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Knapp die Hälfte der Schülerinnen und Schüler schnitt beim mittleren Schulabschluss mit einer Fünf oder einer Sechs ab. Die Opposition spricht von einem „Mathematik-Debakel” und ruft die Landesregierung auf, entgegenzusteuern.
Der Mittlere Schulabschluss (MSA) am Ende des Schuljahres 2023/24 bescherte zahlreichen Jugendlichen schlechte Noten in Mathematik. Nun fordert die Opposition rasche Gegenmaßnahmen. Die Ergebnisse seien „ein echtes Desaster“, denn es gehe um die beruflichen Chancen der jungen Menschen im Lande, klagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt. Er warf der Landesregierung eine Reihe von Versäumnissen vor: Integration und Inklusion funktionierten nicht, die Schulen würden allein gelassen, es falle zu viel Unterricht aus, und es gebe zu wenig Mathelehrer.
Nach Angaben des Bildungsministeriums hatten beim MSA in diesem Sommer fast die Hälfte der rund 9.000 teilnehmenden Jugendlichen ein „mangelhaft“ oder „ungenügend“ in Mathematik. Lediglich ein Viertel kam auf eine 1, 2 oder 3. Ein „sehr gut“ erreichten lediglich 0,9 Prozent. Die Durchschnittsnote lag demnach bei 4,22. Nach Willen von SPD, FDP und SSW sollen künftig auch Lehrer, die Mathematik nur als Vertretung unterrichten, Fortbildungen in diesem Fach absolvieren. Im Mathe-Unterricht sollen probeweise Assistenzkräfte zum Einsatz kommen, die leistungsschwache Schüler unterstützen. Schüler, die eine 5 oder 6 in Mathe im Zeugnis haben, sollen ein Recht auf Förderstunden bekommen.
Das „Recht auf individuelle Nachhilfe“, sei ein „Hamburger Erfolgsmodell“, verwies Martin Habersaat (SPD) auf das sozialdemokratisch regierte Nachbarland. Die Ankündigung der Bildungsministerin, eine zusätzliche Mathestunde einzuführen, sei hingegen nicht zielführend. „Wenn ein Fach in seiner jetzigen Struktur Ängste auslöst, dann ist eine Stunde mehr nicht die Lösung“, so Habersaat: „Wenn jemand Angst vor einer Spinne hat, dann hilft es nicht, eine zweite Spinne daneben zu setzen.“ Das Debakel beginne schon in der Grundschule, so Jette Waldinger-Thiering (SSW). Es gebe Schüler, die dem abstrakten mathematischen Denken grundsätzlich nicht folgen könnten. „Das System Schule muss Mathematik neu denken“, forderte sie: „Mathematik muss greifbar und erlebbar unterrichtet werden.“
Auch die Koalition zeigt sich „besorgt“ und setzt auf eine Weiterentwicklung des „Masterplans Mathematik“, den das Bildungsministerium 2019 aufgelegt hat. CDU und Grüne sprechen sich dafür aus, an der Grundschule eine Extra-Stunde Mathe einzuführen. Es soll eine bessere Prüfungsvorbereitung geben, und Schüler, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, sollen besonders gefördert werden. Martin Balasus (CDU) verwies auf die corona-bedingten Schulschließungen und eine „immer heterogener werdende Schülerschaft“. Der Mathe-Unterricht sei häufig langweilig, wenig motivierend und „zu wenig lebensweltrelevant“. „Die Ergebnisse haben erschüttert, aber sie waren zum Teil erwartbar“, sagte Malte Krüger (Grüne). Mathe sei immer noch ein „Angstfach“. Auch er forderte neue didaktische Ansätze, um „den Spaß für Mathematik zu wecken“.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) kündigte eine Reihe von Maßnahmen an. So soll in allen Klassen in jeder Klassenarbeit ein Wiederholungsteil eingebaut werden, damit Erlerntes nicht vergessen und immer wieder geübt wird. An den 135 Perspektivschulen soll es besondere Förderprogramme geben. Und: Mathe-Lehrer sollen besser aus- und fortgebildet werden. Es gebe aber keinen Beweis, dass sich die Mathe-Leistungen allgemein verschlechtert hätten, so die Ministerin. Die Noten des Mathe-Abis hätten sich im vergangenen Schuljahr sogar verbessert.
