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21. November 2024 – November-Plenum

Landtag offen für Kohlendioxid-Speicherung

Lange stieß eine Speicherung von klimaschädlichem CO2 im Schleswig-Holsteinischen Landtag auf breite Ablehnung. Schwarz-Grün hält die Technik nun für notwendig. SSW und SPD protestieren vehement.

Nitsch, Sybilla SSW Plenum
Sybilla Nitsch (SSW): „Sie haben den politischen Konsens aufgekündigt und machen Schleswig-Holstein zur Müllkippe der Nation“ Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Die schwarz-grüne Landesregierung zeigt sich offen für Pläne der Bundesregierung, die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) unter strengen Voraussetzungen in der Nordsee zu erlauben. Damit endet ein langjähriger überparteilicher Konsens im Norden, der besagte, dass CO2 nicht mit der sogenannten CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) abgeschieden und im Untergrund gespeichert werden soll. Der Antrag der Fraktionen von SSW und SPD, die eine Bekräftigung der bisherigen ablehnenden Haltung des Landtages gefordert hatten, wurde von CDU, Grünen und FDP abgelehnt. Die Ausschussempfehlung, die Strategie des Bundes konstruktiv zu begleiten, wurde gegen die Stimmen von SPD und SSW angenommen.

Nach umfassenden Expertenanhörungen sei klar, dass CCS unter dem Meeresboden unter strengen Auflagen machbar sei, begründete Cornelia Schmachtenberg (CDU) die politische Kehrtwende. „Wir müssen die Treibhausgasemissionen so schnell und so viel wie möglich einschränken, CCS unter dem Meeresboden ist eine gute Methode für die Restemissionen.“ Es gebe hierbei eine klare Hierarchisierung ‒ erst wenn alle anderen Möglichkeiten erschöpft seien und nur für die Restemissionen, fügte die Grünen-Abgeordnete Nelly Waldeck hinzu. Und es werde am Ende auf jeden Fall ein kleiner Bereich bleiben, der nicht zu decarbonisieren ist. „Die Gefahren durch CCS sind geringer als die Gefahren durch die Klimakrise, deswegen haben wir eine neue Position.“

SSW und SPD widersprechen vehement

Einlagerungsstätten müssten erforscht und deren Haltbarkeit über viele Jahrhunderte bewiesen sein, das seien wahnsinnige Zeithorizonte, kritisierte Marc Timmer (SPD). Es müsste ein Leitungsausbau durch ganz Deutschland finanziert werden. „Wenn wir ein System aufbauen würden, dann wäre der Druck groß, es im großen Umfang zu nutzen.“ So werde in Zukunft immer mehr CO2 erzeugt. Man solle lieber auf andere und noch zu entwickelnde Zukunftstechnologien setzen.

Ähnlich argumentierte Sybilla Nitsch (SSW): CCS sei der Pfad, um die fossilen Energien zu verlängern, sagte die SSW-Abgeordnete. Die Technologie lohne sich nur mit großen Mengen, man öffne damit die Büchse der Pandora. Und an die Regierungsfraktionen gewendet: „Sie haben den politischen Konsens aufgekündigt und machen Schleswig-Holstein zur Müllkippe der Nation“.

Umweltminister: „Neue Zeiten erfordern neue Antworten“

Mehr Technologieoffenheit für CCS forderte Oliver Kumbartzky von der FDP. „Wer den Klimawandel bekämpfen will, der muss CCS nutzen, wer nichts tut, der handelt fahrlässig.“ Man könne nicht allein auf Innovationen hoffen. „Nein, wir müssen uns jetzt kümmern.“

„Neue Zeiten bringen neue Erkenntnisse und erfordern neue Antworten“, sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). Die CCS-Debatte sei hart geführt worden und eine Ablehnung mit Blick auf die Gefahr des Greenwashings von Kohlekraftwerken einst richtig gewesen. „Heute galoppiert die Klimakrise vor sich hin, die Treibhausgasemissionen steigen weiter.“ Ohne technische Senkung werde eine Lösung des Problems nicht machbar sein. „Es ist der Zeit angemessen, sich für diese Technologie zu öffnen. Ich werbe dafür, die gesellschaftliche Debatte verantwortungsvoll zu führen, die Risiken zu benennen und sie abzuwägen mit Risiken durch Restemissionen für die Gesellschaft.“

