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Tierhalterverbände klagen über gestiegene Kosten durch die neugefasste Tierärztegebührenordnung. Die Tierärztevertreter argumentieren mit modernster Technik und zuvor schlechten Verdienstmöglichkeiten.
Tierhalter klagen deutschlandweit über gestiegene Kosten für den Tierarzt. Grund ist die Neufassung der Tierärztegebührenordnung (GOT) Ende 2022. Seitdem müssen Pferdezüchter, Landwirte, Tierheime sowie private Hunde- und Katzenfreunde teilweise ein Mehrfaches der zuvor üblichen Preise stemmen. Im Umwelt- und Agrarausschuss haben zahlreiche Verbandsvertreter deswegen eine rasche Überprüfung der GOT angemahnt – die Landespolitik solle sich in Berlin dafür einsetzen, so die Forderung. Veterinäre verteidigten in der mehr als dreistündigen Diskussion die Gebührenerhöhungen als notwendig und angemessen.
Jens Thormählen, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) präsentierte Rechnungen, die den Mitgliedern seines Verbands in jüngster Zeit gestellt worden seien: etwa eine Zahn-OP bei einer Katze, die statt 445 Euro nun 3.956 Euro kosten sollte. Oder die Behandlung einer Atemwegserkrankung bei einem Hund, die um 255 Prozent auf mehr als 9.000 Euro gestiegen sei. Eine Augenoperation bei einem Pferd sei mit 82.000 Euro berechnet worden. Der Preis für die operative Behandlung einer Magenkolik bei einem Pferd sei von 8.700 Euro auf rund 120.000 Euro hochgeschossen. „Solche Rechnungen können wir ordnerweise vorlegen“, sagte Thormählen.
„Anders als in der Humanmedizin ist eine Tierarztrechnung ein Überraschungspaket“, klagte die VDTH-Vorsitzende Sabine Reimers-Mortensen. Es werde „häufig zu erhöhten Gebühren abgerechnet, ohne dass dies dem Tierhalter transparent gemacht wird“. Einen strikten Katalog an Leistungen und Preisen gebe es nicht. Es werde lediglich ein Rahmen gesetzt, der „nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles“ genutzt werden kann, wie es in der GOT heißt. Das sei eine „massive Verletzung moderner Verbraucherschutzpraktiken“, so Reimers-Mortensen.
Ellen Kloth vom Tierschutzbund Schleswig-Holstein befürchtete, dass einige Tierhalter nun seltener zum Arzt gehen. Darunter leide das Tierwohl. Und die Landestierschutzbeauftragte Katharina Erdmann wies auf die Lage der Tierheime hin, die ohnehin mit steigenden Sachkosten zu kämpfen hätten. Immer mehr Tierhalter, die sich den Unterhalt nicht mehr leisten könnten, würden nun Hund, Katze, Kaninchen oder auch Exoten wie Schlangen im Heim abgeben. „Diese Kosten zahlt am Ende auch der Steuerzahler“, so Erdmann.
Schwerwiegende Folgen verzeichnen die Pferdezüchter, wo die Kosten für eine Besamung deutlich gestiegen seien. Katja Wagner, bei der Landwirtschaftskammer für Pferdehaltung zuständig, warnte vor „unkalkulierbaren Risiken“ für diesen „Wirtschaftsfaktor“. Im Lande gebe es 100.000 Pferde, daran hingen etwa 50.000 Arbeitsplätze, und die Branche verzeichne einen Jahresumsatz von 650 Millionen Euro. „Das Pferd darf auf keinen Fall ein Luxusgut werden“, so Wagner. Stefanie Bergmann vom Verband der Züchter des Holsteiner Pferdes berichtete von einem „dramatischen“ Minus von 300 Stuten, die nun nicht mehr in der Zucht eingesetzt würden: „Die Gebührenordnung wirkt sich aus und hat Konsequenzen.“ Und Neel-Heinrich Schoof vom Trakehner Verband beklagte „direkte Folgen“ der GOT auf die Bedeckungszahlen. Es gebe 20 Prozent weniger Fohlen: „Das ist existenzbedrohend.“
Die Tierärztegebührenordnung war zuletzt 1999 überarbeitet worden. Seitdem habe sich in der Veterinärmedizin viel getan, so Christina Becker von der Tierärztekammer, die rund 2.000 Veterinäre im Lande vertritt. Moderne Untersuchungsverfahren müssten angemessen in Rechnung gestellt werden. Die zuvor angeführten Rechnungen, teils im fünfstelligen Bereich, bezeichnete sie als „Extrembeispiele“. Die meisten Tierärzte, so Becker, „arbeiten hart und nehmen einen Satz, der gerecht ist“. Eine Praxis sei keine „Gemeinwohleinrichtung“, sondern ein Unternehmen, unterstrich Heiko Färber vom Bundesverband praktizierender Tierärzte. Ohne die neue GOT „hätten wir die Arbeitsbedingungen der Tierärzte nicht verbessert“, und das Problem des Tierärztemangels wäre noch größer: „Den Tierarzt ums Eck und den Notdienst am Wochenende würde es dann nicht mehr geben.“
„Die Lage wäre viel prekärer, wenn die neue GOT nicht gekommen wäre“, sagte auch Tim Volin vom Verband unabhängiger Kleintierkliniken. Er betonte ebenfalls die „rasanten“ medizinischen Fortschritte: „Die Gerätschaften sind oft die gleichen wie in der Humanmedizin“, und dieser hohe Standard werde „von den Tierbesitzern gefordert“. Zudem gebe es in der Branche häufig „unterirdische Gehälter“. Der Einstiegsverdienst habe vor der GOT-Reform bei 2.500 Euro im Monat gelegen – „das ist für einen akademischen Beruf mit einer so hohen Verantwortung ein Witz.“
Die Abgeordneten im Ausschuss loteten Kompromisse aus. Cornelia Schmachtenberg (CDU) wies darauf hin, dass eine Evaluation der GOT ohnehin für das kommende Jahr geplant sei. Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, riet sie den Tierhaltern, vor der Behandlung auf einen Kostenvoranschlag zu bestehen. Michael Schunck (SSW) warf die Frage auf, ob die Politik „das Korsett strammer ziehen“ müsse, damit die Ärzte „nicht freihändig Rechnungen ausstellen können“. Dirk Kock-Rohwer (Grüne) und Sandra Redmann (SPD) empfahlen allen Beteiligten, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, „um dann zusammen zu einem Frieden zu kommen“. Und der Ausschussvorsitzende, der CDU-Parlamentarier Heiner Rickers, betonte die gemeinsamen Interessen: „Wir sind uns einig, dass wir im Pferde- und Reiterland Schleswig-Holstein Tierärzte brauchen.“ Wenn es gelinge, die verschiedenen Interessen „zusammenzubinden“, dann sei viel erreicht.