmung einverstanden sind. Wird das Einverständnis nicht erteilt, gilt der Änderungs- oder Ergänzungsantrag als erledigt. Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, soweit der in Bezug genommene Antrag einen Gesetzentwurf enthält.

(5) Zu Beginn der Beratung erhält die Antragstellerin oder der Antragsteller das Wort zur Begründung.

(6) Anträge können im Benehmen mit dem Ältestenrat ohne Behandlung im Plenum von der Präsidentin oder dem Präsidenten unmittelbar an den zuständigen Ausschuß überwiesen werden, wenn es sich nicht um Gesetzentwürfe oder Haushaltsvorlagen handelt.

(7) Beabsichtigt eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter, einen Gesetzentwurf oder einen sonstigen Antrag einzubringen, so kann sie oder er verlangen, daß sich der zuständige Ausschuß mit diesem Vorhaben beschäftigt.

(8) Für Vorlagen der Landesregierung gelten die Absätze 1, 5 und 6 entsprechend.

Kommentar

1. Antragsrecht

Das Recht, im Landtag Anträge zu stellen, gehört zu den verfassungsrechtlich gewährleisteten Statusrechten der Abgeordneten (Artikel 17 Abs. 2 LV). Da das Antragsrecht erst mit der Beratung und der Beschlussfassung durch das Parlament voll zum Zuge gekommen ist (BVerfGE 1, 144, 145), löst es grundsätzlich die Pflicht des Plenums aus, über an den Landtag gerichtete Anträge durch Annahme oder Ablehnung zu entscheiden (BVerfGE, aaO., 145).

1.1  Nach Absatz 1 Satz 1 sind Anträge der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich einzureichen. Diese oder dieser hat durch die Verteilung als Drucksache (§ 23 Abs. 1) und Aufnahme in die vorläufige Tagesordnung (§ 51 Abs. 1) die Voraussetzungen für die Beratung durch den Landtag zu schaffen.

Die Ausübung des Antragsrechts ist an die Einhaltung formeller geschäftsordnungsrechtlicher Vorgaben gebunden (siehe hierzu unter 2.). Entspricht ein Antrag den jeweils zu beachtenden formellen Anforderungen nicht, ist er von der Drucklegung und Verteilung auszuschließen und wird auch nicht in die vorläufige Tagesordnung aufgenommen. Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident verfügt insoweit über eine formelle Prüfungs- und Entscheidungskompetenz (vgl. Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 97 GO-BT, RN 7). Zur Prüfung des materiellen Inhalts eines Antrages ist sie oder er dagegen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht befugt. Die Landtagspräsidentin oder der Landtagspräsident würde das verfassungsrechtlich gewährleistete Initiativrecht von antragstellenden Abgeordneten verletzen, wenn sie oder er etwa einen formell ordnungsgemäßen Antrag deshalb nicht als Drucksache verteilen ließe oder nicht in die vorläufige Tagesordnung aufnehmen würde, weil sie oder er den mit dem Antrag erstrebten Landtagsbeschluss für verfassungswidrig hält. Über die materielle Rechtmäßigkeit eines Antrags zu entscheiden, ist allein Sache des Landtags (vgl. in diesem Sinne VerfG Brandenburg, Urteil vom 28. Januar 1999, VfGBbg 2/98 Leitsatz 1). Dieser ist gegebenenfalls wegen seiner Bindung an die Verfassung verpflichtet, einen verfassungswidrigen Antrag abzulehnen (vgl. Troßmann, aaO., § 97 GO-BT, RN 9). Die Unzulässigkeit einer materiellen Prüfung eines Antrags ist allerdings nur die Regel, die bei Vorliegen bestimmter Ausnahmetatbestände durchbrochen wird. Nach Troßmann (aaO., RN 9) können Anträge zurückgewiesen werden, die

- schlechthin lächerlich, sinnlos oder in sich selbst unverständlich sind;
- den Sinn haben sollen, Personen zu beschimpfen;
- den Tatbestand einer strafbaren Handlung oder Ordnungswidrigkeit erfüllen;
- Ausführungen enthalten, die in der Sitzung mit Ordnungsruf oder Ausschluss geahndet werden müssten.

Im Übrigen wären auch Anträge, die sich offensichtlich in Polemik erschöpfen und keinen sachlich nachvollziehbaren Gehalt haben, nicht in den Geschäftsgang zu nehmen; denn Ansehen und Würde des Landtags stünden auf dem Spiel, wenn derartige Anträge parlamentarisch behandelt werden müssten.

