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Reichen die zunächst zugesagten zwei Millionen Euro jährlich als Investitionsmittel für Krankenhäuser? Und wie lässt sich eine Versorgung besser sektorenübergreifend vernetzen? Darüber gibt es einen scharfen Diskurs.
Regierungskoalition und Opposition haben im Landtag erneut über den finanziellen Druck auf Krankenhäuser gestritten. In einer mehr als einstündigen Debatte forderte die Opposition wegen höherer Energiekosten und der Inflation weitergehende Hilfen für die Kliniken als von der Regierung zugesagt. Gegen die Stimmen von SPD, FDP und SSW in den Sozialausschuss überwiesen wurden zwei Anträge zur sektorenübergreifenden Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung.
FDP, SPD und SSW gaben den Anstoß zur Debatte. Die Opposition scheiterte jedoch mit ihrem Antrag mit dem Titel „auskömmliche Investitionsmittel für Krankenhäuser bereitstellen“. Angenommen wurde hingegen der Alternativantrag von CDU und Grünen. Er fordert die Landesregierung auf, die bestehende Finanzierungslücke schrittweise abzubauen. Um dieses Ziel zu erreichen, soll sich die Landesregierung dafür einzusetzen, dass sich der Bund an den durch die Krankenhausreform verursachten zusätzlichen Investitionsbedarfen beteiligt.
Es gehe um nicht mehr oder weniger als um eine zukunftssichere Versorgung der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Heiner Garg. Er forderte vor allem „eine patientenzentrierte Versorgung“. Nötig seien gute Rahmenbedingungen für Ärzte, Pflegedienstleister, Apotheken und Dienstleister, zukunftsfähige, leistungsstarke, gut ausgestattete Krankenhäuser sowie „Vergütungssysteme, die zueinander passen“. Hier habe Schwarz-Grün bisher „versagt“.
Die Regierungskoalition wies das zurück. Eka von Kalben (Grüne) nannte den FDP-Vorstoß „reines Theater“. Es bringe nichts, immer nur zurück zu gucken schauen. Hauke Hansen (CDU) bemängelte, die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder für die Betriebskostenfinanzierung reichten „vorne und hinten nicht aus“. Für seine Fraktion sei daher wichtig, dass sich der Bund auch an den reformbedingten Investitionskosten beteilige. „FDP, SPD und SSW blenden diesen Aspekt in ihrem Antrag vollständig aus“, so Hansen.
Die SPD hielt CDU und Grünen hingegen „Schwarzmalerei“ und Planlosigkeit vor. Zwei Millionen Euro jährlich reichten „natürlich nicht aus, um den Sanierungsstau entgegen zu wirken“, machte Birte Pauls (SPD) deutlich. Der Landesregierung hielt sie vor, einer „kalten Strukturbereinigung“ teilnahmslos zugeschaut zu haben. Krankenhausfinanzierung erfordere einen Plan, den sie bei der Landesregierung vermisse. Gerade in diesen Krisenzeiten sei es wichtig, dass das Land nicht nur in geplante Großprojekte investiere, „sondern eben auch alles tut, um möglichst umfassende Versorgungsangebote in der Fläche zu erhalten“, schloss Jette Waldinger-Thiering (SSW) an. „Beides ist aus unserer Sicht die absolute Grundvoraussetzung für eine zukunftssichere Versorgung“.
Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) betonte, obwohl sich Schleswig-Holstein in den vergangenen Monaten „umfassend, mit großer Kraft und auf allen Ebenen“ für seine Krankenhäuser eingesetzt habe, gebe es bis 2030 eine Finanzierungslücke von rund 628 Millionen Euro. Diese soll jedoch „sukzessive“ geschlossen werden.
Laut Ministerin sind Ende Januar 48 Millionen Euro an die Krankenhäuser ausgezahlt worden. Ab 2033 würden statt bislang 40 dann 80 Millionen Euro für Baumaßnahmen zur Verfügung stehen. Von der Decken betonte zugleich, die vom Bund geplante Strukturreform koste bundesweit insgesamt voraussichtlich 100 Milliarden Euro zusätzlich. „Diese Beträge werden Länder und Kommunen nicht alleine schultern können“, machte sie deutlich.
