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§ 24

Anzahl der Beratungen

(1) Gesetzentwürfe, Haushaltsvorlagen und über den Bereich des Landes hinausgehende Vereinbarungen sind grundsätzlich in zwei Lesungen zu beraten. Bis zum Beginn der Schlußabstimmung kann der Landtag eine dritte Lesung beschließen.

(2) Über sonstige Vorlagen und über Anträge kann nach einmaliger Beratung beschlossen werden.

Kommentar

1. Anzahl der Lesungen (Absatz 1 Satz 1)

Die Lesung oder Beratung umfasst als Oberbegriff den Aufruf des Tagesordnungspunktes, die Einbringung einer Vorlage und deren Begründung, die Abgabe von Erklärungen, die Berichterstattung, die Aussprache und die abschließende Abstimmung (Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 23 GO-BT, Erl. a).

Wie bereits aus den Überschriften der §§ 25 und 26 ersichtlich, hat jede einzelne Lesung/Beratung ihren besonderen Sinn: In der ersten Lesung sollen die Grundsätze der Vorlage erörtert werden. In der zweiten Lesung sollen gegebenenfalls auf der Grundlage der Ergebnisse der Ausschussberatungen Einzelheiten der Vorlage besprochen und Änderungsanträge gestellt werden. Am Schluss der zweiten oder gegebenenfalls einer dritten Lesung wird über die Vorlage abgestimmt (§ 30).

Eine Verfassungsbestimmung oder ein ungeschriebener Verfassungssatz, wonach eine bestimmte Anzahl von Lesungen vorgeschrieben ist, besteht nicht. Über die Zahl der Lesungen kann der Landtag daher autonom auf der Grundlage der ihm durch Artikel 20 Abs. 1 Satz 2 LV verliehenen Geschäftsordnungsautonomie bestimmen (vgl. BVerfGE 1, 144, 151; 29, 221, 234; 36, 321, 330). Sicherzustellen ist lediglich, dass der Anspruch der Träger des Initiativrechts auf parlamentarische Beratung und Beschlussfassung unangetastet bleibt (BVerfGE 1, 144, 153).

Für die in Absatz 1 genannten Gegenstände sieht die Geschäftsordnung die Beratung in grundsätzlich zwei Lesungen vor. Grundsätzlich deshalb, weil – wie sich aus Absatz 1 Satz 2 ergibt – bis zum Beginn der Schlussabstimmung auch eine dritte Lesung beschlossen werden kann. Dagegen ist die Beratung von Gesetzentwürfen, Haushaltsvorlagen und über den Bereich des Landes hinausgehenden Vereinbarungen in einer Lesung geschäftsordnungsmäßig unzulässig (s. aber auch § 51e Abs. 2). Die Beschlussfassung nach einmaliger Lesung kommt nach Absatz 2 nur für sonstige Vorlagen und Anträge in Betracht (s. hierzu unter 3.).

In mindestens zwei Lesungen müssen somit behandelt werden:

- Gesetzentwürfe (Artikel 44 LV). Gesetzentwürfe dürfen demnach nicht bereits in der ersten Lesung abgelehnt werden. Auch ein Beschluss auf Übergang zur Tagesordnung (§ 33) ist unzulässig, da durch ihn die Weiterbehandlung in einer zweiten Lesung verhindert würde. Es ist in der Vergangenheit im Einzelfall zu Verstößen gegen das Gebot der Behandlung von Gesetzentwürfen in zwei Lesungen gekommen, ohne dass einvernehmlich von der Geschäftsordnung abgewichen worden wäre. Aus diesen Verstößen hat sich jedoch weder eine parlamentarische Übung noch gar Geschäftsordnungsgewohnheitsrecht entwickelt. Auf Gesetzentwürfe, die Gegenstand einer Initiative aus dem Volk sind (Artikel 48 Abs. 1 LV), findet Absatz 1 entsprechende Anwendung. Eine Spezialregelung gilt für Beratungen des Notausschusses; dieser beschließt gem. § 51e Abs. 2 über Gesetzentwürfe und sonstige Vorlagen grundsätzlich nach einmaliger Beratung.

- Haushaltsvorlagen sind der Entwurf des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplans, Ergänzungsvorlagen zu diesen Entwürfen, Vorlagen zur Änderung des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplans (Nachtragshaushaltsvorlagen) sowie sonstige den Haushalt betreffende Vorlagen (vgl. § 95 Abs. 1 Satz 1 GO-BT). Von den Haushaltsvorlagen, die förmlich den Haushalt betreffen, sind die Finanzvorlagen abzugrenzen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie auf die öffentlichen Finanzen einwirken. Für Haushaltsvorlagen und für Finanzvorlagen ist zwingend die Beratung im Finanzausschuss zwischen der ersten und der zweiten Lesung vorgeschrieben (§ 26 Abs. 1). Eine Ausnahme von dem Erfordernis, Haushaltsvorlagen in zwei Lesungen zu behandeln, bilden die Nachtragshaushaltsvorlagen, über die nach § 29 Abs. 1 nach einmaliger Beratung beschlossen werden kann.

- über den Bereich des Landes hinausgehende Vereinbarungen. Nach Artikel 37 Abs. 2 LV handelt es sich hierbei um Verträge mit der Bundesrepublik oder mit anderen Ländern, soweit sie Gegenstände der Gesetzgebung betreffen oder zu ihrer Durchführung eines Gesetzes bedürfen. Für die Wirksamkeit dieser Staatsverträge ist die Zustimmung des Landtags erforderlich. Die Form des Zustimmungsbeschlusses ist nicht ausdrücklich geregelt. In der Praxis des Schleswig-Holsteinischen Landtags erfolgt der Zustimmungsbeschluss in Gesetzesform (vgl. Nolte/Bökel, in: Becker/Brüning/Ewer/Schliesky, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2021, Artikel 37 RN 23 f.). Eine Behandlung in zwei Lesungen ist damit bereits deshalb erforderlich, weil es sich um einen Gesetzentwurf handelt.

2. Dritte Lesung (Absatz 1 Satz 2)

Der Landtag kann eine dritte Lesung beschließen. Ein entsprechender Antrag ist ein Geschäftsordnungsantrag. Er kann bis zum Beginn der Schlussabstimmung über den Beratungsgegenstand (§ 30) gestellt werden und bedarf keiner besonderen Form oder Unterstützung. Anträge auf Durchführung einer dritten Lesung werden gelegentlich gestellt (vgl. bspw. Drs. 18/3673, 19/2262). Die tatsächliche Durchführung einer dritten Lesung ist aber extrem selten (Beispiel: Dritte Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Glücksspiels (Glücksspielgesetz), Drs. 17/1100, PlenProt 17/56 vom 14. September 2011, S. 4797).

3. Einmalige Beratung (Absatz 2)

Über andere als die in Absatz 1 genannten Vorlagen und über Anträge kann nach einmaliger Beratung beschlossen werden (Absatz 2). Die Regelung schließt nicht aus, dass solche Vorlagen und Anträge gleichwohl in zwei Lesungen, gegebenenfalls mit zwischengeschalteter Ausschussberatung, behandelt werden. In der parlamentarischen Praxis wird bei Entschließungsanträgen (Anträge, deren Ziel es ist, die Auffassung des Landtags zu politischen Fragen zum Ausdruck zu bringen oder die Landesregierung zu einem bestimmten Verhalten, zum Beispiel zur Abgabe eines Berichts, aufzufordern) von dieser Möglichkeit häufig Gebrauch gemacht.

Kommentar zur Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Stand: 29. Dezember 2022

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