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Im Urteil von Jahr 1 des Regierungsbündnisses aus Union und Grünen driften die Unterschiede zwischen Koalition und Opposition auseinander. Die von der FDP beantragte Bilanz von CDU-Regierungschef Günther führt im Plenum zu einem lebhaften Wortgefecht.
Die Bilanz nach einem Jahr Schwarz-Grün fällt im Landtag erwartungsgemäß sehr unterschiedlich aus. Während CDU und Grüne sich selbst ein gutes Zeugnis ausstellten, machte die Opposition massive Defizite aus. Was in der zweistündigen, emotionalen Debatte auch deutlich wurde: Angesichts sinkender Steuereinnahmen dürfte die kommende Zeit deutlich schwieriger werden als die vergangenen zwölf Monate. Und: Der Haushaltsentwurf für 2024 wird erst im Dezember vorgelegt.
Es sei ein „Regieren in herausfordernden Zeiten“ gewesen, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit Blick auf Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Aber: „Es kann sich nach einem Jahr sehen lassen, was wir schon alles auf den Weg gebracht haben.“ Günther verwies auf Umfragen, die seiner Regierung eine Zustimmung von 65 Prozent bescheinigten. In Zukunft werde sich die Koalition „auf die wesentlichen Punkte konzentrieren“. Dies seien der Fachkräftemangel, der Wohnungsbau, die Stärkung der Krankenhäuser sowie Bildung, innere Sicherheit und der Ausbau der Windkraft. „Die Bürger können sich darauf verlassen, dass sie bei dieser Landesregierung in guten Händen sind.“
Der Regierungschef kündigte an, den Haushaltsentwurf für 2024 erst im Dezember in den Landtag einzubringen und im März zu beschließen. Das Kabinett wolle zunächst die November-Steuerschätzung abwarten: „Wir werden unter Beweis stellen, wie wir die Lücke von 450 Millionen in den Griff bekommen.“ Diese Summe wird dem Land laut der Mai-Schätzung künftig in jedem Jahr fehlen.
Oppositionsführer Thomas Losse-Müller (SPD) attestierte der Koalition, eine „beeindruckende Liste von Kleckerkram“ auf den Weg gebracht zu haben, aber an den großen Problemen zu scheitern. So fehlten im Lande 18.000 Kita-Plätze, 300 Stellen in der Finanzverwaltung seien nicht besetzt, und es gebe zu wenige Sozialwohnungen. Schwarz-Grün habe zudem „keinen Plan in der Klimapolitik“, und in Bildungsvergleichen rutsche Schleswig-Holstein immer weiter ab. „Schwarz-Grün ist die Farbkombination des Steckenbleibens im Schlamm“, so Losse-Müller. Er forderte mehr Geld für Schulen, Krankenhäuser, Digitalisierung, Bus und Bahn, Wärmenetze und die Ladeinfrastruktur für E-Autos.
Christopher Vogt (FDP) attestierte der Koalition eine „bemerkenswert schwache Bilanz“ Schwarz-Grün sei „eine große Koalition der inneren Gegensätze“, die nur kleine Formelkompromisse mache. Es mangele an gemeinsamen Gestaltungswillen. Dies zeige sich etwa in der Flüchtlingspolitik, beim Haushalt, bei den „ideologische Debatten“ in der Verkehrspolitik, den „Großbaustellen“ in der Bildung oder bei dem von den Grünen vorangetriebenen Nationalpark Ostsee: „Wo ist da eigentlich die CDU?“ Vogt rief die Koalition auf, „nicht weiter nebeneinander her zu regieren, sonst drohen Schleswig-Holstein fünf verlorenen Jahre“.
„Ein Jahr Schwarz-Grün bedeutet für die Menschen da draußen, dass für sie alles schwieriger geworden ist“, bilanzierte Lars Harms (SSW). Der Wohnungsbau stocke, die Infrastruktur verfalle, aber die Regierung, praktiziere „kein Anpacken, sondern reines Rumschnacken“. Harms warf der Landesregierung zudem vor, ihre Stimme habe in Berlin kein Gewicht: Nicht ein einziges Projekt aus Schleswig-Holstein befinde sich auf der Planungsbeschleunigungsliste des Bundes: „keine Seeverbindung, keine Luftverbindung, keine Straßenverbindung und auch keine Schienenverbindung“.
