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Der Zuspruch ist überfraktionell: Ohne Sarg oder Urne soll es in Zukunft möglich sein, Verstorbene auf dem Friedhof beizusetzen. Auf Wunsch soll dann auch ein Leichentuch reichen. Der Friedhofzwang bleibt allerdings bestehen.
Das Plenum hat Änderungen im Bestattungsgesetz in überfraktioneller Einigkeit verabschiedet. Es gebe einen Wandel in der Gesellschaft, die Vorstellungen über die Form und den Ablauf von Bestattungen veränderten sich und die Wünsche, wie nach dem Tod mit dem Körper eines Verstorbenen umgegangen werden soll, seien individuell, sagte Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU). Deshalb müsse der gesetzlichen Rahmen nach zehn Jahren modernisiert werden.
So soll eine sarglose Bestattung zukünftig auch ohne weltanschauliche oder religiöse Begründung möglich werden. Auf Friedhöfen dürfe in bestimmten Arealen die Asche von Verstorbenen frei verstreut werden, so die Ministerin. „Das erhöht die Angebotsvielfalt weiter, einer facettenreichen Bestattungskultur wird der Weg geebnet und den Menschen stehen bei der Planung des letzten Weges alle würdigen und ethisch vertretbaren Möglichkeiten offen, die vom Bestattungsrecht getragen werden.“
Des Weiteren sehe das Gesetz Verschärfungen bezüglich der zweiten Leichenschau vor, bei der vor einer Kremierung die Sicherung von Beweismitteln im Rahmen der Strafverfolgung gewahrt bleiben solle. „Es wird zudem eine Regelung zum Verbot von Natursteinelementen aus Kinderarbeit aufgenommen zum Schutz der Menschenrechte“, sagte von der Decken.
Betreiber von Krematorien könnten nun der Asche Verstorbener biologisch nicht abbaubare Materialien wie künstliche Hüft- oder Kniegelenke sowie Herzschrittmacher entnehmen, damit der Boden dort nicht belastet werde, ergänzte Dagmar Hildebrand (CDU). Zudem würden in Zukunft Bestattungsunternehmen zum Nachweis einer ordnungsgemäßen Bestattung verpflichtet. „In Einzelfällen gelangten Urnen in Privathände“, das ändere sich nun mit der Beweispflicht.
Es gebe immer mehr Menschen, die sich ein Verstreuen der Asche von Verstorbenen auch an Orten, die nicht öffentlich gewidmet sind, sagte Eka von Kalben (Grüne). „Dem gegenüber steht die Überzeugung mancher Menschen, dass die Integrität einer Person auch nach dem Tod bestehen bleiben muss und die Überreste eines Menschen zusammengehalten und nicht geteilt werden sollten.“ Der sogenannte Friedhofszwang, also die Vorgabe, dass Gräber öffentlich für alle zugänglich sein sollen, ermöglicht es eben auch allen Angehörigen diesen Ort aufzusuchen. Auch denjenigen, die vielleicht nicht zu den offiziellen Erben gehören.
Die Art der Beisetzung sei oft auch eine finanzielle Frage, betonte Birte Pauls von der SPD-Fraktion. „Im Durchschnitt kostet eine Beerdigung circa 13.000 Euro, allein ein Grabstein schlägt mit circa 5000 Euro zu Buche“, so Pauls. „Deshalb verzichten viele mittlerweile auf die klassische Erdbestattung, erst recht, wenn keine finanzielle Vorsorge im Rahmen einer Versicherung oder eines Vertrages mit einem Bestattungsunternehmen getroffen wurde.“ Es gelte für viele Familien je schlichter desto günstiger. „Nicht weil man sich es nicht wünscht oder dem Verstorbenen nicht gönnt, sondern weil viele sich das schlicht weg nicht leisten können.“
Bezüglich des weiterlaufenden Pilotprojekts „Reerdigung“, bei der der Tote innerhalb von 40 Tagen zu Humus transformiert wird, äußerte Pauls Sympathie. „Dass wir die Experimentierklausel für zwei Jahre verlängern, kann wahrscheinlich nur helfen, die Kritiker oder Zweifler zu überzeugen.“
Weitere Redner: Heiner Garg (FDP), Christian Dirschauer (SSW)
Die Vorzeichen sind nach dem einstimmigen Zuspruch im Sozialausschuss gesetzt: Das schleswig-holsteinische Bestattungsgesetz wird reformiert. Künftig soll es möglich sein, die Asche von Toten ohne Behältnis in festgelegten Bereich von Friedhöfen zu begraben oder zu verstreuen. Zudem werden sarglose Beisetzungen auf den Willen der verstorbenen Person hin zugelassen ‒ unabhängig von religiösen oder weltanschaulichen Gründen. Und: Für Bestattungswälder werden aufgrund der erhöhten Nachfrage die hoheitlichen Anforderungen an die Beschaffenheit und den Betrieb näher geregelt.
Das Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen ist in weiten Teilen seit nunmehr über zehn Jahren unverändert in Kraft. „Die gesellschaftliche Entwicklung der Bestattungskultur zeigt sich auch in einem gesteigerten Interesse an verschiedenen Modernisierungen im Umgang mit Bestattung und Trauer“, heißt es in dem Vorwort des neuen, von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurfs.
Nicht erwähnt wird darin die „Reerdigung“ oder „Humankompostierung“, bei der Tote in einem abgeschlossenen Kokon auf ein pflanzliches Substrat aus Heu, Stroh und Schnittgut gebettet werden und nach 40 Tagen in Humus transformiert sein sollen. Hier bleibt es bei der zu Jahresbeginn beschlossenen Einstufung als Pilotprojekt.
Auch wenn Begräbnisse künftig ohne Urne oder feste Behältnisse wie Sarg – hier reicht künftig ein Leichentuch – stattfinden können, der Friedhofzwang bleibt bestehen. Die Urne mit der verstorbenen Oma auf dem heimischen Kamin-Sims etwa bleibt untersagt.
(Stand: Dezember 2024)
Erste Lesung:
Mai 2024 (ohne Aussprache)
Vorherige Debatte zum Thema:
Januar 2024 (Newsticker-Meldung, 26.01./13:00)