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Ein Bekenntnis gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus soll in Schleswig-Holstein Voraussetzung für die Gewährung von öffentlichen Zuwendungen werden. Opposition sieht juristische Fallstricke im Entwurf der Koalitionsfraktion.
Wer Fördergelder des Landes abschöpfen will, etwa im Bereich Kunst und Kultur, muss möglicherweise in Zukunft ein Bekenntnis zu gesellschaftlicher Vielfalt und gegen Antisemitismus abgeben. CDU und Grüne haben dem Landtag vorgeschlagen, eine „Antidiskriminierungsklausel“ in die Landeshaushaltsordnung einzufügen. Demnach kann die Gewährung von Zuwendungen unter die Bedingung gestellt werden, dass die Empfänger sich „zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennen und gegen jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung stellen und jede Form von Antisemitismus ablehnen“. Die Opposition zeigte sich mit der Stoßrichtung einverstanden, mahnte jedoch eine juristisch wasserdichte Formulierung an. So sei der Ausdruck „vielfältige Gesellschaft“ ein „unbestimmter Rechtsbegriff“.
Der Staat dürfe in seiner Förderpraxis keine „unbeschränkte Toleranz“ gegenüber Extremisten an den Tag legen, mahnte Marion Schiefer (CDU). Zwar berühre der Gesetzentwurf die grundgesetzlich geschützte Kunst- und Meinungsfreiheit. Dieser Eingriff sei aber gerechtfertigt, um andere hohe Rechtsgüter zu schützen. Uta Röpcke (Grüne) verwies auf die Kunstausstellung „Documenta“ in Kassel im Jahr 2022, die von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet war. Es müsse „gesamtgesellschaftlich formulierte rote Linien“ gegen derartige Tendenzen geben. Der Hamas-Überfall auf Israel im vergangenen Oktober, so Bildungsministerin Karin Prien (CDU), sei der „Beginn eines weltweiten Kriegs gegen alle Juden“ gewesen. Darauf müsse das Land „mit Worten und Taten“ reagieren.
SSW und FDP haben Änderungsanträge vorgelegt, in denen sie einen direkten Bezug zu den verfassungsmäßigen Grundrechten herstellen. Dazu zählen für den SSW die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Diskriminierungsverbot und der Schutz nationaler Minderheiten. Der von der Koalition ins Spiel gebrachte Vielfaltsbegriff sei „juristisch auslegbar und angreifbar“, sagte der Fraktionsvorsitzende Lars Harms: „Jeder stellt sich etwas Anderes darunter vor“. Zudem stelle die Pflicht zu einem bestimmten Bekenntnis einen „Generalverdacht“ und einen „Eingriff in die negative Meinungsfreiheit“ dar – nämlich in die Freiheit, eine Meinung nicht zu äußern.
„Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“, monierte Annabell Krämer (FDP) mit Blick auf das schwarz-grüne Papier. Als „klare juristische Definition“ schlagen die Freidemokraten einen Bezug auf das Diskriminierungsverbot und die Glaubensfreiheit vor, wie sie im Grundgesetz verankert sind. Es sei zwar ein „sympathisches Ansinnen“, so Martin Habersaat (SPD), sich „das Gut-Sein bescheinigen zu lassen“, aber der Versuch könne nur „zu kurz greifen“. Er verwies auf Berlin, wo ein ähnliches Gesetz beschlossen wurde – und wegen rechtlicher Unklarheiten nur einen Monat in Kraft gewesen sei.
Die drei Entwürfe werden im Innen- und Rechtsausschuss sowie im Finanz- und im Bildungsausschuss weiter beraten.
Wenn das Land Kulturprojekte fördert, dann können die zuständigen Stellen wohl bald von den Mittelempfängern ein Bekenntnis zur Vielfalt und gegen Diskriminierung verlangen. CDU und Grüne legen dem Landtag einen Entwurf zur Änderung der Landeshaushaltsordnung vor, der eine „Antidiskriminierungsklausel“ vorsieht. Demnach kann die Gewährung von Zuwendungen unter die Bedingung gestellt werden, dass die Kulturschaffenden sich „zu einer vielfältigen Gesellschaft bekennen, sich gegen jedwede Diskriminierung und Ausgrenzung stellen und jede Form von Antisemitismus ablehnen“. Die Landesbehörden können laut dem Gesetzentwurf verlangen, dass eine entsprechende Erklärung abgegeben wird.
In der Begründung verweisen CDU und Grüne darauf, dass eine solche Aufforderung durchaus einen „Eingriff in die Meinungsfreiheit“ darstellen kann. Denn zur Meinungsfreiheit gehöre auch „das Recht, eine Meinung nicht zu haben oder nicht zu äußern“. Zudem wird darauf verwiesen, dass die Begriffe „vielfältige Gesellschaft, Diskriminierung, Ausgrenzung, Antisemitismus“ unbestimmte Rechtsbegriffe seien. Daher sei es „sinnvoll“, diese Frage per Gesetzesänderung zu regeln und zugleich die entsprechenden Begriffe zu definieren.
Gemäß dieser Definition fällt unter den Begriff „vielfältige Gesellschaft“ der „Abbau von Benachteiligungen und Ausgrenzung aufgrund des Geschlechts, der Nationalität, ethnischer Herkunft, von Religion und Weltanschauung, von Behinderung, von Alter, sexueller Orientierung und Identität“. Diskriminierung wird definiert als ein Umfeld, „das von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnet ist“.
In seinem Änderungsantrag kritisiert der SSW diese Formulierungen der Koalition: Es wäre „willkürlich“, die Mittelvergabe an konkrete politische Ziele und an unbestimmte Rechtsbegriffe zu knüpfen. Zudem sei es ein verfassungswidriger Eingriff in die Meinungsfreiheit, eine schriftliche Erklärung zu verlangen. Stattdessen empfiehlt der SSW, staatliche Kulturförderung nur an Personen und Institutionen zu zahlen, „von denen bekannt ist oder von denen offensichtlich ist“, dass sie sich zu den Grund- und Menschenrechten bekennen, die im Grundgesetz und in der Landesverfassung festgeschrieben sind. Dazu zählen für den SSW die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Diskriminierungsverbot aufgrund von Abstammung und Herkunft, die Glaubensfreiheit und der Schutz nationaler Minderheiten. Zudem will der SSW den Schutz pflegebedürftiger Menschen und den Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Katalog mit aufnehmen.
(Stand. 15. Juli 2024)
Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
November 2023 (1. Lesung Antidiskriminierungsgesetz)