Der Bildungsausschuss berät das Thema weiter.
Die Opposition im Landtag ruft die Landesregierung dazu auf, auf „das Mathematik-Debakel 2024“ von Schleswig-Holsteins Schülern beim mittleren Schulabschluss zu reagieren. FDP, SPD und SSW zufolge hatten 3609 Schülerinnen und Schüler bei den jüngsten Abschlussprüfungen eine 5 und 742 sogar eine 6 geschrieben. Das seien mit 47,9 Prozent fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler gewesen. Die Fraktionen regen in einem gemeinsamen Antrag an, eine Fortbildungspflicht für fachfremde Mathe-Lehrkräfte einzuführen, Assistenzkräfte im Unterricht einzusetzen und „das Recht auf Förderstunden, Trainingsstunden oder Sprechstunden für Schülerinnen und Schüler, die auf der Note 5 oder schlechter stehen“.
Die Forderung nach der Fortbildungspflicht für Lehrkräfte unterlegen FDP, SPD und SSW mit der Einschätzung, dass es an den Schulen in den kommenden Jahren Fraktionen nicht ohne den Einsatz von fachfremden Lehrerinnen und Lehrern gehen werde. Die „probeweise“ einzuführenden Assistenzdienste im Mathe-Unterricht könnten Lehramtsstudenten oder pensionierte Lehrkräfte übernehmen, und mit dem „individuellen Recht auf Nachhilfe“ für schlechte Schüler seien der Antragsbegründung zufolge in Hamburg Erfolge erzielt worden.
Auch die Koalitionsfraktion zeigen sich in einem Alternativantrag „besorgt“ über die Prüfungsergebnisse beim Mittleren Abschluss und legen einen noch breiteren Katalog vor, wie Besserung eintreten könne. Im Kern geht es CDU und Grünen dabei zunächst um die „die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung des Masterplans Mathematik aus dem Jahr 2019“, wie es in dem Papier heißt. So solle etwa für Grundschüler weiter auf eine Erhöhung der Unterrichtszeit für Mathematik in der Grundschule um eine Stunde hingewirkt und eine „Mathezeit“ auf der Plattform „its- learning“ mit Matheaufgabenangeboten werden. Auch zur Lehrkraftausbildung enthält der Antrag mehrere Forderungen. Der erste Teil des Antrags endet mit dem Zusatz: „Dass die Wirkung dieser Maßnahmen unterschiedlichen viel Zeit benötigt, erkennt der Landtag an.“
Im zweiten Teil wird der Antrag konkreter und es wird beispielsweise bei der Weiterentwicklung des Masterplans dazu aufgerufen, in allen Klassenstufen in Mathearbeiten einen „Wiederholungsteil zum Feststellen basaler Kompetenzen“ einzubauen, die Schüler „prioritär und verbindlich“ auf Abschlussarbeiten vorzubereiten und etwaig fehlende Sprachkenntnisse auch im Mathematikunterricht weiterzuentwickeln. Grundsätzlich seien die Resultate des Mittleren wie auch des Ersten Schulabschlusses (MSA Und ESA) „weiter zu analysieren und dabei den Einfluss von besonderen Faktoren, wie u.a. die Corona-Pandemie, fachfremd erteiltem Unterricht und veränderter Zusammensetzung der Schülerschaft, zu berücksichtigen“.
(Stand: 14. Oktober 2024)
Vorherige Debatte zum Thema:
Dezember 2023 (Pisa-Studie)
Dezember 2022 (Newsticker, 14.12./16:25)