1.2  Da das Antragsrecht erst dann voll zum Zuge gekommen ist, wenn der Landtag über die Vorlage Beschluss gefasst hat, dürfen Anträge, die auf einen Landtagsbeschluss gerichtet sind, nicht zur abschließenden Beratung an einen Ausschuss überwiesen werden. Die Ausschüsse sind Hilfseinrichtungen des Landtags und deshalb – abgesehen von bestimmten Eilfällen (§ 26 Abs. 2) – nicht befugt, anstelle des Landtags zu beschließen (vgl. Platthoff, in: Becker/Brüning/Ewer/Schliesky, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2021, Art. 23 RN 22). Die Überweisung an einen Ausschuss zur abschließenden Beratung (§ 14 Abs. 3) ist demnach grundsätzlich nur bei Vorlagen möglich, die einer Beschlussfassung durch den Landtag nicht bedürfen (z. B. Berichte der Landesregierung oder Antworten auf Große Anfragen).

Dem widerspricht nicht die in Absatz 6 der Präsidentin oder dem Präsidenten eingeräumte Befugnis, Anträge, die nicht Gesetzentwürfe oder Haushaltsvorlagen zum Gegenstand haben, im Benehmen mit dem Ältestenrat unmittelbar dem zuständigen Ausschuss zu überweisen. Es handelt sich insoweit um ein Verfahren, das es ermöglicht, Vorlagen, die einer Beratung in zwei Lesungen nicht bedürfen (§ 24 Abs. 2), nach einmaliger Beratung, gleichwohl auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung des zuständigen Fachausschusses, im Plenum zu beschließen. Entsprechend kann bei der Behandlung von dem Landtag durch die Landesregierung erstatteten Berichten verfahren werden, zumal eine Beschlussfassung des Landtags über den Bericht nicht erforderlich ist. Hält der zuständige Ausschuss, dem der Bericht nach Absatz 5 überwiesen worden ist, einen Beschluss des Landtags für erforderlich, kann das Landtagsplenum den Bericht im Zusammenhang mit einer Beschlussempfehlung des Ausschusses beraten. In der Praxis des Landtages spielt Absatz 6 allerdings keine Rolle.

2. Antragstellung

2.1  Absätze 1 bis 3 enthalten allgemeine Vorschriften für Sachanträge. Es handelt sich sowohl um Anträge, die einen Gesetzentwurf enthalten (Absatz 2), als auch um andere selbstständige Anträge (z. B. Wahlvorschläge, Resolutionen, Aufforderungen an die Landesregierung) sowie zu einem Gegenstand der Tagesordnung akzessorische – unselbständige – Anträge (Absatz 3). Für bestimmte Anträge treffen gesetzliche Vorschriften oder die Geschäftsordnung besondere Regelungen, die die allgemeinen Anforderungen an einen Antrag ergänzen (z. B. Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – Artikel 24 Abs. 1 LV i. V. m. § 2 UAG; Einsetzung einer Enquete-Kommission – § 12 Abs. 1 GO; Misstrauensantrag – Artikel 42 LV i. V. m. § 34 GO).

2.2  Absatz 1 schreibt wie bereits § 23 Abs. 1 Satz 1 die Einreichung der Anträge bei der Präsidentin oder dem Präsidenten in Schriftform vor. Die Schriftform schließt das Erfordernis der Unterschrift durch den oder die Antragstellenden ein (vgl. den entsprechend anwendbaren § 126 Abs. 1 BGB). Ist Antragstellerin eine Fraktion, reicht es – wenn nichts anderes bestimmt ist – aus, dass eine von der Fraktion hierzu legitimierte Abgeordnete oder ein von der Fraktion hierzu legitimierter Abgeordneter den Antrag mit dem Zusatz „und Fraktion“ unterzeichnet.

Mit der Einleitungsformel „Der Landtag wolle beschließen“ wird der Adressat des Antrags, nämlich der Landtag in seiner Gesamtheit, aufgefordert, über die Annahme oder die Ablehnung zu entscheiden. Da im Übrigen die Antragstellenden den Antrag so zu fassen haben, dass klar erkennbar ist, wie der erstrebte Landtagsbeschluss lauten soll, ist zum Beispiel in Fällen, in denen ein Antrag mit einer Begründung versehen wird, die Einleitungsformel unmittelbar vor den zu beschließenden Antragstext zu setzen.

