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Für die Beratungen der Ausschüsse und Enquete-Kommissionen gilt diese Geschäftsordnung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Die das Verfahren des Plenums regelnden Vorschriften gelten auch für das Verfahren der Ausschüsse, soweit nicht hierfür abweichende Sondervorschriften bestehen (§§ 15 bis 18 und § 20) oder die Vorschriften wegen ihrer Eigenart, insbesondere ihrer strikten Förmlichkeit nur auf das Verfahren des Plenums zugeschnitten sind (z. B. §§ 24 bis 30 über Zahl und Form der Lesungen, § 31 über die Form der Anträge und § 56 über Form und Dauer der Rede).
Die Stellung der Ausschussvorsitzenden ist in der Geschäftsordnung nicht ausdrücklich geregelt. Rechtsgrundlage für ihre Tätigkeit ist daher neben § 15 im Wesentlichen § 21. Daraus folgt, dass die Ausschussvorsitzenden für ihren Funktionsbereich eine den amtierenden Präsidentinnen und Präsidenten im Plenum – wenn auch mit Einschränkungen – vergleichbare Stellung haben (vgl. Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 71 GO-BT, RN 2; Bernzen, Rechtliche Stellung der Vorsitzenden eines Parlamentarischen Ausschusses, in: ZParl 77, S. 36, 38).
Zu den Leitungsfunktionen der Ausschussvorsitzenden gehören die Eröffnung, die Unterbrechung und das Schließen der Sitzung, die Worterteilung, die Durchführung der Abstimmungen, die Feststellung der Mehrheit und die Beachtung der Bestimmungen der Geschäftsordnung (vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, § 59 GO-BT, Erl. I c).
Die Ausschussvorsitzenden müssen ebenso wie die Parlamentspräsidentin oder der Parlamentspräsident die Sitzungen gerecht und unparteiisch leiten. Anders als die Präsidentin oder der Präsident (vgl. § 52 Abs. 6) brauchen die Ausschussvorsitzenden allerdings nicht den Vorsitz abzugeben, wenn sie selbst das Wort zur Sache nehmen wollen. Sie sind also weniger aus dem Kreis der übrigen Abgeordneten herausgehoben, als das bei der Parlamentspräsidentin oder beim Parlamentspräsidenten der Fall ist. Hieraus und aus den Unterschieden der Leitung eines relativ großen Gremiums wie des Plenums und der eines zahlenmäßig wesentlich kleineren Ausschusses ergibt sich, dass den Ausschussvorsitzenden die Ordnungsgewalt nicht in gleichem Umfang zusteht wie der Präsidentin oder dem Präsidenten. Zwar haben auch die Ausschussvorsitzenden die Aufgabe, die Ordnung während der Ausschusssitzungen zu wahren. Sie können daher die Ausschussmitglieder zur Einhaltung der Ordnung ermahnen oder sie rügen. Sie können Redner, die vom Beratungsgegenstand abschweifen, auch „zur Sache“ rufen (§ 65). Ihnen steht jedoch nicht das Recht zu, einen formellen Ordnungsruf gemäß § 66 zu erteilen oder gar Abgeordnete gemäß § 68 von der Sitzung auszuschließen (einhellige Auffassung, vgl. Troßmann, aaO., RN 2.5; Ritzel/Bücker/ Schreiner, aaO., Erl. III).
Wenn sich störende Unruhe erhebt, können die Vorsitzenden gemäß § 69 die Sitzung unterbrechen oder aufheben. Gegen Sitzungsteilnehmerinnen und -teilnehmer, die nicht Abgeordnete sind, stehen den Vorsitzenden die Ordnungsmaßnahmen gemäß § 70 zu. Im Sitzungsraum nehmen die Ausschussvorsitzenden auch das sich aus dem privatrechtlichen Eigentum am Parlamentsgebäude ergebende Hausrecht wahr.
Die Ausschussvorsitzenden haben allerdings nicht das Recht, den Einsatz von Polizeikräften anzufordern. Eine solche Anforderung müsste erforderlichenfalls durch die Landtagspräsidentin oder den Landtagspräsidenten bzw. die hierzu von ihr oder ihm ermächtigten Personen erfolgen (zu den Einzelheiten der Befugnisse von Ausschussvorsitzenden vgl. Bernzen, aaO.).
Sind Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende an der Leitung einer Sitzung gehindert, entspricht es dem an § 1 Abs. 2 orientierten Parlamentsbrauch, dass dasjenige Mitglied des Ausschusses die Sitzungsleitung übernimmt, das dem Landtag die längste Zeit angehört hat. Weisen mehrere Abgeordnete eine gleich lange Zugehörigkeit zum Parlament auf, steht der Vorsitz in Vertretung der oder dem Abgeordneten mit dem höchsten Lebensalter zu.
