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Gut zwei Wochen vor der Wahl zum europäischen Parlament am 9. Juni hat sich der Landtag parteiübergreifend zur europäischen Einigung bekannt. Die EU sei ein „Glücksfall“ und ein Garant für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand, heißt es in einem gemeinsamen Wahlaufruf. Redner aller Fraktionen warnten mit dem Blick auf den Urnengang vor Extremisten und Populisten und riefen zugleich die Institutionen in Brüssel auf, lebensnäher und weniger bürokratisch zu agieren. Es wurden aber auch Unterschiede in der Europapolitik deutlich.
Europaminister Werner Schwarz (CDU) blickte auf die jüngsten Proteste von Landwirten und die Vorbehalte in der Wirtschaft gegen die Lieferkettenrichtlinie. Er beklagte eine „zunehmende Bürokratisierung“. Gerade im ländlichen Raum herrsche der Eindruck vor, „dass die EU für neue Belastungen sorgt“. Bürokratieabbau sei „der Schlüsselbegriff“ so Schwarz.
Demgegenüber warnte Eka von Kalben (Grüne), dass sich hinter dem Ruf nach „Bürokratieabbau“ oft ein verschleierter Wunsch nach „Standardabbau“ verberge. Die Umweltauflagen des European Green Deal seien jedoch „mit großer Mehrheit verabschiedet“ worden und dienten dem Klimaschutz.
„Europa muss für seine 400 Millionen Menschen wieder erlebbarer werden“, forderte Heiner Garg (FDP) und mahnte ebenfalls Bürokratieabbau an. Zugleich rief er dazu auf, „immer wieder den Klischees und Vorurteilen über die EU entgegentreten“ – etwa der oft zitierten angeblichen Bestimmung über die Krümmung von Gurken oder dem vermeintlich aus Brüssel vorgeschriebenen Rezept für Lübecker Marzipan. Europa sei „seit sieben Jahrzehnten das größte Friedensprojekt dieses Kontinents“, so Garg.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli warf der Landesregierung vor, keinen „Gesamtplan“ in der Europapolitik zu haben: „300.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit ersetzen keine konkreten Maßnahmen.“ Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sei bei europäischen Themen „nicht sichtbar“. Demgegenüber lobte Midyatli SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz – dieser sei „im Maschinenraum und arbeitet die Probleme ab“.
Dem widersprach Rasmus Vöge (CDU). Die Bundesregierung könne sich häufig nicht einigen und enthalte sich bei Abstimmungen im Europäischen Rat oft der Stimme. Vöge bezeichnete den europäischen Binnenmarkt als „Stabilitätsanker unserer Wirtschaft“, unterstrich die Bedeutung der europäischen Forschungsverbünde für die heimischen Universitäten und bilanzierte: „Schleswig-Holstein profitiert von Europa.“
Geschlossen forderte der Landtag die Ernennung eines Kommissars für nationale Minderheiten, die Errichtung einer EU-Institution für Regional- und Minderheitensprachen sowie mehr Flexibilität bei der Aufnahme von Minderheitensprachen als Amtssprachen in der EU. Jette Waldinger-Thiering (SSW) rief die EU-Kommission auf, sich „endlich zu ihrer Verantwortlichkeit für die nationalen Minderheiten zu bekennen“. Mehr als 50 Millionen Menschen gehörten einer kulturellen Minderheit an, und viele würden in ihren Heimatstaaten diskriminiert. „Die EU muss einschreiten, wenn Nationalstaaten die Minderheitenrechte verletzen“, so Waldinger-Thiering.
Ein Zankapfel war die Mitgliedschaft Schleswig-Holsteins in der Konferenz der Peripheren Küstenregionen und einer ihrer Unterabteilungen, der Nordseekommission. Das Land will sich daraus zurückziehen, um Kosten zu sparen. SPD und SSW kritisierten diesen Schritt: Die Mitgliedschaft sei „von enormer Bedeutung“ für die Klima-, Infrastruktur- und Wirtschaftspolitik. „Es ist falsch jetzt auszusteigen“, sagte Marc Timmer (SPD) und sprach von einem „strategischen Fehler, der Schleswig-Holstein nicht guttut“.
CDU und Grüne verteidigten den Ausstieg: Die Ziele des Landes ließen sich auch ohne KPKR erreichen. Bremen sei stellvertretend für die anderen Anrainer-Bundesländer dabei, so Uta Wentzel (CDU) – Schleswig-Holstein konzentriere sich auf andere Gremien.
Am Ende wurden Anträge von SPD/SSW sowie der FDP mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. Schwarz-Grün beschloss stattdessen einen eigenen Antrag unter dem Titel „Schleswig-Holstein für ein starkes Europa“.
Die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages starten einen Aufruf zur Teilnahme an der Europawahl am 9. Juni. In einem von SPD, CDU, Grünen und FDP unterschriebenen Antrag wird die EU als „Glücksfall“ bezeichnet. „Der Schleswig-Holsteinische Landtag betont die besondere Bedeutung der Europawahl für die Zukunft der EU in Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“, heißt es weiter.
Der Wahlaufruf ist Teil einer großen europapolitischen Debatte, die mehrere, parteipolitische Anträge zum Stellenwert der EU sowie die von allen Fraktionen getragene Forderung nach mehr Minderheitenschutz als Grundlage hat. Außerdem wird seitens der SPD und des SSW ein Verbleib Schleswig-Holsteins in der Nordseekommission verlangt.