2.3  Absatz 2 knüpft an das Recht zur Gesetzesinitiative an, das nach Artikel 44 Abs. 1 LV neben der Landesregierung und den Initiativen aus dem Volk einzelnen oder mehreren Abgeordneten zusteht. Die Geschäftsordnung ergänzt den Kreis der antragsberechtigten einzelnen oder mehreren Abgeordneten insoweit lediglich klarstellend um die Fraktionen.

2.4  Gemeinsames Kennzeichen der Anträge nach Absatz 3 ist, dass sie nicht als selbständige Anträge gestellt werden, sondern sich auf einen Gegenstand der Tagesordnung beziehen (sog. akzessorische Anträge). Es ist Wesensmerkmal akzessorischer Anträge, dass sie das Schicksal der Hauptanträge teilen. Werden diese beispielsweise zurückgezogen, entfällt damit auch automatisch die Grundlage der darauf bezogenen akzessorischen Anträge (Besonderheiten gelten für Alternativanträge, hierzu sogleich unter 2.6).

Der geforderte Bezug akzessorischer Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung setzt voraus, dass der Antrag nicht nur formal an den Beratungsgegenstand anknüpft, sondern in einem Sachzusammenhang zu ihm steht. Einen gesicherten Maßstab für die Beurteilung, ob das der Fall ist, gibt es nicht. Da die Frage, ob ein Sachzusammenhang gegeben ist, in der Regel einer politischen Wertung unterliegt, wird sie in der Praxis nicht durch die Präsidentin oder den Präsidenten, sondern durch das Plenum entschieden (Troßmann, aaO., § 81 GO-BT, RN 3). Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Bundestages hat hierzu in der Vergangenheit Maßstäbe formuliert. Darin heißt es u. a.: „Ein unmittelbarer Sachzusammenhang ist anzuerkennen, falls die Ergänzungen am Gesetzgebungsgrund oder an den Gesetzgebungszielen der ursprünglichen Vorlagen anknüpfen“. Unzulässig wäre es danach, „wenn gesetzgeberisch zu lösende Probleme in einem Antrag zur Änderung oder Ergänzung einer Gesetzesvorlage aufgegriffen würden, die weder vom ursprünglichen Gesetzgebungsgrund noch von den ursprünglichen Gesetzgebungszielen erfasst werden, also auch wenn lediglich die gleiche Gesetzgebungsmaterie oder nur der Zuständigkeitsbereich eines Ausschusses und des von ihm zu kontrollierenden Ministeriums berührt wäre. In diesen Fällen bedarf es vielmehr einer ordnungsgemäßen Gesetzesinitiative, ihrer Einbringung und Beratung im Bundestag sowie ihrer Überweisung an einen Ausschuss, bevor dieser sich mit diesem Gesetzgebungsvorhaben befassen kann“ (zum Ganzen: Kabel, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 31 RN 68). Im Zweifelsfall wird diese Frage vom Landtagsplenum durch Abstimmung über die Zulässigkeit des Änderungsantrages mit Mehrheit entschieden.

Bei Änderungsanträgen zu Gesetzentwürfen ist zu beachten, dass das geschäftsordnungsrechtliche Erfordernis der Durchführung von mindestens zwei Lesungen (§ 24) nicht umgangen werden darf. Ein Änderungsantrag zu einem Gesetzentwurf, der Änderungen an einem Gesetz vorsieht, auf das sich die ursprüngliche Vorlage nicht bezogen hat, ist daher problematisch, wenn dieser erst nach Durchführung der ersten Lesung eingebracht wird. Verfassungsrechtlich ist die Durchführung von zwei Lesungen nicht vorgeschrieben; als Abweichung von der Geschäftsordnung kommt dies jedoch nur in Betracht, wenn keine Abgeordnete und kein Abgeordneter widerspricht (§ 75).

Änderungsanträge sind zudem nur zu Vorlagen möglich, in denen etwas verändert werden kann (Kabel, aaO., § 31 RN 69). Unzulässig wäre daher ein Änderungsantrag zu einem Staatsvertrag (Artikel 37 Abs. 2 LV). Zulässig wäre allein ein auf das jeweilige Zustimmungsgesetz bezogener Änderungsantrag.

2.5  Anträge im Sinne des Absatzes 3 können darauf gerichtet sein, den der Beratung zugrunde liegenden Gesetzentwurf oder einen anderen Antrag zu ändern (Änderungsanträge), zu ergänzen (Ergänzungsanträge) oder ihm eine Alternative entgegenzustellen (Alternativanträge). Hierher gehören ferner auch Anträge, im Zusammenhang mit dem Beratungsgegenstand eine bestimmte politische Bewertung vorzunehmen oder von der Landesregierung ein bestimmtes Tätigwerden zu fordern, etwa durch sog. Entschließungsanträge zu einem Gesetzesbeschluss oder zu einer Antwort der Landesregierung im Rahmen der Behandlung einer Großen Anfrage.

Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung können jederzeit bis zum Schluss der Beratung des Gegenstandes, auf den sie sich beziehen, d. h. vor Eintritt in die Abstimmung, gestellt werden (Absatz 3). Für den Fall, dass solche Anträge während der Beratung gestellt werden und etwa aus technischen Gründen noch nicht schriftlich an die Abgeordneten verteilt werden konnten, sieht Absatz 3 2. Halbsatz vor, dass der Antrag zumindest verlesen werden muss. Gleichwohl ist er gemäß Absatz 1 Satz 1 der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich einzureichen.

2.6  Lange Zeit wurden Alternativanträge im Sinne des Absatzes 3 im Schleswig-Holsteinischen Landtag behandelt wie alle anderen akzessorischen Anträge. Dies hatte häufig zur Folge, dass Antragstellende im Ergebnis gezwungen waren, ihren geänderten und dadurch u. U. sinnverkehrten Antrag in der Schlussabstimmung abzulehnen. Zogen sie – um dies zu verhindern – ihren Antrag zurück, so entfiel damit auch die Grundlage für einen u. U. vollständig ausformulierten und durchberatenen Alternativantrag. In der Praxis des Landtags wurden solche Alternativanträge daher ab der 17. Wahlperiode regelmäßig zu selbständigen Anträgen erklärt (vgl. Umdruck 17/877).

Um diese Situation geschäftsordnungsmäßig zu bereinigen, wurde zu Beginn der 19. Wahlperiode ein neuer Absatz 4 in § 31 eingefügt (vgl. Beschluss vom 6. Juni 2017, Drs. 19/6). Seitdem sind Anträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung, die einem Antrag eine Alternative gegenüberstellen, als selbständige Anträge zu behandeln (Absatz 4 Satz 1). Die Akzessorietät entfällt also insoweit. Sie können daher bspw. auch dann an einen Ausschuss überwiesen werden, wenn der Hauptantrag in erster Lesung abgelehnt wird.

Soweit es sich bei dem Hauptantrag um eine Drucksache handelt, der Alternativantrag jedoch einem Ausschuss als Umdruck zugeleitet worden ist, ist zu berücksichtigen, dass Umdrucke dem Parlament nicht als Beschlussgrundlage vorgelegt werden können. In einer solchen Konstellation muss die Beschlussempfehlung an das Plenum daher einerseits die Ablehnung des Hauptantrags und andererseits die zusätzliche Vorlage einer Empfehlung an das Plenum (mit dem Inhalt des Umdrucks) umfassen, verbunden mit der Bitte, diese zu übernehmen und ihr zuzustimmen (vgl. Umdruck 17/877). Die Ausschüsse sind hierzu im Wege der Selbstbefassung befugt; eine Rücknahme des Bezugsantrags wirkt sich auf dieses Verfahren daher nicht aus.

Über Änderungs- oder Ergänzungsanträge wird nur abgestimmt, wenn die Antragstellenden des Antrags, auf den sie sich beziehen, mit der Abstimmung einverstanden sind. Wird das Einverständnis nicht erteilt, gilt der Änderungs- oder Ergänzungsantrag als erledigt (Absatz 4 Satz 2 und 3). Dadurch wird verhindert, dass Fraktionen gegen ihren eigenen (Haupt-)Antrag stimmen müssen, wenn sie diesen nicht in der durch die Mehrheit geänderten Fassung mitzutragen bereit sind. In der Praxis des Landtages wird Stillschweigen in Bezug auf Änderungs- oder Ergänzungsanträge als Einverständnis gewertet. Wenn Antragstellende nicht wünschen, dass über einen Änderungs- oder Ergänzungsantrag zu ihrem Hauptantrag abgestimmt wird, müssen sie dieses daher bis zum Beginn der Schlussabstimmung (§ 30) zum Ausdruck bringen.

Die Regelungen zu Änderungs-, Ergänzungs- und Alternativanträgen gelten gem. Absatz 4 Satz 4 nicht für Anträge zu Gesetzentwürfen.

3. „Modifizierung eines Antrags“

3.1  Es ist grundsätzlich zulässig, dass Antragstellende den Wortlaut ihres Antrages modifizieren. Es handelt sich um einen Ausfluss ihrer Initiativberechtigung (Artikel 17 Abs. 2 Satz 1 LV). Unbenommen bleibt, eine solche Modifikation – im Falle der Annahme – durch Einbringung eines Änderungsantrages zu bewirken. Dies kann im Sinne der Transparenz des parlamentarischen Beratungsverfahrens sogar geboten sein (vgl. unter 3.2).

Für die Modifikation eines Antrags durch die Antragstellenden gilt die Missbrauchsgrenze. Eine Modifikation wäre daher etwa unzulässig, wenn zwischen Antrag und Modifikation kein Sachzusammenhang bestünde oder wenn die Modifikation der Umgehung von Fristen diente.

3.2  Wegen der Nachvollziehbarkeit der parlamentarischen Beratungen kommt die Herausgabe einer „Drucksache neu“ nur in Betracht, wenn die Vorlage noch keine erste Lesung erfahren hat. Wenn die Modifizierung eines Antrages während der Ausschussberatung stattfinden soll, ist daher darauf zu achten, dass die Modifikation zumindest in der Beschlussempfehlung des Ausschusses dokumentiert wird. Das gilt auch, wenn die Beschlussempfehlung im Ergebnis die Ablehnung des Antrags vorsieht.

3.3  Die Modifikation eines Antrages kommt dann nicht mehr in Betracht, wenn zu diesem Antrag bereits eine Beschlussempfehlung des zuständigen Ausschusses vorliegt, die dem Landtag Annahme in geänderter Form empfiehlt. Da in einem solchen Fall die auf der ursprünglichen Fassung des Antrags basierende Beschlussempfehlung des Ausschusses die Beratungs- und Abstimmungsgrundlage des Landtages darstellt (vgl. Anm. 3 zu § 27), sind auch die Antragstellenden darauf zu verweisen, einen Änderungsantrag zu der Beschlussempfehlung einzubringen. Daneben haben die Antragstellenden jederzeit vor der Schlussabstimmung die Möglichkeit, ihren Antrag zurückzunehmen (näher hierzu unter 5.).

3.4  Um einen Sonderfall einer Modifikation durch Antragstellende handelt es sich, wenn ein Abgeordneter erklärt, seine Fraktion „übernehme“ den Antrag einer anderen Fraktion (d. h. dass der Antrag seiner Fraktion nunmehr den Wortlaut des Antrags der anderen Fraktion haben soll, vgl. Abg. Kubicki, PlenProt 15/134 vom 27. Januar 2005, S. 10443: „Frau Präsidentin, zur Geschäftsordnung. Die FDP-Fraktion übernimmt den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD, (…)“).

Ein solches Verfahren ist als Modifizierung eines Antrages grundsätzlich zulässig. Da der ursprüngliche Antrag auf diese Weise einen neuen Inhalt erhält, ist die Modifikation bei der Präsidentin oder dem Präsidenten schriftlich einzureichen; liegt der Antrag den Abgeordneten nicht schriftlich vor, so ist er zu verlesen (vgl. § 31 Abs. 1 und 3, die aufgrund der gleichen Interessenlage zumindest analog anzuwenden sind). Auf beides kann verzichtet werden, wenn keine Abgeordnete und kein Abgeordneter widerspricht (§ 75).

Wenn beide Fraktion in dieser Frage übereinstimmen, bestehen keine Bedenken dagegen, den ursprünglichen Antrag hinsichtlich der Antragstellenden zu erweitern, so dass ein interfraktioneller Antrag entsteht. Der (Änderungs-) Antrag ist dann erledigt. Wenn die Antragstellenden des übernommenen Antrages jedoch einen Beitritt einer anderen Fraktion zu ihrem Antrag ablehnen und an ihrem eigenen Antrag festhalten, so entstehen zwei Anträge gleichen Inhalts. Da die Erledigt-Erklärung eines Antrags nur in Betracht kommt, wenn die Antragstellenden zustimmen (vgl. hierzu unter 6.), sind die Anträge in diesem Fall getrennt und nach der in § 62 festgelegten Reihenfolge der Abstimmung abzustimmen.

