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Das Thema Migration rückt in den landespolitischen Debatten weiter in den Vordergrund. Die grüne Integrationsministerin rechnet damit, dass in Schleswig-Holstein bis Jahresende über 5.000 weitere Flüchtlinge untergebracht werden müssen.
Bis zum Jahresende werden Land und Kommunen voraussichtlich weitere 5.300 Flüchtlinge unterbringen müssen. Das hat Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) vor dem Landtag dargelegt. Schleswig-Holstein habe in diesem Jahr bereits rund 6.600 Asylsuchende aufgenommen, so die Ministerin, dazu kämen die Schutzsuchenden aus der Ukraine, seit Kriegsausbruch rund 35.000 Menschen.
Touré verwies auf den Migrationsgipfel von Land und Kommunen wenige Tage vor der Plenardebatte, der „pragmatische und nachhaltige Lösungen“ gebracht habe. Aus der Opposition kam scharfe Kritik: Die Ministerin habe auf die krisenhafte Situation zu spät reagiert, und die Landesregierung habe keinen langfristigen Plan.
Als Konsequenz aus dem Gipfeltreffen will das Land die Kapazität seiner Unterkünfte auf rund 10.000 erhöhen. In Kiel, Neumünster und Glückstadt sollen demnach weitere Erstaufnahmeeinrichtungen entstehen. Die Ankündigungsfrist für die Verteilung der Flüchtlinge auf die Kreise soll wieder von drei auf vier Wochen verlängert werden. Zudem sollen Flüchtlinge mit schlechter Bleibeperspektive nicht mehr auf die Kreise aufgeteilt werden. Über Weihnachten und Neujahr soll es keine Verteilung von Flüchtlingen an Kreise und Städte geben.
Die Einigung zwischen Land und Kommunen habe die „Handlungsfähigkeit des Staates“ bewiesen, so Touré. Dennoch seien angesichts der angespannten Lage in vielen Teilen der Welt weitere Schutzsuchende zu erwarten. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt“, gestand die Ministerin: „Lassen Sie uns nicht vermeintlich einfache Antworten auf komplexe Fragen bieten.“
„Die Aufstockung war überfällig und bitter nötig“, so Bernd Buchholz (FDP), hätte aber „viel früher erfolgen müssen“. In der aktuellen Situation könne man „nur hoffen, dass wir mit dieser Maßnahme über den Winter kommen“. Buchholz forderte, Planungen für das kommende Frühjahr aufzunehmen und schon jetzt „Standorte für 5.000 weiter Plätze“ zu suchen, statt, „wie Sie, immer der Entwicklung hinterherzulaufen“. Zudem machte sich der Liberale für eine schnellere Rückführung abgelehnter Asylbewerber stark: „Sie haben kein Rückführungsmanagement, Sie setzen nur auf freiwillige Ausreise“, warf er der Ministerin vor.
„Die Atempause wird maximal bis zum Jahresende halten“, sagte auch Serpil Midyatli (SPD). Die Landesregierung habe „kein langfristiges Konzept und keine Weitsicht in ihren Planzungen“. Midyatli griff Ministerin Touré direkt an: „Eine verantwortungsvolle Ministerin würde die Anzahl der Landesunterkunftsplätze auf 15.000 erhöhen und hätte Personen ohne Bleibeperspektive gar nicht erst an die Kommunen weitergegeben.“
Auch Lars Harms (SSW) befürchtete: „10.000 Plätze sind nicht das Ende der Fahnenstange.“ Harms erinnerte an den Flüchtlingszustrom des Jahres 2015: „Wir müssen kurzfristig alles mobilmachen, was geht.“ Auch jetzt müsse das Land Container anschaffen, um die Situation zu entschärfen, „denn nichts ist schlimmer, als die Menschen wieder in Turnhallen oder in Zelten unterzubringen“.
Seyran Papo (CDU) erinnerte an die Erfolge rechtspopulistischer Parteien bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern und Hessen. Die Flüchtlingsfrage bewege die Menschen, deswegen müsse die Politik das Signal aussenden, „dass wir dem Thema mit einer großen Ernsthaftigkeit begegnen und die Augen vor Problemen nicht verschließen“. Sie forderte die „konsequente und unverzügliche Rückführung von Personen, die nicht in Deutschland bleiben können“.