Noch im Juni 2022 war man sich auf der Landesebene fraktionsübergreifend in dieser Sache einig: die Speicherung von Kohlendioxid (CO2) an Land und bis unter den Meeresgrund der Ausschließlichen Wirtschaftszone (außerhalb von 12 Seemeilen vor der Küste) wird abgelehnt. In der Ampelkoalition auf Bundesebene hingegen gab es schon länger Überlegungen die Technik zu nutzen.

Als dann im Januar 2023 auch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in den Medien erstmals eine Speicherung von Kohlendioxid in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone für überprüfenswert hielt, forderten die Fraktionen von SSW und SPD gemeinsam per Dringlichkeitsantrag eine Bekräftigung des Landtages seiner bisherigen ablehnenden Haltung. Nach Beratungen im Umwelt- und Agrarausschuss sowie dem beteiligten Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuss lautet die mehrheitlich von CDUSpeicherung von Kohlendioxid, Grünen und FDP getragene Empfehlung, den Antrag abzulehnen.

Strategie des Bundes konstruktiv begleiten

Laut einer in Selbstbefassung vorgelegten Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses, die SPD und SSW ebenfalls nicht mittragen, heißt es: Stattdessen möge man „die Carbon-Management-Strategie des Bundes konstruktiv begleiten“. „Aus unserer Sicht ist CCU und CCS notwendig, um unvermeidbare Restemissionen nicht langfristig in die Atmosphäre zu leiten.“ Eine CO2-Speicherung soll demnach lediglich im Meer seewärts der 12-Meilen-Zone zugelassen, Injektionsstellen in oder CO2-Speicherstätten unter Schutzgebieten, insbesondere im Nationalpark Wattenmeer, sowie einem 8-km-Pufferstreifen um Schutzgebiete herum jedoch ausgeschlossen werden.

Neben der Anpassung des Rechtsrahmens auf Landesebene soll sich das Land im Bundesrat für eine gezielte Förderung der CCU-Technologie einsetzen, sofern diese einen durchgängigen Kreislauf bildet und keine zusätzlichen Emissionen verursacht. Darüber hinaus sei die Schaffung einer CO2-Transportinfrastruktur notwendig. „Vor diesem Hintergrund ist die Änderung des gesetzlichen Rahmens auf Bundesebene zur Schaffung einer CO2-Transport- und Pipelineinfrastruktur sinnvoll und unterstützenswert.“

CCU und CCS

Hintergrund: CCS steht für „Carbon Capture and Storage“ (Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid). Bei diesem Verfahren wird das bei einer Verbrennung freiwerdende CO2 vom Abgasstrom getrennt, verflüssigt und unter der Erde eingeschlossen. Als Speicherorte dienen alte Gas- oder Erdöllagerstätten, salzhaltige Gesteinskörper oder der Meeresuntergrund. Bei der „Carbon Capture and Utilization“ (CCU) wird das abgeschiedene Kohlendioxid einer Nutzung zugeführt. Dabei kann das Kohlendioxid etwa dauerhaft in einem Produkt (zum Beispiel in Baustoffen) gebunden werden.

(Stand: November 2024)

Vorherige Debatten zum Thema:
Januar 2023
Juni 2022

Ausschussempfehlungen

Top 30:
a.) Kein CCS in Schleswig-Holstein und deutschen Küstengewässern in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ)
Bericht und Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses – Drucksache 20/2555
Antrag der Fraktionen von SSW und SPD – Drs. 20/615(neu)
b.) Carbon Management Strategie des Bundes konstruktiv begleiten
Beschlussempfehlung des Umwelt- und Agrarausschusses im Rahmen des Selbstbefassungsrechts – Drucksache 20/2556