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Anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus und dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz warnt Landtagpräsidentin Herbst vor einem Erstarken antidemokratischer Haltungen, antisemitischen Hasses und offener Gewalt.
Im Rahmen der zentralen Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein hat der Landtag heute (26. Januar) an den Widerstand gegen das NS-Regime erinnert und der zahllosen Menschen gedacht, die Opfer von Gewalt, Rassenhass und Krieg wurden. An der Feierstunde im Plenarsaal des Landeshauses nahmen rund 150 Gäste aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen teil.
In Ihrer Begrüßungsrede erinnerte Landtagspräsidentin Kristina Herbst an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945, dessen Name zum Synonym für die Ermordung von Millionen von Menschen geworden ist, vor allem auch für die Ermordung von Millionen jüdischer Menschen. Gleichzeitig lenkte Herbst den Blick auf die mutigen Frauen und Männer, die auf ganz unterschiedliche Art und Weise Widerstand leisteten.
„Sie ließen sich nicht zu Opfern machen, sondern setzten dem NS-Regime mit ihren Mitteln und auf ihre Weise etwas entgegen“, sagte die Parlamentspräsidentin und fügte hinzu: „Im Gedenken an die Opfer von Gewalt, Rassenhass, Krieg und Terror möchten wir heute auch ihren Widerstand und ihre Selbstbehauptung würdigen.“ Mit Blick auf das aktuell wahrnehmbare Erstarken antidemokratischer Haltungen, antisemitischen Hasses und offener Gewalt mahnte Herbst: „Der heutige Tag ist und bleibt einer der wichtigsten moralischen Orientierungspunkte unserer demokratischen Gesellschaft. Wir gedenken heute der Opfer des Nationalsozialismus als Mahnung, als Warnung und als Aufforderung zu aktivem Handeln in unserer Gesellschaft“.
Und sie ergänzte: „Wer sich der Opfer von damals aufrichtig erinnert, der weiß, was in der Gegenwart und der Zukunft von jedem und jeder Einzelnen von uns erwartet wird.“ Die Präsidentin dankte allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die sich in diesen Tagen antidemokratischen Entwicklungen und Machenschaften kraftvoll entgegenstellen.
Prof. Dr. Andrea Löw, stellvertretende Leiterin des Instituts für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München, hob in ihrer Rede sowohl die Selbstbehauptung als auch den Widerstand von Jüdinnen und Juden gegen das NS-Regime hervor. Die Wissenschaftlerin richtete ihren Fokus speziell auf das besetzte Osteuropa, den „Schauplatz des Massenmords“. Gerade die innere Geschichte des Warschauer Ghettos kenne man aufgrund der sehr guten Quellenbasis sehr genau. „In diesem größten Ghetto im besetzten Polen waren die Lebensbedingungen derart katastrophal, dass knapp 100.000 Menschen bis zum Juli 1942, als die Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka begannen, starben. Sie verhungerten und erlagen Krankheiten wie dem Fleckfieber oder der Tuberkulose. In einzelnen Monaten starben 5.000 Menschen“, führte Löw aus und ergänzte: „Trotz oder gerade wegen dieser Bedingungen waren zahlreiche Menschen im Ghetto im Bereich der Kultur und Bildung tätig und auch ein lebendiges religiöses Leben wurde aufrecht gehalten.“
Ende 1942 sei es gelungen, die bis dahin zumeist einzeln agierenden verschiedenen Untergrundgruppierungen in der Jüdischen Kampforganisation zu vereinen. Erstmals im Januar 1943 hätten sich die Menschen im Warschauer Ghetto dann widersetzt, so die Wissenschaftlerin. Besonders hob Löw die Rolle jüdischer Frauen hervor: „In der Vorbereitung und der Organisation von Widerstand spielten Frauen eine zentrale Rolle; zahlreiche Frauen gehörten zu den Führungsmitgliedern des jüdischen Untergrunds im besetzten Polen.“ Löw plädierte angesichts der katastrophal schwierigen Bedingungen des jüdischen Widerstands dafür, den Begriff des Widerstands weit zu verstehen und lud die Anwesenden ein, die überlieferten Erinnerungen mit Leben zu erfüllen: „Diesen Kampf gegen die Nationalsozialisten, den Kampf um die Erinnerung, haben sie gewonnen, wenn wir ihrer gedenken“, so die stellvertretende Institutsleiterin.
Isak Aasvestad, Landesrabbiner des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein, Walter Joshua Pannbacker, Vorsitzender und Kantor der Jüdischen Gemeinde Kiel, sowie Horst Eberlein, Weihbischof im Erzbistum Hamburg, gedachten der Opfer in ihren Gedenkworten und Gebeten, bevor Landtagspräsidentin Herbst Worte zum Totengedenken formulierte.
Zuvor hatten Schülerinnen und Schüler des Theaterkurses der Theodor-Mommsen-Schule Bad Oldesloe mit einem szenischen Beitrag an Menschen erinnert, die auf ihre Art widerständig waren und die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Die Saxophonistin Asya Fateyeva und der Pianist Stepan Simonian begleiten die Gedenkfeier musikalisch.
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Begleitend zur Veranstaltung zeigt der Landtag ab morgen (27. Januar) bis zum 11. Februar 2024 die Ausstellung „Auftakt des Terrors – Frühe Konzentrationslager im Nationalsozialismus“. An der Wanderausstellung der Arbeitsgemeinschaft „Gedenkstätten an Orten früher Konzentrationslager“ hat unter anderen die Gedenkstätte Ahrensbök mitgewirkt. Die Ausstellung kann ohne vorherige Anmeldung täglich zwischen 10 und 18 Uhr besucht werden. Für den Zutritt zum Landeshaus ist ein amtlicher Lichtbildausweis erforderlich.
Um die Bedeutung des 27. Januars, um Gedenk- und Erinnerungskultur sowie um die aktuelle Debatte zur Bekämpfung von Antisemitismus geht es auch in der Sendung „Schleswig-Holstein erinnert“, die morgen (27.1.) im Offenen Kanal Kiel (16 Uhr) sowie im Offenen Kanal Flensburg ausgestrahlt wird und über die Mediathek des Offenen Kanals Schleswig-Holstein abrufbar ist. Landtagspräsidentin Herbst und der Landesbeauftragte für politische Bildung, Christian Meyer-Heidemann, sind Interviewgäste, moderiert wird das Gespräch von Wolfgang Röttgers vom Kulturforum SH.