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Der Sozialausschuss befragt erneut Experten zu den Nachwirkungen der Corona-Pandemie. Thema einer ganztägigen Anhörung am morgigen Donnerstag ist das Thema Post-Covid. Die Anhörung wird live im "ParlaRadio" des Landtages übertragen.
Auf Grundlage eines Regierungsberichts zur „Situation von Post-Covid und ME/CFS-Erkrankten in Schleswig-Holstein“ (Drucksache 20/2094) führt der Sozialausschuss am morgigen Donnerstag eine Anhörung durch. Ganztägig befragen die Abgeordneten unter anderem Mediziner, Vertreter von Betroffenenverbänden und Krankenkassen sowie Verantwortliche der Krankenhausgesellschaft und Ärztekammer zum Thema.
→ Die Anhörung beginnt um 10 Uhr und wird im "ParlaRadio" (Kanal A) des Landtages live übertragen
→ Informationen zum zeitlichen Ablauf und zu den Anzuhörenden in der Einladung des Sozialausschusses
Die Corona-Pandemie gilt inzwischen als weitgehend überwunden – aber tausende Menschen in Schleswig-Holstein leiden immer noch an deren Nachwirkungen. In einem im Mai 2024 veröffentlichten Bericht umreißt das Gesundheitsministerium die Situation der Betroffenen. Ein Fazit: Eine spezielle Therapie gibt es noch nicht.
Die Forschung spricht von Long Covid oder Post Covid (PCS), wenn Corona-Symptome wie Fieber, Lungenleiden oder Erschöpfung auch Monate nach der Infektion noch anhalten. Eine Corona-Erkrankung kann auch zu einer Myalgischen Enzephalomyelitis und einem Chronischen Fatigue-Syndrom (ME/CFS) führen, einer dauerhaften Ermüdung, verbunden mit schweren Nerven- und Organschäden.
Frauen stärker betroffen
Das Gesundheitsministerium nennt in seinem Bericht keine Gesamtzahl der Betroffenen in Schleswig-Holstein. Aus den aufgeführten Daten der Kassenärztlichen Vereinigung geht hervor, dass im zweiten Quartal 2022 rund 7.700 Menschen im Lande mit der Diagnose Post Covid behandelt wurden. Im dritten Quartal 2023, dem aktuellsten Wert, waren es 4.415. Das Durchschnittsalter lag bei 51,7 Jahren. Frauen waren doppelt so oft betroffen wie Männer. Ein möglicher Grund: Die Berufsgruppen mit der höchsten Infektionsquote waren im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie in der Kinderbetreuung – typische Frauenberufe.
Betroffene können sich im Lande an die Spezialambulanzen der Uni-Kliniken in Kiel (für Erwachsene) und Lübeck (für Kinder und Jugendliche) wenden. Zahlreiche Krankenhäuser bieten Behandlungen an, es gibt zudem ambulante Betreuungsangebote und Selbsthilfegruppen. Insgesamt sei die medizinische Versorgung im Lande „ausreichend“. Aber: „Spezifische Therapien eines PCS oder einer ME/CFS sind bisher nicht etabliert“, wie es in dem Bericht heißt, und es gebe auch noch keine abgeschlossenen medizinischen Studien zu diesen Krankheiten. Entsprechend können Mediziner zwar die die Symptome behandeln, nicht aber die Ursachen: „Fundierte Fortbildungsangebote für Ärztinnen und Ärzte werden sich in der Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Faktenlage jedoch erst in Zukunft entwickeln.“
UKSH forscht
Das Gesundheitsministerium weist darauf hin, dass die Krankenkassen alle gängigen Behandlungen übernehmen. Neuartige und noch nicht komplett erforschte Verfahren wie „Blutwäsche“ und „Sauerstoffbehandlung“ sind jedoch nicht im Leistungsangebot der Kassen enthalten und müssten von den Patienten selbst bezahlt werden.
Das Land unterstützt drei Forschungsprojekte des UKSH in Kiel und Lübeck mit insgesamt 3,1 Millionen Euro. Zwei konzentrieren sich nach Angaben der Staatskanzlei auf die interdisziplinäre und sektorenübergreifende Versorgung vom Patienten mit schwerem Post Covid. Das dritte Projekt widmet sich der Erforschung von Langzeitfolgen von Infektionskrankheiten. Ziel sei es, Post-Covid-Zustände mit Folgen anderer Infektionen zu vergleichen. Für die Landesregierung sei es wichtig, „schnellstmöglich ein adäquates, dem Stand der wissenschaftlichen Forschung entsprechendes Behandlungsangebot zu schaffen“, heißt es in dem Bericht.
In einer Debatte im Juli vergangenen Jahres zum Regierungsbericht hat der Landtag mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Betroffenen gefordert. Nach Zahlen der Patienten-Initiative „Nicht Genesen“ sind 91.000 Menschen im Lande betroffen. Diese Menschen seien „für die Gesellschaft kaum sichtbar“, so Birte Pauls (SPD): „Sie verdienen Aufmerksamkeit, Respekt und weitere Unterstützung.“ Auch Dagmar Hildebrand (CDU) unterstrich: „Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen die notwendige Unterstützung anzubieten.“ Erst wenn das erreicht sei, „können wir die Nachwehen der Pandemie hinter uns lassen“.
Jasper Balke (Grüne) forderte eine „gesellschaftliche Sensibilisierung“ und eine „große Kraftanstrengung des gesamten Gesundheitssystems“. Er kritisierte, dass die Krankenkassen die Kosten für bestimmte Therapien nicht übernehmen. Das passe nicht in unser Solidarsystem. Christian Dirschauer (SSW) forderte von der Landesregierung, mehr Anlaufstellen für Betroffene zu schaffen – auch im ländlichen Raum. Außerdem gebe es zu wenig Unterstützung für Selbsthilfegruppen. Der ehemalige Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) sprach sich für eine politische Aufarbeitung der Corona-Pandemie aus: „Das würde endlich wieder Vertrauen in der Bevölkerung schaffen.“ Corona habe allein in Deutschland 183.000 Todesopfer gefordert.
Das Plenum überwies den Regierungsbericht an den Sozialausschuss. Dort wurde die Morgen stattfindende Anhörung beschlossen.