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Das hoch verschuldete Schleswig-Holstein muss sparen. Auch bei den Schulen, wo Lehrerstellen gestrichen werden. Dies bringt die Opposition auf die Zinne. Bildungsministerin Prien kündigt im Gegenzug Anreize für angehende Lehrkräfte an.
Mit einer lebhaften Bildungs-Debatte beginnt der zweite Tag des Januar-Plenums. In ihrem letztlich mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnten Antrag hatten die Oppositionsfraktionen von SPD, SSW und FDP von der Landesregierung gefordert, mit einer verbesserten Unterrichtsversorgung gegen den Unterrichtsausfall anzugehen. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zeigte Verständnis für die „Leidenschaft für gute Bildung“ im Plenum und verteidigte ihren vorgelegten Bericht zur Unterrichtssituation 2023/24 mit den Zwängen der Haushaltskonsolidierung.
Der Anteil von nicht planmäßig gegebenen Stunden in allgemeinbildenden Schulen sei im vergangenen Schuljahr im Vergleich zu 2016/17 um 26 Prozent gestiegen, stieg Bildungspolitiker Martin Habersaat (SPD) in die Diskussion ein. An den Berufsbildenden Schulen seien es demnach 88 Prozent gewesen. „Karin Prien, frisch im Ministerinnenamt, versprach vollmundig: Wir werden den Unterrichtsausfall bis 2022 beenden. Gemessen an den eigenen Worten müssen wir 2025 sagen: Sie sind krachend gescheitert. Klar ist; so kann es nicht weitergehen.“
Zwei Drittel aller Ausfälle gingen auf Erkrankungen von Lehrkräften zurück, nur 16,53 Prozent der Lehrkräfte würden bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze im aktiven Dienst verbleiben, konstatierte Habersaat. Es sei nicht zu verstehen, dass die Landesregierung vor diesem Hintergrund Stellen streiche und Klassen vergrößere. „Es ist doch logisch: Wenn weniger Lehrkräfte an einer Schule unterrichten, als dort eigentlich benötigt werden, sind diese stärker belastet und fallen in der Folge häufiger aus.“
Aufgrund der derzeitigen finanziellen Situation seien die Mittel begrenzt, man müsse Prioritäten setzen, entgegnete Martin Balasus von der CDU-Fraktion. Trotzdem gebe man mehr Geld aus als im Vorjahr. „Wir setzen Prioritäten auf die Stärkung der Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Rechnen, geben neue Stellen für die Sprachstand-Erhebung mit verbindlicher Förderung für Kinder mit großen Defiziten ins System und halten am Ausbau des Perspektivschulprogramms fest, ganz dem Grundsatz folgend: denjenigen zu helfen, die unsere Hilfe am dringendsten benötigen“, so Balasus.
Über einen Leistungsabfall der Schüler müsse man sich keine Sorgen machen. „Dafür sorgen mehr Mathe und Deutsch in Klasse 1 und 2, feste Lesezeiten, der Masterplan-Mathematik und die Lernstand-Erhebungen in den Übergängen.“ Trotzdem seien 163 gestrichene Lehrerstellen schmerzhaft, „aber es ist notwendig und vertretbar“.
Malte Krüger (Grüne) betonte die Gemeinsamkeiten aller Parteien im Wunsch nach einem guten Bildungssystem und warf der Opposition vor, keine Ideen zur Finanzierung zu haben. Der SSW wolle im Umweltbereich einsparen, die SPD ebenfalls, für ihn persönlich habe allerdings Umweltpolitik höchste Priorität. „Ich will nicht die Bildungspolitik gegen andere Bereiche ausspielen.“ Immerhin fördere man die Schulen mit den stärksten Herausforderungen, „und das führt zu mehr Bildungsgerechtigkeit“. Schleswig-Holstein stelle mehr Stunden zur Verfügung als andere Bundesländer, man solle sich mehr an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz orientieren.
