Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags
Springe direkt zu:
Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.
Die Landesregierung soll die Einführung eines landesweiten Screenings von Kindern im Alter von etwa viereinhalb Jahren vor dem Übergang in die Grundschule prüfen. Ein Sprach-Check soll etwaige Leseschwäche aufdecken.
Die jüngste „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU) zeichnet ein alarmierendes Bild: Rund ein Viertel der deutschen Grundschüler kann nach der vierten Klasse nicht ausreichend gut lesen. Um gegenzusteuern, sollen Kinder in Schleswig-Holstein künftig bereits 18 Monate vor der Einschulung, mit viereinhalb Jahren, zu einem „Screening“. Gibt es Defizite, soll eine verpflichtende Sprachförderung folgen. Über diesen Kurs gibt es breites Einvernehmen im Landtag. Die Opposition übte dennoch scharfe Kritik an der Bildungspolitik des Landes: Das Problem sei zu lange verschleppt worden.
Bereits vor vier Jahren habe Bildungsministerin Karin Prien (CDU) das „Screening“ in einem Interview als gute Idee bezeichnet, merkte Martin Habersaat (SPD) an. Passiert sei jedoch nichts. Habersaat verwies auf Hamburg, wo neben der Sprache auch die körperliche, kognitive und emotionale Entwicklung eines Kindes führzeitig in den Blick genommen werde. Dies habe zu beachtlichen Erfolgen geführt und könne auf Schleswig-Holstein übertragen werden: „Das könnten Sie heute beschließen.“
Christopher Vogt (FDP) forderte verpflichtende Sprachtests für alle Viereinhalb-Jährigen. Zudem sei eine „Offensive zur Stärkung der Grundschulen“ nötig: je eine Unterrichtsstunde mehr in Deutsch und Mathe, zwei Stunden Nachhilfe für Schüler mit Lerndefiziten, Lesepatenschaften und ein Ausbau der Ganztagsangebote. Zurzeit erschienen „zu viele Kinder unzureichend untersucht zur Einschulung“, so Jette Waldinger-Thiering (SSW). Es gebe keine verbindlichen Vorgaben für die Kooperation von Kita und Schule, und die Ergebnisse würden nur stichprobenartig kontrolliert: „Wir müssen weg von dem aktuellen Flickenteppich.“
„Es wird nicht die eine Maßnahme sein, die eine Trendwende herbeiführt“, entgegnete Bildungsministerin Prien. Sie brachte eine Erhöhung der täglichen Lesezeit, die Einführung eines Grundwörterschatzes und mehr Unterricht in Deutsch und Mathe ins Spiel. Diese Schritte sollten zunächst an den Perspektivschulen erprobt werden, so die Ministerin. Konkrete Schritte sollen auf einem Fachtag im Herbst eingeleitet werden. „Hamburg macht es mit großem Erfolg vor“, unterstrich der CDU-Abgeordnete Martin Balasus: „Nur frühzeitige Diagnostik von Förderbedarf ermöglicht frühzeitige Intervention.“ Die derzeitigen SPRINT-Kurse im Lande („Sprachförderung intensiv“) mit täglich bis zu zwei Stunden Deutschunterricht für eine Dauer von 20 Wochen reichten nicht aus: „Wir müssen früher mit der Förderung anfangen.“
Schleswig-Holstein sei nicht Hamburg, merkte Malte Krüger (Grüne) an. Die Wege in einem Flächenland seien länger, die Schulverwaltung sei anders organisiert, und es gebe „zwischen Städten und Gemeinden eine große Diversität“. Er sprach sich dafür aus, die „Einzigartigkeit der Kinder“ zu akzeptieren. Es müsse Raum für Neugier, Kreativität und Spaß bleiben. Die für die Kitas zuständige Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) rief ebenfalls dazu auf, Kinder in ihren jeweiligen Fähigkeiten zu stärken und nicht nur eine „defizitorientierte Perspektive“ zu haben.
Am Ende wurden zwei SPD-Anträge und ein Antrag der FDP abgelehnt. Ein Alternativantrag der Koalition, der einen Regierungsbericht zum Thema verlangt, wurde mit Unterstützung des SSW angenommen.
