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17. Oktober 2024 – Oktober-Plenum

Landespolitik unterstützt Aufnahme von Jesiden

Die Landesregierung wird beim Bundesinnenministerium auf eine Aufenthaltserteilung für in Schleswig-Holstein lebende Êzîdinnen und Êzîden, besser bekannt als Jesiden, drängen. Dies beschloss das Parlament in großer Einigkeit.

Harms, Lars SSW Plenum
SSW-Fraktionschef Lars Harms: „Das ist heute ein guter Tag für die Êzîdinnen und Êzîden und ein guter Tag für die Humanität“ Foto: Landtag, Sönke Ehlers

Im Lande lebende Jesiden, denen in ihrer irakischen oder syrischen Heimat die Verfolgung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) droht, sollen in Schleswig-Holstein eine dauerhafte Zuflucht finden. Das hat der Landtag einstimmig gefordert. Konkret ruft das Landesparlament das Bundesinnenministerium auf, eine Landesaufnahmeanordnung für Jesiden (auch „Êzîden“ genannt) zu erlassen. Darüber hinaus bittet der Landtag das Berliner Ministerium um einen zeitlich befristeten deutschlandweiten Abschiebestopp für Jesiden.

Die Jesiden bilden eine religiöse Minderheit im Norden Syriens und des Iraks sowie im Süden der Türkei. Der IS hat seit 2014 zahlreiche Jesiden ermordet, versklavt oder aus ihrer Heimat vertrieben. Die Vereinten Nationen und der Bundestag haben die Verfolgung der Jesiden als Völkermord eingestuft. Trotzdem würden Jesiden immer noch abgeschoben, sagte Lars Harms (SSW), der das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Dies gelte nach der Öffnung von Abschiebungsmöglichkeiten insbesondere für irakische Jesiden. Es sei „nicht zumutbar“, so Harms, „Menschen zehn Jahre nach einem Völkermord zurück ins Land der Täter zu schicken“. Er rief die Bundesregierung auf, die Familienzusammenführung für Jesiden zu erleichtern.

„Wir hätten 2014 alle mehr machen müssen“

Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) berichtete, sie habe in einem Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) um Unterstützung für eine Landesaufnahmeanordnung für alle Jesiden gebeten, die zum Stichtag 16. Oktober 2024 in Schleswig-Holstein gelebt haben. Aktuell entscheide das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Einzelfall über den Aufenthalt von Jesiden, seit 2017 werde nicht mehr von einer Gruppenverfolgung ausgegangen. „Die Bedrohung ist noch nicht vorbei“, betonte Seyran Papo (CDU). Jesiden hätten kein eigenes Staatsgebiet, und sie seien auf das Wohlwollen der jeweiligen Regierungen angewiesen.

Viele Jesiden lebten immer noch unter „elenden“ Bedingungen in Flüchtlinmgslagern, so Eka von Kalben (Grüne). Angesichts vermehrter Rückführungen in den Irak in jüngster Zeit steige bei vielen Jesiden in Deutschland die Angst. „Wir hätten 2014 alle mehr machen müssen“, sagte Serpil Midyatli (SPD) – der Völkermord an den Jesiden sei damals zu wenig beachtet worden. Gerade Frauen und Mädchen werde bis heute unvorstellbares Leid angetan, so Midyatli. Sie würden verkauft, vergewaltigt und verschleppt. Noch immer gebe es 2.700 Frauen, „von denen keiner weiß, wo sie sind“. Die SPD-Fraktionsvorsitzende forderte über den Koalitionsantrag hinaus ein Landesaufnahmeprogramm, damit 500 Jesiden aus der Region nach Schleswig-Holstein kommen können.

Integrationsbericht wird im Innenausschuss vertieft beraten

Auch Bernd Buchholz (FDP) unterstütze den Vorstoß. Er wies zugleich darauf hin, dass der Bundesbeauftragte für weltweite Religionsfreiheit, der SPD Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe, von einer verbesserten Sicherheitslage in der Region ausgehe, da die IS-Herrschaft weitgehend zurückgedrängt worden sei.   Zudem fördere das Auswärtige Amt Projekte zum Wiederaufbau und zur Rückkehr in die jesidischen Heimatgebiete. „Wenn die Rückkehr möglich ist“, so Buchholz, „werden wir beim Bundesinnenministerium Schwierigkeiten mit unserem Antrag haben“.

