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Die Kitas im Land haben diverse Probleme und eine Finanzierungslücke. Jetzt stellt die Sozialministerin Eckpunkte für eine zum Jahresende geplante Reform vor. Und sie verspricht, auf eine Erhöhung der Elternbeiträge zu verzichten.
Das Ziel sei klar: jedes Kind im Land müsse die gleichen Chancen auf frühkindliche Bildung haben. Deshalb müsse man „das Kita-System an die Realität anpassen“. In ihrer Regierungserklärung zum Abschlussbericht der Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes skizzierte Sozialministerin Aminata Touré heute einen Zehn-Punkte-Plan zum weiteren Vorgehen bei der Lösung der Finanzierungs- und Fachkräfte-Problematik – quasi ein erster Aufschlag für die zum Jahresende geplante Kita-Reform.
So werde unter anderem auf eine Erhöhung der Elternbeiträge verzichtet, die Finanzierungslücke von 120 Millionen Euro soll von Land und Kommunen in gleichen Teilen getragen werden und durch eine Änderung des Betreuungsschlüssels für einen flexibleren Einsatz des Personals wird eine Linderung des Mangels an Fachkräften angestrebt. Über Bürokratieabbau und eine Reduzierung der Standards sollen Kosten eingespart werden, das vorhandene Finanzierungssystem werde beibehalten. Dies sei ein wichtiger Schritt zu einem verlässlicheren Kita-System nach dem Motto: „Weniger Kontrolle, mehr Vertrauen“, so Touré.
In der Aussprache zu der Regierungserklärung lobte Christian Dirschauer (SSW) zunächst prinzipiell die angestrebte Kita-Reform. Aber das Kita-System funktioniere nicht so, „wie wir Eltern es uns wünschen“. Kurzfristige Ausfälle von Personal und Schließungen seien weiterhin gängig und nicht akzeptabel. „Die Kita-Beiträge werden nicht weiter gesenkt, das Versprechen halten sie nicht ein“, monierte Dirschauer zudem. Die Haltung des SSW sei in der Langfristperspektive eine kostenfreie Bildung von der Kita bis zum Studium für alle Menschen im Land, unabhängig von finanzieller Lage.
Auch SPD-Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD) beklagte, dass die Regierung trotz Ankündigung die Kita-Beiträge nicht senkt. „Familien haben sich darauf verlassen, dass sie sich an ihr eigenes Gesetz halten.“ Durch Kita-Schließungen aufgrund von Krankheit und Personalmangel seien Frauen einmal mehr die Benachteiligten, wenn sie wieder zu Hause bleiben müssten, um ihre Kleinen zu betreuen. Regierungschef Günther persönlich müsse als „Schönwetterkapitän des Landes auf die Brücke“, um etwa die Finanzierungsfragen zu klären, so Midyatli. Weiterhin forderte sie eine Beteiligung des Landes an der Fachkräfteoffensive des Bundes.
Tobias Koch (CDU) betonte, die dramatische Dimension der Finanzierungslücke von 120 Millionen Euro sei eine erschreckende Erkenntnis gewesen. Er sieht die Verantwortung bei allen Partnern der ehemaligen Jamaika-Koalition. „Wir brauchen Veränderungen innerhalb des Kita-Systems selbst“, so Koch. Vorschriften streichen Standards reduzieren, die Bürokratie abbauen und damit die Lücke überwiegend schließen, das sei die Präferenz. „Wir müssen akzeptieren, dass wir Abstriche an der Reform von 2021 vornehmen müssen.“ Die schlechteste Kita sei eine geschlossene Kita.
„Eine Antwort der Landesregierung, die die Kitas und die Tagespflege stärkt und notwendige Flexibilität gibt und die Kommunen entlastet und die Elternbeiträge nicht erhöht – das ist ein gutes Paket“, sagte Catharina Nies von den Grünen. Das Finanzierungssystem bleibe bestehen, die Elternbeiträge würden nicht erhöht, das gebe Sicherheit und Verlässlichkeit. „Das Land und die Träger und die Gemeinden schaffen ein stabiles Kitasystem.“ Sie erhoffe sich ab 2025 endlich Ruhe im System, damit die Konzentration wieder auf das Wohl der Kinder und ihre Entwicklung gelenkt werden könne.