Ein Fall der Stellvertretung tritt nur ein, wenn die oder der Vorsitzende an der Ausübung der Geschäfte gehindert ist oder aus anderen Gründen die Wahrnehmung einer Aufgabe der Stellvertretung überträgt. Stellvertretungen dürfen die Amtsgeschäfte nicht von sich aus – auch nicht aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses des Ausschusses – übernehmen (vgl. Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., Erl. I c und d).
Zu den gemäß § 21 auf die Beratungen der Ausschüsse entsprechend anwendbaren Vorschriften der Geschäftsordnung gehört u. a. § 46. Diese Vorschrift sinngemäß anzuwenden bedeutet, den Gehalt ihrer Regelung, nach der u. a. etwa ein Viertel der Mitglieder des Landtags die Einberufung des Landtags zu einer außerordentlichen Tagung verlangen können, auf die Ausschüsse zu übertragen. Bei den ständigen Ausschüssen ist dieses Quorum bei drei Abgeordneten, beim Petitionsausschuss bei vier Abgeordneten erreicht. Ausschussvorsitzende müssen daher den Ausschuss zu einer Sitzung außerhalb der turnusmäßigen Sitzungen einberufen, wenn mindestens drei beziehungsweise vier Mitglieder des Ausschusses oder eine Fraktion es verlangen. Hinsichtlich des Zeitpunkts der außerordentlichen Sitzung kann die qualifizierte Minderheit allerdings nur Vorschläge machen. Festgelegt wird der Sitzungstermin gemäß § 15 Abs. 1 von den Ausschussvorsitzenden. Dabei ist das Benehmen jedenfalls mit den Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen im Ausschuss herzustellen. Hinsichtlich der Festlegung des Sitzungstermins haben die Ausschussvorsitzenden einen Spielraum, der indes nicht unbegrenzt ist. Einerseits muss die Eilbedürftigkeit des jeweiligen Gegenstandes berücksichtigt werden. Andererseits muss den Ausschussmitgliedern und gegebenenfalls auch der Landesregierung hinreichend Gelegenheit zur Vorbereitung gegeben werden. Beide Gesichtspunkte müssen bei der Bemessung der Ladungsfrist berücksichtigt werden. Jedenfalls wird man in Anlehnung an § 45 Abs. 4 eine Ladungsfrist von acht Tagen als hinreichend erachten können. In der Praxis des Landtages führt ein Antrag auf Durchführung einer außerordentlichen Sitzung eines Ausschusses in aller Regel aber dazu, dass Ausschussvorsitzende und Sprecherinnen und Sprecher sich auf einen kurzfristigeren Sitzungstermin verständigen. Während der sitzungsfreien Zeit bedarf dies zudem der Genehmigung durch die Präsidentin oder den Präsidenten (vgl. Erl. 1 zu § 15).
Das Rederecht in den Ausschüssen gehört zum verfassungsrechtlichen Status der Abgeordneten (vgl. Brüning, in: Becker/Brüning/Ewer/Schliesky, Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2021, Artikel 17 RN 39). Die Verfassung gewährt dieses Recht jedoch nicht schrankenlos. Eine sachgerechte Erfüllung der Aufgaben des Parlaments macht eine sinnvolle Abstimmung und Zuordnung der Mitwirkungsrechte der Abgeordneten erforderlich. Das bedingt im Einzelnen eine Beschränkung der Rechte der Abgeordneten durch die Geschäftsordnung oder durch Absprachen zur Organisation des Parlamentsbetriebes. Maßnahmen zur Beschränkung des Rederechts finden ihre Grenze am Wesen und an der grundsätzlichen Aufgabe des Parlaments, Forum für Rede und Gegenrede zu sein (vgl. BVerfGE 10, 4, 13; 80, 188, 219).
Ausdrückliche Regelungen über das Rederecht in den Ausschüssen enthält die Geschäftsordnung nicht. Die Regelung über Form und Dauer der Rede im Plenum – § 56 – ist speziell auf das Verfahren im Plenum zugeschnitten und lässt sich daher auf das Verfahren in den Ausschüssen nicht sinngemäß anwenden.
Die Ausschüsse können mithin insoweit ihr Verfahren grundsätzlich frei gestalten. Dabei haben sie allerdings allgemeine parlamentarische Grundsätze, ihre Aufgaben und die sich daraus ergebenden Besonderheiten zu beachten. Aufgabe der Ausschüsse ist es gemäß § 14 im Wesentlichen, die ihnen vom Landtag erteilten Aufträge alsbald zu erledigen und dem Landtag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen. Damit wird im Plenum einerseits und in den Ausschüssen andererseits ganz unterschiedliche Arbeit geleistet. „Während im Plenum eher eine grundsätzliche Stellungnahme abgegeben und die generelle Haltung der Fraktionen bekanntgegeben wird, ist der Ausschuss der Ort der Einzelberatung. Da hier die praktische, ergebnisorientierte Detailarbeit zu leisten ist, geht es im Ausschuss bei weitem nicht so kontrovers zu, wie es die Öffentlichkeit bezüglich des gesamten Parlaments annimmt. Während im Plenum ‚gleichsam das Modell des zugrunde liegenden Konflikts gegenüber der Öffentlichkeit darzustellen und die Argumente für die Willensbildung zu liefern’ sind, ist die Ausschussarbeit im Grundsatz mehr auf Konsens angelegt. Dazu zwingt auch die Detailarbeit, die anders gar nicht zu leisten wäre“ (Dach, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 40 RN 49, S. 1119).
