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Der Landtag stellt in Schleswig-Holstein eine außergewöhnliche Notsituation für das laufende Jahr sowie bereits für 2024 fest. Das auch von SPD und SSW unterstützte Vorgehen begründet Schwarz-Grün mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Krisen.
Die schwarz-grüne Landesregierung hat mit der Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation für das laufende und das kommende Jahr ihre geplanten Investitionen abgesichert. Die Koalitionsfraktionen begründeten ihr Vorgehen mit dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Krisen. Dazu führten sie Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine sowie die Schäden der schweren Ostsee-Sturmflut an.
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) erklärte, die Landesregierung habe keinen Zweifel daran, dass man sich in diesem und im nächsten Jahr in einer Notlage befinde. Sie habe auch über einen Nachtragshaushalt für 2023 nachgedacht, es sei aber aus verschiedenen Gründen nicht möglich, ihn in kurzer Zeit umzusetzen. Die entsprechenden Dringlichkeitsanträge wurden nach gemeinsamer Beratung unter Zustimmung von SPD und SSW mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Parlament beschlossen. Die FDP stimmte dagegen.
Hintergrund ist das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November. Die Richter in Karlsruhe erklärten eine Umwidmung von Krediten in Höhe von 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt 2021 für nichtig. Schleswig-Holstein arbeitet seit der Corona-Pandemie ebenfalls mit Notkrediten. Ein Teil dieser Kreditermächtigungen wurde in der Vergangenheit in Sondervermögen beispielsweise zum Straßenbau gesteckt. „Schleswig-Holstein ist meines Wissens das erste Bundesland, das jetzt so schnell und reaktionsfähig ist und damit beispielgebend für andere Bundesländer“, betonte Lasse Petersdotter (Grüne).
Durch die festgestellte Notlage des Landes kann die Regierung nun wie geplant Mittel aus dem Corona- und dem Ukraine-Notkredit fließen lassen, beispielsweise für die Krankenhausfinanzierung oder den Schulbau. Nach der Pandemie habe das Land den zunächst mit 5,5 Milliarden Euro ausgestatteten Corona-Notkredit abgesenkt und einen neuen Ukraine-Notkredit aufgelegt.
Harsche Kritik am Vorgehen der Regierungskoalition übte die FDP: Sie hielte sowohl die Feststellung einer Notsituation für 2023 als auch für 2024 für verfassungswidrig, erklärte Annabell Krämer. Nur über einen Nachtragshaushalt ließe sich die Notlage für das laufende Jahr eventuell noch legitimieren. „Der Vorratsbeschluss auf Erklärung einer Notsituation für 2024 ist nicht begründet.“
Zugleich beschloss der Landtag am Donnerstag, bis zu 137 Millionen Euro an Landesmitteln zur Förderung einer geplanten Batteriefabrik von Northvolt im Kreis Dithmarschen aus dem Ukraine-Notkredit bereitzustellen. Angesichts geplanter Subventionen von Bund und Land muss die EU aber erst grünes Licht geben. „Northvolt ist eines der bedeutendsten Ansiedlungsprojekte für Schleswig-Holstein, für ganz Deutschland und für Europa“, sagte Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU). Diese Batterien spielten eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Energiewende. „Northvolt macht die Region zu einem bedeutenden Akteur in der Hightech-Industrie, zieht die Ansiedlung weiterer Unternehmen nach sich, schafft tausende Arbeitsplätze und sorgt für einen Pool an Fachkräften für die kommenden Jahrzehnte."
Der Bund spreche mit dem Unternehmen bereits über ein Bürgschaftsprogramm. „Hier wäre das Land mit 50 Prozent beteiligt“, so Madsen. Eine Energieunabhängigkeit von Russland sei wichtig, die Batteriefabrik könne entscheidend im Verkehrssektor sein, erklärte Thomas Losse-Müller (SPD). „Wir müssen jetzt Planbarkeit haben und dazu ist es wichtig, eine Notlage festzustellen.“ Annabell Krämer kritisierte, die Ansiedlung von Northvolt sei ohne Notkredit aus dem ordentlichen Haushalt zu stemmen.
Anknüpfend an die Haushaltsdebatte am Mittwoch wollen CDU und Grüne für das laufende Haushaltsjahr sowie für 2024 eine außergewöhnliche Notlage ausrufen. Ein Teil der Mittel aus Sondervermögen soll in den Schuldenabbau fließen. Dies sehen zwei Dringlichkeitsanträge vor. Die benötige Zwei-Drittel-Mehrheit für dieses Vorhaben gilt als sicher, da die SPD bereits Zuspruch signalisiert hat.
Die Feststellung einer Haushaltsnotlage hebelt die Schuldenbremse aus und ermöglicht die Aufnahme neuer Kredite beziehungsweise die Ausgaben aus alten Notkrediten. Damit will die Regierung Investitionen absichern. Dies betrifft etwa die im September vom Landtag bewilligten Ausgaben (rund137 Millionen Euro) für die Ansiedlung des Batteriezellenherstellers Northvolt. Hierzu liegt bereits ein weiterer Dringlichkeitsantrag vor.
Debatten zum Thema Northvolt-Ansiedlung:
September 2023
November 2022
Beschluss zur Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 61 Absatz 3 der Landesverfassung für das Jahr 2023
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1654(neu)
Beschluss zur Feststellung einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 61 Absatz 3 der Landesverfassung für das Jahr 2024
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1655(neu)
Förderung des Ansiedlungsvorhabens einer Batteriezellfabrik in der Region Heide aus Landesmitteln sicherstellen
Dringlichkeitsantrag der Fraktionen von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1656
Änderungsantrag der FDP ‒ Drucksache 20/1664