„Es geht um die Zukunft und die besten Startchancen für die kleinen Menschen“, sagte Heiner Garg (FDP) und lobte den Bericht der Sozialministerin „in Ton, Form und Klarheit“. Allerdings habe die Koalition bis heute nicht das geliefert, was im Koalitionsvertrag stehe. Empört zeigte Garg sich über aktuelle Äußerungen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Koch in den Medien, wonach die Finanzierungslücke unter anderem durch falsche Berechnungen Gargs als damaliger Sozialminister und eine „grundlegende Fehlkalkulation der Kitareform“ entstanden sei. „Wenn krasse Unwahrheiten verbreitet werden, dann, Herr Kollege Koch, tun wir uns alle keinen Gefallen.“
Die Probleme rund um die Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein sind vielschichtig: Personalmangel, zu wenig Geld, mehr als 15.000 fehlende Kita-Plätze und unlängst eine Studie, die besagt, dass die meisten Kinder nicht kindgerecht betreut werden können. Erst im vergangenen Dezember hatte der Landtag deswegen eine Stellungnahme und Konsequenzen von der Regierung gefordert – die hatte auf eine Fachkräfteinitiative und eine vorgezogene Reform der Kita-Finanzierung um ein Jahr gesetzt. Wenige Tage vor der Aussprache hat Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) eine Regierungserklärung zum Thema angekündigt. Auch der SSW hatte einen Regierungsbericht gefordert.
Anfang dieses Monats hatte Touré Ergebnisse der Evaluation der Kita-Reform von 2020 vorgelegt, das Fazit: Es fehlen 120 Millionen Euro für Krippen und Kitas im Norden. „Das Land wird sich bei der Schließung der Lücke beteiligen“, sagte die Ministerin, die Landesregierung sei dazu in intensiven Gesprächen mit Kommunen, Trägern und Elternvertretungen. Unklar blieb, ob Eltern höhere Kosten für die Betreuung ihrer Kinder in Krippen und Kitas drohen. In einem gemeinsamen Antrag der Opposition verlangen SPD, FDP und SSW die aktuellen Kita-Beiträge nicht zu erhöhen. „Familien dürfen nicht weiter finanziell belastet werden“, heißt es im Antrag. Das Ziel müsse es weiter sein, die frühkindliche Bildung kostenfrei zu gestalten. In einem Alternativantrag fordern CDU und Grüne, dass der statische Elternbeitragsdeckel erhalten bleiben und die Elternbeiträge nicht erhöht werden sollen. An der derzeitig geltenden Finanzierungssystematik (sog. Übergangssystem) will man festhalten, anstatt diese, wie aktuell gesetzlich vorgesehen, zum 1. Januar 2025 zu ändern.
Die Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (LAG SH) reagierte mit Sorge auf die Entwicklung. „Auf der einen Seite haben wir jetzt Planungssicherheit für die nächsten Jahre und können auf dieser Basis ein verlässliches Kita-Angebot unterbreiten“, sagte die Vorsitzende Anette Langner. „Auf der anderen Seite hat die Evaluierung gezeigt, dass die Kita-Reform wesentliche Ziele nicht erreicht hat.“ Kritisch sehe die LAG SH, dass ein erheblicher Teil der Finanzierungslücke über die Absenkung von Qualitätsstandards erwirtschaftet werden soll.
Hintergrund: Die Vorgängerregierung aus CDU, Grünen und FDP (Jamaika-Koalition) hatte in ihrer Kita-Reform 2020 eine verbindliche Überprüfung verankert. Die damalige Regierung machte durch eine landesweite Deckelung der Elternbeiträge Schluss mit teils sehr hohen Kita-Gebühren. Diese gehörten zuvor in der Spitze zu den höchsten in Deutschland. Es gab dabei große regionale Unterschiede. Die Landesregierung führte einen monatlichen Beitragsdeckel pro Betreuungsstunde ein. Das führte für eine fünfstündige Betreuung eines U3-Kindes zu maximal 145 Euro im Monat und zu höchstens 232 Euro bei acht Stunden täglich. Bei Kindern über drei Jahren sind es 141 (fünf Stunden) und 226 Euro (acht Stunden).
(Stand: 21. Mai 2024)
Vorherige Debatten zum Thema:
Februar 2024
Dezember 2023
Top 1A:
„Ergebnisse und Auswirkungen des Abschlussberichts der Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes“
Regierungserklärung – Drucksache 20/2160
Top 24:
Mündlicher Bericht über die Ergebnisse und Auswirkungen des Abschlussberichts der Evaluation des Kindertagesförderungsgesetzes (KiTaG)
Antrag der Fraktion des SSW – Drucksache 20/2091
Top 29:
Keine Erhöhung der Kita-Beiträge
Antrag der Fraktionen von SPD, FDP und SSW – Drucksache 20/2109(neu)
Alternativantrag von CDU und Grünen – Drucksache 20/2170