Der Landtag beriet zudem über den Regierungsbericht zu Integration und Teilhabe und überwies ihn an den Innen- und Rechtsausschuss.

Die Fraktionen von SPD und SSW halten Abschiebungen von Êzîdinnen und Êzîden, besser bekannt als Jesiden, in den Irak für nicht verantwortbar und fordern vom Land ein Aufnahmeprogramm, das einen gesicherten Aufenthaltsstatus gewährleistet. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung leben in Deutschland über 150.000 Jesiden. Die Religion war und ist im Nahen Osten oft Verfolgungen ausgesetzt. In Deutschland hat sie eine neue Heimat gefunden. Ein weiteres Thema in der Debatte ist der Strategiebericht der Landesregierung zur Integration und Teilhabe in Schleswig-Holstein.

Das Landesaufnahmeprogramm für Jesiden soll die hier lebenden Angehörigen der Gemeinschaft nicht nur vor Abschiebung in ihre Herkunftsländer schützen, sondern auch die Familienzusammenführung erleichtern. „Während syrische Êzîdinnen und Êzîden als Geflüchtete in Deutschland nach wie vor eine hohe Anerkennungsquote haben, müssen Angehörige der êzidischen Gemeinschaft aus dem Irak wegen der Öffnung von Abschiebungsmöglichkeiten in den Irak insgesamt mit Abschiebung rechnen“, heißt es in dem Antrag der beiden Oppositionsfraktionen.

Bericht zur Integrationsstrategie

In der weiteren Begründung des Antrags wird auf den Völkermord verwiesen, den der sogenannte Islamische Staat (IS) 2014 an den Êzîdinnen und Êzîden im Nordirak verübte. Auch heute sei die Situation alles andere als entspannt. Die Geflüchteten erwarte bei ihrer „Rückkehr in die irakisch-kurdischen Gebiete eine sehr prekäre Situation vor Ort, die die basalen Lebensgrundlagen nicht bietet.“ Das im schwarz-grünen Koalitionsvertrag bereits vorgesehene „Landesaufnahmeprogramm 500“ böte sich besonders gut für Êzîdinnen und Êzîden an.

Das Parlament wird in dieser Debatte zudem die Ausführungen der Landesregierung zu ihrem Bericht zur „Strategie zur Integration und Teilhabe des Landes Schleswig-Holstein“ diskutieren. Bereits Anfang Juni hatte Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) bei Vorstellung des Strategieentwurfs die Entwicklung von mehr als 50 neuen kurz- und langfristigen Maßnahmen angekündigt. „Der Entwurf der Integrationsstrategie zeigt, dass wir bereits gute Strukturen haben, die wir jetzt gezielt weiterentwickeln und insbesondere die Kommunen bei ihrer Integrationsarbeit noch stärker unterstützen wollen“, wurde sie in einer Mitteilung des Ministeriums zitiert. Landesregierung, kommunale Landesverbände und Kommunen hatten sich im Oktober 2023 geeinigt, eine gemeinsame Strategie zur Integration zu entwickeln.

(Stand: 14. Oktober 2024)

Vorherige Debatten zum Thema:
November 2022 (Reform Integrationsgesetz / Newsticker, 24.11./15:50)
Juni 2021 (Integrationsgesetz)
Info:
Zentralrat der Eziden in Deutschland

Antrag

Top 13:
Neues Landesaufnahmeprogramm für Êzîdinnen und Êzîden
Antrag der Fraktionen von SPD und SSW – Drucksache 20/2465(neu)
Alternativantrag der CDU/Grüne – Drucksache 20/2606

Regierungsbericht

Strategie zur Integration und Teilhabe des Landes Schleswig-Holstein
Bericht der Landesregierung – Drucksache 20/2385 
(Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung)