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25. Januar 2024 – Januar-Plenum

Appell für Demokratie und gegen Rechtsextremismus

Mit fraktionsübergreifenden Schulterschluss setzt der Schleswig-Holsteinische Landtag ein Zeichen und verurteilt aufkommenden Rechtsextremismus. Ausdrückliches Lob gibt es für die zahlreichen Demonstrationen der letzten Wochen gegen rechts.

Demokratie Rechtsextremismus Abstimmung
Das Votum ist klar: Fraktionsübegreifend votiert das Plenum für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und verurteilt Demokratiefeinde und ihre Vertreibungspläne. Foto: Landtag, Thomas Eisenkrätzer

Nach der Veröffentlichung von Recherchen des Netzwerks Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten in Potsdam im vergangenen November hat der Landtag parteiübergreifend Wachsamkeit und den Einsatz für die Demokratie angemahnt. Das Parlament verurteilte die in Potsdam vorgestellten „Pläne von Funktionären der AfD, Identitärer Bewegung und anderen Rechtsextremen, wonach Millionen Menschen aus Deutschland vertrieben werden sollen, sogar wenn es sich um Staatsbürgerinnen und Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland handelt“. Der entsprechende Dringlichkeitsantrag aller Fraktionen wurde einstimmig beschlossen. Umstritten blieb, ob ein AfD-Parteiverbot der richtige Schritt wäre.

Weiter heißt es in dem gemeinsamen Papier: „Die von den Deportationsplänen betroffenen Menschen gehören zu unserer Gesellschaft und werden vor jeder Bedrohung, Willkür und Gewalt geschützt. Die Demokratinnen und Demokraten sind wehrhaft und werden die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Demokratiefeinde und ihre Vertreibungspläne verteidigen.“

„Größte Gefahr für unsere Demokratie“

Glißmann, Birte CDU Plenum
Birte Glißmann (CDU): „Unser gemeinsamer Feind, der Feind der Demokratie ist der Extremismus, der Rechtsextremismus.“ Foto: Landtag, Thomas Eisenkrätzer

Die CDU-Abgeordnete Birte Glißmann (CDU) sagte in der Debatte, das Potsdamer Treffen mache deutlich, „wie systematisch Rechtsextremisten agieren und wie brandgefährlich die AfD ist“. Die Parteien der Mitte müssten sich selbstkritisch fragen, „was wir zur aktuellen Entwicklung beigetragen haben“. „Nehmen wir die Sorgen noch ausreichend wahr?“, fragte Glißmann.

Der Grünen-Abgeordnete Jan Kürschner nannte das Prinzip der wehrhaften Demokratie 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes eine „politische Notwendigkeit“. Die extreme Rechte stelle die „größte Gefahr für unsere Demokratie“ dar und erreiche mit Teilen ihrer „Ideologieelemente“ bereits die Mitte der Gesellschaft. Zwar sei die AfD seit der Wahl 2022 nicht mehr im Landtag vertreten, aber sie sitze in mehreren Kommunalvertretungen und trete dort „widerlich“ auf.

FDP: Etablierten Parteien müssen ihren Job besser machen

SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli sprach angesichts der Vertreibungspläne von einem „Schock“ für Menschen mit Migrationshintergrund. Sie regte an, auch die schleswig-holsteinische AfD als gesichert rechtsextrem einzustufen und deren Vorfeld- und Jugendorganisationen zu verbieten, „um den Weg zu bereiten für ein Parteiverbot“.

Die AfD sei „in weiten Teilen rechtsextrem“, so der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Christopher Vogt: „Deswegen habe ich kein Verständnis dafür, dass man diese Partei aus Protest wählt.“ Statt eines Verbots empfahl Vogt aber, die Partei „politisch zu bekämpfen“. Dazu gehöre, dass „die etablierten Parteien ihren Job besser machen“ und der AfD „durch Kompetenz das Wasser abgraben“, Und: „Wir müssen unsere Unterschiede vernünftig deutlich machen“, um nicht als „eine Sauce“ wahrgenommen zu werden“.

Ministerin bekundet „große Sympathie“ für ein AfD-Verbot

SSW-Fraktionschef Lars Harms blickte auf die Reaktionen aus der AfD nach den Medienberichten über das Potsdamer Treffen: Es werde „geleugnet, gelogen, abgelenkt“ und die Opferrolle eingenommen. Die Vertreibungspläne erinnerten ihn an den Aufstieg der Nationalsozialisten vor 1933: „So hat es schon einmal angefangen“, und „das Resultat war das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Das darf sich nicht wiederholen.“

Sie habe „große Sympathie“ für ein AfD-Verbot, sagte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Es gelte, „jedes der Demokratie zur Verfügung stehende Mittel zu nutzen“. Allerdings seien nicht nur die Sicherheitsbehörden gefordert, „sondern jeder einzelne von uns in unserer Gesellschaft“. Ihr Appell an die Menschen im Lande: „Beweisen Sie weiter Courage gegen rechtsextremistische Parolen.“

Verfassungsschutz sieht rechten Personenkreis anwachsen

Thema der Debatte war auch der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2022, den der Landtag abschließend zur Kenntnis nahm. Demnach erhöhte sich in dem Jahr das rechtsextremistische Personenpotenzial in Schleswig-Holstein um 1,7 Prozent auf 1.220 Personen. Rechtsextreme bilden laut dem Bericht die größte Gruppe unter den extremistischen Bestrebungen im Norden – vor islamistischen, linksextremistischen und auslandsbezogenen.

Nach eingehender Beratung im Innen- und Rechtsausschuss empfiehlt der Ausschuss die Kenntnisnahme des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2022. Im Berichtsjahr erhöhte sich demnach das rechtsextremistische Personenpotenzial um rund 1,7 Prozent. Damit zählten 1220 Personen (2021: 1200) zur rechtsextremistischen Szene in Schleswig-Holstein. Die Zahl der gewaltorientierten Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten blieb konstant bei 350. Die aktuelle Sorge um eine Unterhöhlung der Demokratie durch rechtslastigen Extremismus wird ebenfalls Gegenstand dieser Debatte sein: Ein von allen Fraktionenen unterzeichneter Dringlichkeitsantrag wirbt für eine „wehrhafte Demokratie“ und bekräftigt den Willen des Parlaments, sich den Vertreibungsplänen von Rechtsextremen „mit voller Kraft“ entgegenzustellen.

Rechtsextreme bilden laut dem vorliegenden Verfassungsschutzbericht die größte Gruppe innerhalb der unterschiedlichen extremistischen Bestrebungen im Norden – vor islamistischen, linksextremistischen und auslandsbezogenen. Das Personenpotenzial der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene liegt auf dem fünften Platz und ist laut Bericht im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Drittel auf 640 Personen (2021: 480) angewachsen. Bereits im vorangegangenen Bericht hatten die Verfassungsschützer im Land eine Zunahme politisch motivierter Kriminalität um knapp 37 Prozent beobachtet. Die Experten registrierten Zuwächse in der rechtsextremistischen, der islamistischen und auch der linksextremistischen Szene.

Bundesweite Demos gegen rechts

Zum aktuellen Hintergrund: Das spendenfinanzierte Medienportal Correctiv hatte vergangene Woche über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen mit AfD-Politikern und einzelnen CDU-Mitgliedern in einer Potsdamer Villa vom 25. November vergangenen Jahres berichtet. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. Seit dem Bekanntwerden des Treffens in Potsdam gab es in verschiedenen deutschen Städten eine Vielzahl an Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD. Allein am vergangenen Wochenende waren bundesweit weit über einhunderttausend Menschen auf die Straße gegangen.

(Stand: 24. Januar 2024)

Ausschussempfehlung

Top 41:
Verfassungsschutzbericht 2022
Bericht der Landesregierung - Drucksache 20/1021
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses - Drucksache 20/1795

Dringlichkeitsantrag

Top 36B:
Wehrhafte Demokratie für ein vielfältiges Land – Demokratiefeinden und
Vertreibungsplänen entgegentreten
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU, Grünen, SPD, FDP und SSW - Drucksache 20/1826