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Um die Schuldenbremse und die Frage, darf sie unter welchen Voraussetzungen gelockert werden, wird seit Monaten bundeseit strittig diskutiert. In Kiel schieben die SPD, FDP SSW eine Neugestaltungsdebatte an.
Das Bundesverfassungsgericht hat im vergangenen November enge Grenzen für die staatliche Verschuldung gesetzt – nun kommen aus der Opposition verschiedene Vorstöße zur Lockerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung. Angesichts von Krisen und Investitionsstau will der SSW künftig Kredite in Höhe von 0,15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestatten. Im Lande ist dies nicht möglich, die Verfassung schreibt im Grundsatz ausgeglichene Haushalte vor. Die SPD will das Schulden-Limit sogar auf ein Prozent des BIP anheben. Auch die FDP plädiert für „flexiblere Verschuldungsspielräume in der Rezession“. Die Grünen reagierten wohlwollend, die CDU ablehnend. Nun berät der Finanzausschuss.
Das Grundgesetz und der EU-Fiskalpakt böten Spielräume für die Länder, so Lars Harms (SSW). Schleswig-Holstein könne jedes Jahr Kredite von rund 170 Millionen Euro aufnehmen. Das Extra-Geld dürfe „nicht für Wahlgeschenke verschleudert“ werden, sondern müsse in Investitionen fließen. Harms verwies auf die aktuelle 130-Millionen-Euro-Lücke im Kita-Bereich, auf Tarifsteigerungen und auf sanierungsbedürftige Krankenhäuser: „Unserer Infrastruktur droht zunehmend der Verfall.“
„Um die Zukunftsaufgaben des Staates zu erfüllen, muss die Schuldenbremse dringend reformiert werden“, sagte Serpil Midyatli (SPD): „Wäre es nicht klüger, jetzt die Küsten zu schützen und neue Deiche zu bauen, als sie erst nach der nächsten Sturmflut zu reparieren?“ Die Schuldenbremse enge die Politik zu stark ein und sei „keine heilige Kuh“. „Enorme Investitionen sind jetzt nötig“, befand auch Oliver Brandt (Grüne) mit Blick auf Schienenverkehr, Bildung und Klimaschutz. „Wenn wir jetzt nicht investieren, kommt uns das langfristig noch teurer zu stehen“, so Brandt. Es gehe darum, das Land zukunftsfest zu machen, ohne die öffentlichen Haushalte zu sehr mit Zinsen zu belasten – „das ist der Spagat“.
„Die Schuldenbreme muss bleiben“, betonte Ole Plambeck (CDU). Die Folge einer lockeren Verschuldungspolitik seien Zinszahlungen im Milliardenbereich. Plambeck verwies darauf, dass Schleswig-Holstein bereits mit mehr als 31 Milliarden Euro in der Kreide stehe: „Kredite können grundsätzlich keine Dauerlösung sein.“
„Wir haben in der Landesregierung unterschiedliche Auffassungen“, stellte Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) fest und warb für eine Reform der Schuldenbremse, „damit sie auch künftig trägt“. Sie bekundete Sympathie für den SSW-Vorschlag, die Möglichkeit einer Kreditaufnahme von 0,15 Prozent des BIP zu nutzen. Damit stünde dem Land ein zusätzlicher Spielraum von 190 Millionen Euro zur Verfügung. Auch die vom Verfassungsgericht angemahnte Bindung von Notkrediten an das jeweilige Haushaltsjahr sah Heinold kritisch: „Krisen kennen kein Kalenderjahr.“
Annabell Krämer (FDP) machte sich für eine flexiblere Regelung stark und schlug vor, eine Investitionsquote von zwölf Prozent in der Verfassung zu verankern. Im Haushalt 2023 waren es 10,6 Prozent. In Zeiten der Rezession müssten mehr Schulden möglich sein, die dann „spiegelbildlich“ in Wachstumsphasen zurückgezahlt werden sollen. „Per Saldo dürfen nach mehrjähriger Betrachtung keine zusätzlichen Schulden herauskommen“, so Krämer.
Die Oppositionsfraktionen SSW und SPD wollen die Schuldenbremse etwas lösen und die Bundesregelung auf die Bundesländer übertragen. Beide Fraktionen geben in getrennten Anträge das Ziel aus, dass auch die Länder künftig strukturelle Kredite abhängig vom Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen können, so wie es der Bund bereits darf. Auf Bundesebene liegt die Marke bei 0,35 Prozent. Der SSW will eine Öffnung in Höhe von 0,15 Prozent des BIP und nennt die Bedingung, dass dabei „eine Investitionsquote im Landeshaushalt in Höhe von mindestens zehn Prozent eingeplant und nach Haushaltsabschluss auch erreicht wird“. Die Landesregierung wird aufgerufen, eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Änderung der Schuldenbremse im Grundgesetz auf den Weg zu bringen.
Der SSW folgert in seinem Antrag daraus: „Würde eine ähnliche Regelung wie die Bundesregelung zur Schuldenbremse auch für die Länder gelten, so würde es dem Land Schleswig-Holstein ermöglicht, Kredite in Höhe von bis zu rund 170 Millionen Euro aufzunehmen. „Wichtig ist, dass diese neue Option dann auch tatsächlich für Investitionen zum Erhalt unserer Infrastruktur genutzt wird und nicht für konsumtive Ausgaben und Wahlgeschenke“, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms bei der öffentlichen Vorstellung des Antrags Ende Januar.
Auch die SPD fordert in einem später vorgelegten Antrag eine Weiterentwicklung der bestehenden verfassungsrechtlichen Schuldenbremse für Bund und Länder. Wie der SSW argumentieren die Sozialdemokraten damit, Spielraum für Zukunftsinvestitionen zu eröffnen. Der Schuldenstand müsse im Vergleich zur Wirtschaftsleistung bei der Neuverschuldung angemessener berücksichtigt werden können, heißt es weiter. Eine Neuverschuldung soll künftig in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts möglich sein – sowohl auf Bundes- wie auf Länderebene.
Zur Begründung führt die SPD an, dass die Schuldenbremse nicht zwischen volkswirtschaftlich rentablen Zukunftsinvestitionen und konsumtiven Ausgaben unterscheide. „Damit verhindert die verfassungsrechtliche Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form, dass der Staat verantwortungsvoll und vorsorgend agieren und dabei für zukünftige Entwicklungen Vorsorge schaffen kann. Notwendige Investitionen in die Zukunft des Landes werden verhindert und unnötig der Handlungsspielraum des Staates beschränkt.“
Die FDP wiederum bekennt sich zur Schuldenbremse und verlangt in einem Alternativantrag von der Landesregierung sich im Rahmen der Finanzministerkonferenz für „ein planungssicheres und ökonomisch zielführendes Konjunkturbereinigungsverfahren“ stark zu machen. Die bestehenden Ausgabenspielräume und damit die politischen Maßnahmen müssten demnach anders priorisiert werden. Ein besonderer Fokus solle dabei auf Zukunftsinvestitionen liegen, „um einen weiteren Wertverzehr der Infrastruktur durch Investitionsstau zu verhindern“. Die FDP will dafür eine Investitionsquote von zwölf Prozent des Haushalts in der Landesverfassung verankert sehen.
(Stand: 19. Februar 2024)
Vorherige Debatten zum Thema:
Januar 2024 (Haushalt 1. Lesung)
November 2023 (BVerfG-Urteil)