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Als Reaktion auf das mutmaßlich islamistische Attentat in Solingen hat die Landesregierung ein umfangreiches Sicherheitspaket vorgelegt. Ministerpräsident Günther erläutert die Grundzüge und betont den Zusammenhalt mit dem grünen Regierungspartner.
Schärfere Überwachung potentieller Extremisten, raschere Abschiebungen, Vorbeugung gegen islamistische Einflüsse – mit einem 26 Punkte umfassenden „Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention“ reagiert die Landesregierung auf den Terroranschlag von Solingen Ende August wie auch auf die vorherigen Attacken in Brokstedt und Mannheim. „Eines der Kernversprechen des Staates, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sichern, wird von vielen inzwischen angezweifelt“, stellte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einer Regierungserklärung fest: „Wir handeln entschlossen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land zu bewahren.“ Aus SPD und FDP kam grundsätzlicher Zuspruch, der SSW äußerte sich skeptisch zu einigen der geplanten Maßnahmen.
Konkret sollen Polizei und Verfassungsschutz das Internet per Künstlicher Intelligenz nach möglichen Gefahren durchsuchen können. Dabei soll auch eine Gesichtserkennungssoftware zum Einsatz kommen. Hassprediger, islamistische Influencer und Posts mit Bedrohungen sollen in einer landesweiten Datei erfasst werden. Bisher separate Behördendateien sollen vernetzt werden, und es soll ein zentrales Register von Straftätern eingerichtet werden, die abgeschoben werden sollen.
Aber auch eine verstärkte Islamismus-Prävention an den Schulen, in den Justizvollzugsanstalten und im Internet sowie ein erleichterter Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber mit Bleibeperspektive gehören zu dem Paket. So sollen geeignete Bewerber aus den Erstaufnahmeeinrichtungen in Praktika und Jobs vermittelt werden, und ihre Qualifikationen sollen schneller anerkannt werden. „Wir sind ein weltoffenes Land und wollen es bleiben“, betonte Günther. Menschen mit Migrationshintergrund seien ein „wertvoller und wichtiger Teil unserer Gesellschaft“, und „ohne Zuwanderung werden wir unseren Wohlstand in Deutschland nicht sichern“.
Aber das, so Günther, „Gefühl unkontrollierter Einwanderung“ löse bei vielen Menschen Ängste aus. Er hob die Handlungsfähigkeit der schwarz-grünen Koalition in dieser Frage hervor und kündigte mehrere gemeinsame Bundesratsinitiativen mit Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg an, die ebenfalls von CDU und Grünen regiert werden. Dabei geht es um Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, um den Verlust des Schutzstatus bei einer Reise ins Heimatland und um eine bundesweite „Identitätendatenbank“.
Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD) stellte klar: „Es ist unsere Verantwortung, alles daran zu setzen, dass sich solchen Taten nicht wiederholen“. Sie lobte die sozialdemokratische Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die nach der Tat von Solingen schnell reagiert habe und beispielsweise eine Verschärfung des Waffengesetzes und eine bessere Behördenzusammenarbeit auf den Weg gebracht habe. Das Konzept der Landesregierung sei hingegen voller Allgemeinplätze und „mehr oder weniger von NRW abgeschrieben“. Midyatli forderte, die angekündigten Schritte, etwa die Integration durch Arbeit, finanziell zu unterfüttern und mehr Personal bei Polizei und Justiz einzustellen: „Die Maßnahmen müssen sich im Haushaltsentwurf wiederfinden.“
Die Vorschläge der Landesregierung seien „teils sinnvoll, teils überfällig“, aber auch teils „Symbolpolitik“, merkte Christopher Vogt (FDP) an – etwa, wenn eine Vollauslastung der Abschiebehafteinrichtung in Glückstadt versprochen werde. Er vermisse Schritte zur besseren Organisation von Abschiebungen und zu Asylverfahren an den EU-Außengrenzen. Die Politik müsse eine „konsequente Problemlösung anbieten“, so Vogt, um das Vertrauen zurückgewinnen: „Es muss endlich zu einem Wendepunkt in der Asyl- und Zuwanderungspolitik kommen.“ Der FDP-Fraktionschef rief zu einem „Schulterschluss der demokratischen Parteien“ auf: „Wir haben ein Zeitfenster, jetzt zu handeln. In eine paar Jahren könnte es zu spät sein.“
Der Fraktionsvorsitzende des SSW, Lars Harms, appellierte dazu, „aufzupassen, dass sich die Debatte nicht verschiebt“. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, „dass Leute, die von woanders kommen, schlechte Menschen sind und schlecht behandelt werden müssen“. Im Paket der Landesregierung fehle „das wichtigste Wort“, nämlich Integration. So müsse der Zugang zum Arbeitsmarkt auch Menschen offenstehen, die im Lande nur geduldet sind, die aber absehbar lange bleiben werden: „Dann sollen sie eine Chance bekommen.“ Für andere schwarz-grüne Ideen, etwa bei der Gesichtserkennungssoftware, forderte Harms strenge Vorgaben. Er sei dagegen, „dass wir zugunsten der Sicherheit die Freiheit aufgeben“.
Die Koalitionsfraktionen lobten die Initiative der Landesregierung. 72 Prozent der Menschen wünschten sich laut ARD-Deutschlandtrend mehr Befugnisse für die Polizei, sagte Birte Glißmann (CDU). Das Maßnahmenpaket sei eine „wichtige Initiative, die die Polizei im 21. Jahrhundert dringend für ihre Arbeit braucht“. So sei die Funkzellenabfrage bei schweren Verbrechen oft der einzige Hinweis auf den Täter. Auch die Überwachung von verschlüsselten Nachrichten im Netz sei wichtig. Und: „Schnelle und konsequente Abschiebungen gehören zu einem funktionierenden Asylsystem dazu“, so Glißmann.
Wie zuvor bereits Regierungschef Günther hob auch Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter (Grüne) ausdrücklich die „schwarz-grüne Geschlossenheit“ hervor: „Als Koalition zeigen wir, dass dieses Bündnis Zukunft hat.“ Er rief dazu auf, die Debatten über Heimkehrer, Sozialleistungen und Abschiebungen von Straftätern „zielgerichtet und unaufgeregt“ zu führen und nicht alle Muslime „in Sippenhaft“ zu nehmen. Es gelte aber: „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir eine andere Sicherheitslage beim Thema Islamismus haben.“ Der Staat müsse islamistischen Hetzern und Influencern das Handwerk legen, deren Finanzströme ausleuchten, und präventiv in Schulen und Unterkünften gegen eine Radikalisierung vorgehen.
Ein aus 26 einzelnen Maßnahmen bestehendes Paket soll nach dem mutmaßlich islamistischen Messerattentat von Solingen für mehr Sicherheit in Schleswig-Holstein sorgen. Einzelheiten zu dem von CDU und Grünen am 17. September beschlossenen Maßnahmen „in den Bereichen Sicherheit, Migration und Prävention“ will Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) im Rahmen einer Regierungserklärung im Plenum erläutern. Ein Schwerpunkt ist dabei der Umgang mit ausländischen Mehrfach- und Intensivtätern, die künftig konsequenter abgeschoben werden sollen. Dafür soll es künftig zentralere Zuständigkeit geben. Zudem ist eine personelle Aufstockung der Ausländerbehörden geplant.
Weiter plant das Land mehr Möglichkeiten für die Polizei bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz, den Einsatz von Gesichtserkennungs-Software beim Abgleich mit Datenbanken und Erleichterungen beim Datenaustausch unter Behörden. Schwarz-Grün will islamistische Prediger und Influencer stärker in den Fokus nehmen, und der Verfassungsschutz soll mehr Kompetenzen erhalten, unter anderem im Bereich der Funkzellenabfragen und bei dem Zugriff auf Videoüberwachungskameras. Im Bereich der Integration ist vorgesehen, Geflüchtete schneller in Arbeit zu bringen. Künftig sollen Menschen mit guter Bleibeperspektive in den Erstaufnahmen vorbereitet werden, um bei der späteren Verteilung auf die Kommunen eine Aussicht auf ein Praktikum, eine Ausbildung oder einen sozialversicherungspflichtigen Job zu haben.
Das Sicherheitspaket wurde am Tag einer gemeinsamen Kabinettssitzung mit Nordrhein-Westfalen in Kiel verabschiedet. Die schwarz-grünen Bündnisse im Norden und in NRW verständigten sich darauf, gemeinsame Bundesratsinitiativen im Bereich der Migrations- und Sicherheitspolitik zu starten. Die Herausforderungen der veränderten Sicherheitslage könnten nicht in den eigenen Landesgrenzen gelöst werden ‒ für zentrale Themen brauche es bundesweit einheitliche Lösungen, hieß es nach der Kabinettssitzung.
(Stand: 23. September 2024)
Vorherige Debatte zum Thema:
Januar 2024
Top 1:
,,Maßnahmenpaket in den Bereichen Sicherheit, Migration und
Prävention"
Regierungserklärung – Drucksache 20/2506