Klare Prioritäten für die Bildung forderte Anne Riecke (FDP) „Die Streichung von Lehrerstellen muss sofort rückgängig gemacht werden, wir brauchen die Einführung einer datenbasierten Schulpolitik und müssen klare Ergebnisse messen und Förderprogramme auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse entwickeln.“ Die verpflichtende Sprachfeststellung für Kinder im Alter von viereinhalb Jahren sei ein erster Schritt, ebenso wie eine kostenlose Sprachförderung für jene, die sie benötigen. Für die Gesundheit der Lehrkräfte müssten dringend die Vielzahl an unterrichtsfernen Aufgaben ‒ wie Verwaltung, Dokumentation oder Konferenzen reduziert werden. „Lehrkräfte müssen wieder das tun können, wofür sie da sind: unterrichten.“
Die Unterrichtsversorgung dürfe nicht auf die geplanten 100 Prozent reduziert werden, forderte Jette Waldinger-Thiering (SSW). Sie verlangte Rahmenbedingungen an Schulen zu schaffen, „in denen es Lehrkräften gelingt, gesund zu bleiben und motiviert zu arbeiten, also eine Unterrichtsversorgung von mindestens 105 Prozent und ausreichend Lehrkräfte im System.“ Nur dann könne es gelingen, eine verbindliche Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. „Sparen müssen wir woanders, aber nicht bei der Bildung.“
„Wir haben so viele Menschen im Schulsystem wie nie zuvor“, betonte Bildungsministerin Karin Prien. Man arbeite trotz aller Schwierigkeiten bei der Haushaltskonsolidierung an den benannten Problemen. Immerhin habe man im Schuljahr 2023/24 die Relation von Schulstunden per Schüler von 1,64 auf 1,66 Stunden erhöhen können. „Wir werden bei allen Sparmaßnahmen den Blick darauf haben, dass wir an Grundschulen geringe bis keine Einsparungen haben.“ Es werde dort 500 zusätzliche Stunden geben sowie mehr Stunden an den Gemeinschaftsschulen. „Zusätzlich werden wir über das Startchancen- und Perspektivschulprogramm weitere Ressourcen hineingeben.“ Der Ausfall der Lehrkräfte gebe ihr zu denken, so Prien. „Wir haben in Deutschland die höchsten Krankenstände, wie können wir Entlastung schaffen?“
Die Ministerin kündigte an, besonders Schulen in den Regionen in den Blick nehmen zu wollen, in denen es besonders schwierig ist. So solle ein Anreizsystem geschaffen werden, um junge Menschen in ländliche Regionen zu bekommen. Zudem wolle man das Personal zur Unterstützung der Schulassistenz weiter ausbauen und das Modell mit entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen unterlegen.
Laut dem aktuellen Bericht der Landesregierung zur Unterrichtssituation im Schuljahr 2023/24 ist an den allgemeinbildenden Schulen im ersten Halbjahr 2,7 Prozent und im zweiten Halbjahr 2,5 Prozent des Unterrichts ersatzlos ausgefallen. Weitere 9,5 (1. Halbjahr) beziehungsweise 9,1 Prozent (2. Halbjahr) fanden nicht planmäßig statt. Insgesamt entgingen den Schülerinnen und Schülern an allgemeinbildenden Schulen damit rund 12 Prozent des Unterrichts. An berufsbildenden Schulen waren es im Jahresschnitt 13,6 Prozent. SPD, FDP und SSW nehmen diese Zahlen zum Anlass, eine bessere Unterrichtsversorgung in Schleswig-Holstein einzufordern.
Die Zahl der Schülerinnen und Schüler steige, dennoch wolle die Koalition jetzt Lehrerstellen streichen, kritisierte der SPD-Bildungspolitiker Martin Habersaat bei Vorstellung eines Antrags mit der Überschrift „Unterrichtsversorgung statt Unterrichtsausfall“. Das ist ein „bildungspolitischer Offenbarungseid.“ Er bezieht sich damit auf Angaben des Bildungsministeriums, demnach im kommenden Jahr unterm Strich 163 Lehrerstellen weniger zur Verfügung stehen als 2024. Laut Bildungsministerin Karin Prien (CDU) müsse diese Zahl 163 im Verhältnis von 24.065 Planstellen gesehen werden, was 0,68 Prozent der Lehrkräftestellen bedeute.
Zu Beginn des Schuljahres 2023/24 hatte es dem Regierungsbericht zur Unterrichtssituation zufolge insgesamt 747 unbefristete Einstellungen sowie die Einstellung von 2.744 befristet Beschäftigten und Vertretungslehrkräften in den Schuldienst gegeben. Insgesamt konnten in diesem Schuljahr 1.066 Lehramtsanwärterinnen und -anwärter in den Vorbereitungsdienst eingestellt werden. „Die erwartete Bedarfsdeckung mit Stellen wurde im Schuljahr 2023/24 an allen allgemeinbildenden Schularten und an den berufsbildenden Schulen mit 102 Prozent übertroffen“, heißt es.
Dennoch habe nach Rechnung der SPD „fast jede zwölfte Unterrichtsstunde in Schleswig-Holstein nicht oder nicht regulär stattgefunden“. Vor diesem Hintergrund sei es künftig geboten, „Unterrichtsausfälle zu bekämpfen, indem die Gesundheit von Lehrkräften gefördert, die Arbeitsbelastung von Lehrkräften reduziert und die Unterrichtsversorgung gesichert wird“, heißt es in dem Papier von SPD, FDP und SSW. Die Oppositionsfraktionen stören sich aber auch an der Methodik in dem Bericht. Die Beurteilung der Unterrichtsversorgung müsse anhand tatsächlich besetzter Lehrkräftestellen beurteilt werden, sagte die SSW-Bildungspolitikerin Jette Waldinger-Thiering. Dabei solle zudem nur ausgebildetes Personal berücksichtigt werden.
(Stand: Januar 2025)