Die Geschäftsordnung sieht also für die Beratungen der Ausschüsse keine ausdrückliche Redezeitbegrenzung vor. Eine Aussprache im Ausschuss ist erst beendet, wenn sich keine Rednerinnen und Redner mehr zu Wort melden oder wenn ein Antrag auf Schluss der Aussprache angenommen wird. Den Vorsitzenden steht also nicht das Recht zu, von sich aus eine Aussprache zu beenden, solange noch Wortmeldungen vorliegen. Die Ausschüsse sind dazu berufen, jeden Beratungsgegenstand nicht nur grundsätzlich, sondern auch im Detail auszudiskutieren. Nur dann werden sie ihrer Aufgabe gerecht, vorbereitende Beschlussorgane zu sein.
Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Ausschuss durch Mehrheitsbeschluss Redezeitbeschränkungen festlegt. Für eine derartige Entscheidung können aus der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgende Maßstäbe gewonnen werden:
- Das Verfahren der Ausschüsse muss sich an der Aufgabe der Ausschüsse orientieren, die einer Redezeitbegrenzung in der Regel entgegensteht.
- Die Abgeordneten haben ein verfassungsrechtlich garantiertes Rederecht im Ausschuss, das ihnen nicht vollständig entzogen werden darf.
- Eine den Umfang des Beratungsgegenstandes und die Besonderheiten der Diskussion nicht berücksichtigende schematische Redezeitbeschränkung ist nicht zulässig. Gewahrt werden muss das Prinzip von Rede und Gegenrede. Nach einer längeren Stellungnahme eines Mitglieds oder Beauftragten der Landesregierung müssen die Mitglieder des Ausschusses die Möglichkeit haben, darauf in entsprechender Weise zu erwidern.
Letztlich stehen sowohl das Rederecht der Abgeordneten als auch Mehrheitsbeschlüsse zu Redezeiten unter dem Verbot missbräuchlicher Ausübung. Maßstab für beides ist, dass die sachgerechte Erledigung der Aufgaben der Ausschüsse nicht gefährdet werden darf.
Im Übrigen gilt, dass ein Antrag auf Schluss der Beratung gemäß § 57 Abs. 3 ein geeignetes Mittel ist, die Aussprache zu beenden, wenn ein Thema erschöpfend behandelt ist (vgl. zu vorstehendem: Troßmann/Roll, Ergänzungsband zum Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1981, § 71 GO-BT, RN 3.1). Nach § 57 Abs. 3 gilt: Wird ein Antrag auf Schluss der Beratung gestellt, so kann nach Verlesen der Liste der Rednerinnen und Redner neben der Antragstellerin oder dem Antragsteller je einer weiteren Abgeordneten oder einem weiteren Abgeordneten für und wider den Antrag das Wort erteilt werden. Über einen Schlussantrag kann zudem erst abgestimmt werden, wenn mindestens eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter von jeder Fraktion Gelegenheit gehabt hat, zur Sache zu sprechen.
Der Antrag auf Schluss der Rednerliste ist in § 62 Satz 1 Buchst. c vorgesehen. Ein solcher Antrag ist zulässig, wenn er die Voraussetzungen des Antrags auf Schluss der Beratung ebenfalls erfüllt, d. h. wenn mindestens eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter von jeder Fraktion Gelegenheit gehabt hat, zur Sache zu sprechen.
Anträge auf Vertagung gem. § 57 Abs. 3 sind möglich. Nicht zulässig ist dagegen ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gemäß § 33. Die Anwendung des § 33 verbietet sich nach § 14 Abs. 1 und 3. Danach sind die Ausschüsse verpflichtet, im Rahmen der ihnen erteilten Aufträge dem Landtag bestimmte Beschlüsse zu empfehlen. Somit ist es einem Ausschuss nicht gestattet, über einen ihm zugewiesenen Beratungsgegenstand zur Tagesordnung überzugehen (vgl. dazu Troßmann, aaO., § 71 GO-BT, RN 3.2).
Bei der Anwendung des § 75 (Abweichung von der Geschäftsordnung) ist in den Ausschüssen Zurückhaltung geboten. Diese kommt grundsätzlich nicht in Betracht, „weil sonst die Gefahr bestünde, dass die Ausschüsse sich zu weitgehend verselbständigen und ihre Eigenschaft als vorbereitendes Beschluss- bzw. Hilfsorgan“ des Landtages verlieren würden (Ritzel/Bücker/Schreiner, aaO., § 74 GO-BT, Erl. c).