Geschlossenheit“, stellte Catharina Nies (Grüne) fest, „und wir bieten konkrete Lösungen für die Probleme vor Ort.“ Sie lobte die jüngsten Initiativen auf Bundesebene, Flüchtlingen schneller eine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Dies würde das Sozialsystem und die kommunalen Unterkünfte entlasten, so Nies: „Das ist der Knoten, der endlich gelöst werden muss.“
Ein FDP-Antrag wurde schließlich abgelehnt, ein CDU/Grünen-Antrag mit Unterstützung des SSW angenommen.
Angesichts des in den letzten Monaten stark gestiegenen Flüchtlingszustroms ruft die FDP-Fraktion dazu auf, die Anzahl an Plätzen in den Landesunterkünften aufzustocken und „ein effizienteres und konsequenteres Rückführungsmanagement durchzuführen“. Die Landesregierung dürfe nicht länger Personen ohne Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilen, heißt es in dem Antrag. Es gelte, den Druck auf die Kommunen zu reduzieren. „Die Schaffung zusätzlicher Plätze ist zwingend notwendig, da die Landesunterkünfte bereits seit Mitte September überbelegt sind und auch die 600 in Glückstadt neu geschaffenen Plätze angesichts der aktuellen Zahlen bereits zeitnah belegt sein werden“, argumentieren die Liberalen.
Weitere Forderungen in dem Antrag: Sozialleistungen für Asylsuchende will die FDP an europäische Standards angleichen und „mehr Sachleistungen statt Geldleistungen“ austeilen; es sollen mehr sichere Herkunftsländer ausgewiesen und Asylverfahren beschleunigt und digitalisiert werden. Die zudem von der FDP geforderte Angleichung der Verfahren und Kriterien der Asylverfahren an einheitliche europäische Standards wurde wenige Tage vor der Tagung auf einem EU-Gipfeltreffen thematisiert. Ein Ergebnis: Die derzeitigen Pläne für eine Reform des europäischen Asylsystems sehen eine Krisenverordnung, unter anderem mit einer Verlängerung haftähnlicher Bedingungen und strengeren Grenzverfahren, sowie die Pflicht zur Solidarität vor. Vorbehalte gab es allerdings vor allem seitens der Länder Polen und Ungarn.
Angaben des Kieler Innenministeriums von Anfang Oktober zufolge waren von den 7300 Plätzen in den sechs Standorten der Unterkünfte zuletzt 6500 belegt. Wie die Situation im Land entzerrt werden kann, hierüber soll am heutigen Montag (9. Oktober) auf einem Migrationsgipfel mit den kommunalen Spitzenverbänden beraten werden, zu dem Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) geladen hat. Zum Gipfel sind neben den Verbänden Landrätinnen und Landräte sowie die Bürgermeister der kreisfreien Städte eingeladen.
„Ziel ist es, die aktuelle Situation und die Vorschläge der Kommunalen Landesverbände umfassend und konstruktiv zu beraten“, sagte Touré. Land und Kommunen stünden in der besonderen Verantwortung, in dieser Ausnahmesituation ihren jeweiligen Aufgaben bei der Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten nachzukommen. Unter anderem soll es eine Forderung von Gemeindetag, des Landkreistags und des Städteverbands geben, eine einmalige Aussetzung der Verteilung Geflüchteter von vier Wochen herbeizuführen.
Ergebnisse des Gipfels waren bei Redaktionsschluss diese Vorschau noch nicht bekannt.
(Stand: 9. Oktober 2023)
Vorherige Debatten zum Thema:
September 2023 (sichere Herkunftsstaaten – News-Meldung, 22.09./11:55)
September 2023 (Unterbringung / ohne Meldung in plenum-online)
Februar 2023 (Unterbringung)
Irreguläre Migration deutlich reduzieren und Kommunen besser unterstützen
Antrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/1475
Alternativantrag der Fraktionen von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1520(neu)
Bericht zum Migrationsgipfel vom 9. Oktober 2023
Antrag der Fraktion von CDU und B´90/Grüne ‒ Drucksache 20/1510