Die im Mai veröffentlichte jüngste „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU) zeichnet ein alarmierendes Bild: Rund ein Viertel der deutschen Grundschüler kann nach der vierten Klasse nicht ausreichend gut lesen, um sich eigenständig Textinhalte anzueignen. Als Gründe gelten der Unterrichtsausfall während der Corona-Pandemie und der Zuzug von Migrantenfamilien, in denen kaum Deutsch gesprochen wird. Vor diesem Hintergrund fordert die Opposition im Landtag ein Frühwarnsystem – Sprachtests schon im Kindergartenalter und eine engere Zusammenarbeit zwischen Kita und Schule.
Bereits bei ABC-Schützen fehle oft der Grundwortschatz, mahnt die SPD. Sie regt landesweite Standards für den Austausch von Kitas und Grundschulen an. Im Übergangsbereich gebe es derzeit zahlreiche „blinde Flecken“. Zudem müsse 18 Monate vor der voraussichtlichen Einschulung ein verbindliches Beratungsgespräch zwischen Eltern, Kind und Schule anberaumt werden. Die Schule bleibe danach Ansprechpartner für die Eltern, bis das Kind eingeschult wird. Die Sozialdemokraten verweisen auf das „Screening der Viereinhalbjährigen“ in Hamburg, bei dem neben der Sprache auch die körperliche, kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes in den Blick genommen werde. Dies habe zu beachtlichen Erfolgen geführt.
Auch die FDP im Landtag lobt das Hamburger Modell und fordert verpflichtende Sprachtests für alle Kinder im Alter von viereinhalb Jahren. Zudem sei eine „Offensive zur Stärkung der Grundschulen“ nötig: je eine Unterrichtsstunde mehr in Deutsch und Mathe, zwei Stunden verpflichtende Nachhilfe für Schüler mit Lerndefiziten, Lesepatenschaften, um vor allem für Jungen positive Vorbilder zu setzen, und ein Ausbau der Ganztagsangebote.
Laut Schulgesetz „soll die Grundschule mit den Kitas in ihrem Einzugsgebiet Vereinbarungen über das Verfahren und die Inhalte der Zusammenarbeit schließen“. Darauf weist das Bildungsministerium in einem Bericht hin, den SPD und SSW beantragt haben. Es gebe aber „keine detaillierten Vorgaben zu Art und Umfang der Kooperationsvereinbarungen“. Stellt die Schule bei Anmeldung des Kindes Sprachdefizite fest, steht ein verpflichtender 20-wöchiger SPRINT-Kurs („Sprachförderung intensiv“) mit täglich bis zu zwei Stunden Deutschunterricht an. Im Schuljahr 2020/21 haben in Schleswig-Holstein 2.364 Kinder an diesen Kursen teilgenommen, wobei es erhebliche Unterschiede innerhalb des Landes gab. Im Kreis Pinneberg waren es 361, in Lübeck lediglich zwei.
Die Landesregierung weist zudem auf die flexible Eingangsphase der Grundschule hin. Die ersten zwei Jahre können bei Bedarf auch innerhalb von drei Schuljahren absolviert werden. Im Schuljahr 2020/21 haben rund 3.400 Kinder davon Gebrauch gemacht, ebenfalls mit regionalen Schwankungen. Grundsätzlich bestehe „das Ziel, den Übergang von der Kita in die Grundschule insgesamt verbindlicher zu gestalten“, heißt es in dem Bericht. Die „Einführung einer frühzeitigen und systematischen Sprachstandardserhebung“ werde geprüft.
Übergang Kita – Grundschule: Vorstellungsverfahren für Viereinhalbjährige
Antrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 20/1143
Übergang Kita – Grundschule: Blinde Flecken vermeiden
Antrag der Fraktion der SPD ‒ Drucksache 20/1144
Verpflichtende Sprachtests und Offensive zur Stärkung der Grundschulen
Antrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/1161
Alternativantrag von CDU und Grünen ‒ Drucksache 20/1237
Bericht zum Übergang von der Kindertageseinrichtung zur Grundschule
Antrag der Fraktionen von SPD und SSW ‒ Drs. 20/488
Bericht der Landesregierung ‒ Drucksache 20/931
(Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur)