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„Kleinteilige Struktur“ und Fachkräftemangel: Das Land steht vor großen Herausforderungen bei der Cybersicherheit. Besonders Rathäuser und Stadtwerke stehen im Fokus von Kriminellen, wie im Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuss von Experten berichtet wird.
Durch das Internet kommen regelmäßig Attacken auf Schleswig-Holsteins Infrastruktur: Hacker greifen Unternehmen und Behörden an und versuchen, den Bahnverkehr oder die Strom- und Wasserversorgung lahmzulegen. Dies seien „hybride Attacken, die das Grundvertrauen in den Staat erschüttern sollen“, mahnte Sönke Marahrens vom Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel in einer Anhörung des Wirtschafts- und Digitalisierungsausschusses. Es gehe dabei „um das Erzeugen einer Gesamtunzufriedenheit“. Abgeordnete und Experten nahmen die Lage im Lande unter die Lupe und machten eine Reihe offener Baustellen aus. Anlass der Diskussion war ein Regierungsbericht aus dem vergangenen Jahr.
Die kommunale Ebene, etwa Rathäuser und Stadtwerke, steht besonders im Fokus – da waren sich alle Beteiligten einig. Holger Behrens, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands für den Schutz Kritischer Infrastrukturen (BSKI), forderte mehr „Ganzheitlichkeit“. Es müsse darum gehen, „physische Angriffe“ wie Anschläge, Vandalismus und Sabotage sowie die „hybride Gefahrenlage“ im Cyberraum gemeinsam zu betrachten und sich dagegen zu wappnen. Die SSW- Abgeordnete Sybilla Nitsch erinnerte an die „Verantwortung des Landes für die Kommunen“. Dies sei in Schleswig-Holstein besonders wichtig, denn das Land sei mit seinen mehr als 1.000 Städten und Gemeinden und einer hohen Anzahl an ehrenamtlichen Bürgermeistern sehr „kleinteilig aufgestellt“. „In den Kommunen haben wir teilweise nicht mal IT-Abteilungen, geschweige denn jemanden, der sich um Cybersicherheit kümmert“, monierte auch Bernd Buchholz (FDP).
Eines der größten Probleme ist der Personalmangel. „Wir haben keine Fachkräfte weder in den Unternehmen noch in den Kommunen“, so BSKI-Mann Behrens: „Der Markt ist einfach leer“, und in der Konkurrenz zur freien Wirtschaft gebe es für potentielle Bewerber „keine Anreize“, sich für den öffentlichen Dienst zu entscheiden. Die Kommunen müssten deswegen ihre vorhandenen Mitarbeiter spezialisiert ausbilden, „auch in der oberen Verwaltungsebene bei Bürgermeistern und Landräten“. Ulrich Plate vom Zentrum für digitalen Fortschritt D64 ergänzte: „Mit einer Tarifstruktur, wie sie im Land üblich ist, kann man nicht konkurrieren mit Unternehmen, die selbst auch schon Schwierigkeiten haben, Personal zu finden.“ Kianusch Stender (SPD) forderte, „das Welcome-Center endlich strukturell und finanziell vernünftig auszustatten und Fachkräfte im IT-Bereich anzuwerben“.
Ein weiteres Thema ist die Abhängigkeit von kommerziellen Hard- und Softwareanbietern, über deren Produkte Attacken vorgenommen werden. Marit Hansen, Landesbeauftragte für den Datenschutz, mahnte ein allgemeines „Bewusstsein über Abhängigkeiten“ an. Alle Mitarbeiter müssten auf der Hut sein und eine „innere Motivation“ entwickeln, Gefahren zu erkennen und zu melden. Sönke Marahrens von der Kieler Uni nannte als Beispiel TV-Geräte aus chinesischer Produktion: „Die senden teilweise pro Minute ein Bild nach China.“ Der Weg des Landes, das seine Behördensoftware derzeit von Microsoft-Produkten auf Open-Source-Software umstellt, stieß auf positive Resonanz. Dies sei „der Königsweg“, so Holger Behrens vom BSKI. Auch die EU schlage diesen Schritt für die kritische Infrastruktur vor.
Wie gut ist Schleswig-Holstein ansonsten aufgestellt? Ulrich Plate von D64 nahm den Regierungsbericht aufs Korn: „Anspruch und Wirklichkeit klaffen im Bericht weit auseinander.“ Er enthalte „keinerlei Hinweise“, welche Maßnahmen und welche Finanzmittel genau notwendig seien, „um Schleswig-Holstein zur digitalen Resilienz zu führen“. Der FDP-Abgeordnete Buchholz beantragte, Digitalminister Dirk Schrödter (CDU) zur vertieften Beratung in den Ausschuss zu laden: Dieser sei „aufgefordert, jetzt schnellstmöglich nachzubessern und dem Ausschuss nachprüfbare Zahlen und Fakten zu liefern, da es angesichts der steigenden Bedrohungslage fahrlässig wäre, sich dieser Bedrohungslage nicht vernünftig entgegenzustellen, gerade in den Kommunen“. Die Landesregierung habe „keine Antwort“, kritisierte die SSW-Abgeordnete Nitsch, „weil Kenntnisse schlichtweg fehlen und sie bei dem so wichtigen Thema im Nebel stochert“.
Nelly Waldeck (Grüne) regte an, das Thema IT-Sicherheit in den Informatik-Studiengängen im Lande zu stärken und „Leute besser in diesem Bereich auszubilden“. Derzeit liege die Uni Lübeck in diesem Bereich weit vorne, so Datenschützerin Hansen, während die Kieler Hochschulen Nachholbedarf hätten. Uta Wentzel (CDU) rief dazu auf, die gesamte Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren. So solle es an Schulen Übungen im Umgang mit Katastrophenfällen und hybriden Angriffen geben – „ähnlich wie beim Feueralarm“.