In drei europapolitischen Grundsatzanträgen betonen die Fraktionen in unterschiedlichen Nuancen den Erfolgsgaranten eines demokratischen Europas, melden aber auch Reform- und Handlungsbedarfe an. So regt etwa Schwarz-Grün unter anderem ein sicherheitspolitisches Umdenken an, während die FDP eine wirtschafts- uns arbeitsmarktpolitische Weiterentwicklung fordert und SPD und SSW den Fokus auf soziale und gesellschaftliche Aspekte legen. Ferner empfiehlt der Europaausschuss die Kenntnisnahme des aktuellen Europaberichts. Ein Schwerpunkt der europapolitischen Aktivitäten der Landesregierung bildete die Vorbereitung und Durchführung des Vorsitzes Schleswig-Holsteins in der Europaministerkonferenz, den Europaminister Werner Schwarz (CDU) zum 1. Juli 2023 für ein Jahr übernommen hat.
Bei der Europawahl sind insgesamt rund 2,52 Millionen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner am 9. Juni aufgerufen, ihr Kreuz auf dem Stimmzettel machen. Erstmals dürfen in Deutschland auch 16- und 17-Jährige wählen. Deutschland stehen 96 der 720 Abgeordnetenplätze im Europaparlament zu. Um diese 96 Mandate bewerben sich 1413 Kandidatinnen und Kandidaten von 35 Parteien und politischen Vereinigungen. Anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen gibt es bei der Europawahl keine Sperrklausel von fünf Prozent. Bei der Europawahl 2019 reichten der schwächsten Partei bereits 240.000 Stimmen (rund 0,7 Prozent), um noch einen Sitz zu bekommen. Damals zogen aus Deutschland 14 Parteien und politische Vereinigungen ins Europaparlament ein.
Schleswig-Holstein will sich nach einem Bericht der Tageszeitung „Kieler Nachrichten“ aus der Konferenz der Peripheren Küstenregionen (KPKR) und damit auch aus der Nordseekommission zurückziehen. „Die ursprünglich im Rahmen der KPKR angedachte EU-Nordseestrategie wird derzeit und in absehbarer Zeit von keinem EU-Mitgliedstaat verfolgt“, wird Europaminister Schwarz Anfang März in der Zeitung zur Begründung zitiert. Der Austritt spare jährlich 45.000 Euro. Die SPD-Landtagsfraktion kritisiert dies und bringt das Thema in den Landtag ein.
In der Begründung des Antrags heißt es: „Die Nordseekooperation ist für Schleswig-Holstein von enormer Bedeutung für die anstehenden notwendigen Transformationsprozesse in Bereichen Klimaschutz, Wirtschaftsentwicklung und Industriepolitik, Schaffung neuer nachhaltiger Arbeitsplätze, Ausbau der Erneuerbaren Energien, nachhaltiger (Schiffs-)verkehr, Hafenentwicklung und Fischerei.“
In einem weiteren der Debatte zugrundeliegenden Antrag ruft der SSW die EU-Kommission dazu auf, dass sie „ihre Verantwortung für den Schutz und die Förderung der nationalen Minderheiten in der EU anerkennt und wahrnimmt“. So erneuert die Vertretung der Dänen und Friesen im Landtag ihre Forderung nach der Ernennung einer Kommissarin oder eines Kommissars für nationale Minderheiten, der Errichtung einer EU-Institution für Regional- und Minderheitensprachen sowie für mehr Flexibilität bei der Aufnahme von Regional- und Minderheitensprachen als Amtssprachen in der EU. Eine Woche vor Beginn der Mai-Tagung schlossen sich CDU, Grüne und SPD dem Antrag an.
Ferner werden in dem Antrag der vier Fraktionen unter anderem Maßnahmen gegen Diskriminierung von nationalen Minderheiten, die Abschaffung des Geoblockings oder die Förderung der sozialen Gleichstellung und Inklusion von staatenlosen Minderheiten, wie etwa der Roma, genannt. „Obwohl die EU-Kommission behauptet, dass aktuelle Maßnahmen bereits den Schutz und die Förderung von Minderheiten umfassen, ist dies nicht ausreichend“, heißt es in der Begründung des zweiseitigen Antrags. Unter anderem gebe es keine regelmäßige Überprüfung, ob die zu den EU-Grundwerten zählenden Rechte von Angehörigen von Minderheiten eingehalten werden.
(Stand: März, April, Mai 2024)
Vorherige Debatten zum Thema Minderheiten und Europapolitik:
März 2024
Februar 2024
Vorlage Europabericht:
März 2024 (ohne Aussprache / ohne Meldung in plenum-online)
Infos zu Nordseekommission:
Website Landesregierung
Top 17:
Schleswig-Holstein muss Mitglied in der Nordseekommission bleiben!
Antrag der Fraktionen von SPD und SSW – Drucksache 20/1950(neu)
Alternativantrag von CDU und Grünen – Drucksache 20/2166
Top 22:
Ein Europa für alle – Die EU muss nationale Minderheiten endlich unterstützen!
Antrag der Fraktionen von SSW, CDU, B´90/Die Grünen, SPD und FDP – Drucksache 20/2030(neu, 2. Fassung)
Top 30:
Den Zusammenhalt in Europa stärken
Antrag der Fraktionen von SPD und SSW – Drucksache 20/2110(neu)
Top 34:
Europa unbedingt und mit voller Energie
Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 20/2134
Top 37:
Schleswig-Holstein für ein starkes Europa
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen – Drucksache 20/2140
Top 44:
Die Zukunft Europas mitbestimmen – Aufruf zur Teilnahme an der Europawahl 2024
Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, B´90/Die Grünen und FDP – Drucksache 20/2147
Top 50:
Schleswig-Holstein in Europa – Europapolitische Schwerpunkte (Europabericht 2023/2024)
Bericht der Landesregierung – Drucksache 20/1945
Bericht und Beschlussempfehlung des Europaausschusses – Drucksache 20/2049