Demgegenüber ordnete CDU-Fraktionschef Tobias Koch den Norden durchgehend in der Spitzengruppe ein. Schleswig-Holstein sei „Windkraftland Nummer eins“ und liege auch beim Ausbau von Photovoltaik und Glasfasernetzen sowie beim Tourismus ganz vorne. Die geplante Ansiedlung einer Batteriefabrik des schwedischen Konzerns Northvolt bei Heide werde ein „entscheidender Durchbruch hin zum klimaneutralen Industrieland“ werden. Weitere Ansiedlungen „mit zigtausenden Arbeitsplätzen“ würden folgen, so Koch. Zwar gebe es auch Themen, bei denen CDU und Grüne unterschiedlicher Auffassung seien, aber es gelingt stets, gemeinsame Positionen zu formulieren, „weil Schwarz-Grün vertrauensvoll und verlässlich zusammenarbeitet“.
„Wir haben in den ersten zwölf Monaten sehr viel gemacht“, blickte Lasse Petersdotter (Grüne) auf die Beitragsermäßigung in den Kitas, das geplante Wohnraumschutzgesetz und die „Mobilitätswende“ inklusive Radwegeausbau. Beim Haushalt sei die Lage aber „dramatisch“, so Petersdotter. Das Geld werde künftig nicht ausreichen „für all das, was wir uns für das zweite schwarz-grüne Regierungsjahr vorgenommen haben“. Ähnliche Investitionen wie im laufenden Jahr seien nicht mehr möglich. „Eines der schwierigsten Haushaltsjahre liegt vor uns“, mahnte Petersdotter.
„Ein Jahr Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein: Wohin will die Landesregierung das Land führen?“ Unter dieser Überschrift fordert die FDP die Landesregierung auf, im Plenum eine Bilanz ihrer bisherigen Regierungszeit zu ziehen und den weiteren politischen Kurs zu skizzieren. Der Berichtsantrag war erst nach Erscheinen der Tagesordnung, also nach Ablauf der Einreichungsfrist, vorgelegt worden. Der Ältestenrat stimmte letzten Mittwoch allerdings zu, das Thema trotzdem im Plenum zu behandeln.
Daniel Günther (CDU) war am 29. Juni 2022 für die 20. Wahlperiode als Ministerpräsident wiedergewählt worden und führt seitdem die erste schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein an. Bei den vorhergegangenen Koalitionsverhandlungen hatte sich die FDP nicht als Partner für ein weiteres Regierungsjahr empfehlen können. In der 19. Wahlperiode waren die Liberalen noch gemeinsam mit Union und Grünen im Regierungsfahrwasser.
„Wir leben in bewegten Zeiten und die Performance der schwarz-grünen Landesregierung fällt in ihrem ersten Jahr schwach aus“, sagte FDP-Fraktionschef Christopher Vogt bei Vorlage des Berichtantrags Anfang Juli. Günther müsse endlich Führung zeigen und deutlich machen, wohin sein Wunschbündnis das Land angesichts zahlreicher Herausforderungen, eines selbst verursachten Haushaltsdesasters und vieler Streitpunkte führen will.
Wenige Tage zuvor hatten die Spitzenpolitiker des schwarz-grünen Regierungsbündnisses Geschlossenheit demonstriert und dem Regierungschef konstruktive Zusammenarbeit zugesichert. Und Günther selbst bilanzierte eine große Zustimmung in der Gesellschaft für die Regierungspolitik. Die Koalition sorge trotz großer Herausforderungen und eines schwierigen Umfelds für gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Ich freue mich auf die nächsten Jahre, weil die Zusammenarbeit hier einfach sensationell gut ist“, sagte er in Tüttendorf (Kreis Rendsburg-Eckernförde), wo die schwarz-grünen Spitzen von Regierung, Fraktionen und Parteien einen Agrar- und Energiebetrieb besuchten. Ein zentrales Koalitionsziel ist es, bis 2040 erstes klimaneutrales Bundesland zu werden.
(Stand: 10. Juli 2023)
Vorherige Meldung/Debatten zum Thema:
Juni 2022 (Wahl Günther/Kabinett)
Juni 2022 (Debatte zum Koalitionsvertrag)
August 2022 (Regierungserklärung)
Ein Jahr Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein: Wohin will die Landesregierung
das Land führen?
Antrag der Fraktion der FDP ‒ Drucksache 20/1207