4. Antragstellende

4.1  Antragstellenden ist vor Eröffnung der Aussprache das Wort zur Begründung ihres Antrages zu geben (Absatz 5). Von der Erteilung des Wortes zur Begründung darf nur mit ausdrücklicher oder stillschweigender Zustimmung der Antragstellenden abgesehen werden. Wird ein Antrag von der Präsidentin oder dem Präsidenten gemäß Absatz 6 ohne Behandlung im Plenum unmittelbar an den zuständigen Ausschuss überwiesen, ist den Antragstellenden jedenfalls im Rahmen der anschließenden Beratung im Plenum Gelegenheit zur Begründung ihres Antrags zu geben. Anderenfalls würde der Anspruch auf Begründung unterlaufen werden (vgl. hierzu Troßmann, aaO., § 27 GO-BT, RN 2).

4.2  Nach Absatz 7 haben Abgeordnete, die beabsichtigen, einen Gesetzentwurf oder einen anderen Antrag einzubringen, das Recht, den zuständigen Ausschuss mit der Vorlage zu befassen. Das Recht steht den einzelnen Abgeordneten zu, kann von ihnen also ohne Unterstützung durch andere Abgeordnete ausgeübt werden, und soll der Unterstützung bei der Wahrnehmung ihres Initiativrechts dienen. Es handelt sich um eine Beratung über den Gegenstand im zuständigen Fachausschuss, die der förmlichen Einreichung eines Antrags einzelner Abgeordneter nach Absatz 1 vorangehen kann. Ungeachtet einer solchen vorangegangenen Befassung können Abgeordnete frei entscheiden, ob sie von ihrem Antragsrecht schließlich Gebrauch machen oder nicht.

5. Rücknahme von Anträgen

Die Geschäftsordnung enthält keine Regelung über die Rücknahme von Anträgen. Gleichwohl ist unbestritten, dass ein Antrag von den Antragstellenden zurückgenommen werden kann (Schneider, in: Schneider/Zeh [Hrsg.], Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 31 RN 19). Für das Recht auf Rücknahme spricht vor allem, dass es für die Antragstellenden unzumutbar sein kann, ihren Namen auf einem Antrag verzeichnet zu finden, der im Laufe der parlamentarischen Beratung inhaltlich in sein Gegenteil verkehrt worden ist. Nach heute herrschender Auffassung können Antragstellende ihren Antrag jederzeit vor der Schlussabstimmung (§ 30) zurücknehmen. Es kommt danach nicht darauf an, ob der Antrag einem Ausschuss zur Beratung überwiesen worden war und zu ihm eine Beschlussempfehlung des Ausschusses vorliegt (vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 76 GO-BT, Erl. 1 e; Schneider, aaO., § 31 RN 19). Das Recht auf Rücknahme ihrer Anträge oder Gesetzentwürfe steht den Mitgliedern des Landtags ebenso zu wie der Landesregierung.

6. Erledigt-Erklärung von Anträgen

Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich der Behandlung von Anträgen festgestellt, dass das Initiativrecht erst dann voll zum Zuge gekommen sei, wenn das Plenum über die Vorlage beraten und – durch Annahme oder Ablehnung – Beschluss gefasst habe (BVerfGE 1, 154). Abgesehen von der Möglichkeit der Rücknahme durch die Antragstellenden ist grundsätzlich keine andere Erledigung als die der Annahme oder Ablehnung möglich. Die Praxis des Landtags kennt allerdings auch die Erledigt-Erklärung von Anträgen durch einen Ausschuss oder durch das Landtagsplenum – sei es, dass bei Vorliegen mehrerer konkurrierender Vorlagen der beratende Ausschuss die Annahme eines Antrags unter Einbeziehung von Elementen der anderen empfiehlt, sei es, dass während der Behandlung eines Antrags im Ausschuss dessen Zielsetzung weitgehend erfüllt wurde. Die Frage, ob eine Erledigt-Erklärung zulässig ist, lässt sich dahingehend beantworten, dass sie nur dann möglich ist, wenn die Antragstellenden ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden sind (Troßmann, aaO., § 52 GO-BT, RN 6.6.4). Dies ergibt sich aus dem grundsätzlichen Anspruch der Abgeordneten auf Sachentscheidung des Plenums, auf den sie nur persönlich verzichten können.

Ist ein Antrag vom Plenum an einen Ausschuss überwiesen worden und soll dieser Antrag mit Zustimmung der Antragstellenden für erledigt erklärt werden, so hat der Ausschuss dies als Beschlussempfehlung dem Plenum zuzuleiten. Die Erledigt-Erklärung hat auf der Ebene zu erfolgen, auf der der Antrag gestellt worden ist. Eine Erledigt-Erklärung von Anträgen im Ausschuss kommt daher nur bei Anträgen in Betracht, die unmittelbar in diesem Ausschuss gestellt worden sind.

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 3. Januar 2023

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