Schleswig-Holsteins Kliniken stehen finanziell unter Druck, etwa wegen Einnahmeausfällen während der Corona-Pandemie, als zahlreiche Operationen abgesagt und Stationen geschlossen werden mussten. Hinzu kommen gestiegene Energiekosten und die hohe Inflation. Vor diesem Hintergrund fordern SPD, FDP und SSW die Landesregierung auf, „auskömmliche Finanzmittel für versorgungsrelevante Krankenhausinvestitionen bereitzustellen“.
Auch CDU und Grüne setzen sich für zusätzliche Investitionsmittel für die Krankenhäuser im Land ein. Ein Alternativantrag der Regierungskoalition begrüßt die Entscheidung der Landesregierung, für die Krankenhausinvestitionsfinanzierung in den kommenden zehn Jahren zusätzliche Mittel in Höhe von 110 Millionen Euro landesseitig zur Verfügung zu stellen. Ab diesem Jahr sollen dazu jährlich die Investitionsmittel um jeweils zwei Millionen Euro anwachsen. Zudem sieht Schwarz-Grün den Bund in der Pflicht, sich an den durch die Krankenhausreform verursachten zusätzlichen Investitionsbedarfen zu beteiligen. Dies könne über eine Neuauflage des Krankenhausstrukturfonds geschehen.
Aktuell durchläuft das Diako-Krankenhaus in Flensburg ein Insolvenzverfahren und hat den Abbau von 110 Arbeitsplätzen angekündigt. Die Imland-Klinik mit Standorten in Eckernförde und Rendsburg hat im Dezember ebenfalls ein Insolvenzverfahren eingeleitet, im Gespräch ist eine Fusion mit dem Städtischen Krankenhaus Kiel. Das in finanzielle Notlage geratene Marien-Krankenhaus in Lübeck soll Berichten zufolge vom UKSH übernommen werden.
Zudem sind an mehreren Orten im Lande kostenintensive Neubauten geplant. Das Großprojekt „Sana Lübeck 2030“ mit dem Bau eines neuen Krankenhauses soll bis 2029 abgeschlossen sein. Im Kreis Pinneberg will die Regio-Klinik ein neues Zentralkrankenhaus errichten, die Städte Elmshorn und Pinneberg bewerben sich als Standort. Die Opposition im Landtag hatte zuletzt auf feste Zusagen des Landes zur Finanzierung dieser Maßnahmen gedrängt. Der Landtag hatte bereits im Dezember über das Thema debattiert.
Unterdessen hat das Land mit der Vorfinanzierung von Bundeshilfen in Höhe von rund 48 Millionen Euro an die Krankenhäuser begonnen. Nach einer Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins habe Berlin bundesweit 1,5 Milliarden Euro als pauschale Hilfe für Energiemehrkosten bis Ende März angekündigt, teilte das Gesundheitsministerium Mitte Januar mit. Diese Zahlungen kommen aus Sicht der Landesregierung aber zu spät, da die wirtschaftliche Situation vieler Kliniken bereits jetzt gefährdet sei. Die Summe von rund 48 Millionen Euro sei der Betrag, den der Bund aufgrund der Bettenzahlen für Schleswig-Holstein berechnet habe. Die Vorfinanzierung erfolgt den Angaben zufolge aus Mitteln des Ukraine-Notkredits.
Die Debatte über die Nord-Kliniken erfolgt vor dem Hintergrund der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angekündigten Krankenhausreform. Aufgrund der Erfahrungen während der Pandemie will der Minister die Fallpauschalen, die die Kliniken für Operationen und Behandlungen erhalten, absenken. Im Gegenzug sollen die Vorhaltepauschalen erhöht werden, mit denen die Bereitstellung einer medizinischen Grundversorgung honoriert wird. Zudem ist eine stärkere Spezialisierung der Kliniken geplant. Bis zum Sommer wollten Bund und Länder gemeinsam über die Ausgestaltung der Reform sprechen. Anfang 2024 soll die Reform in Kraft treten.
Die Länder fordern mehr Mitsprache bei der Reform. So warnte Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) Mitte Februar: Eine Krankenhausstrukturreform dürfe nicht dazu führen, dass bestehende gute Strukturen zerschlagen werden. Die Reform müsse den Bundesländern Gestaltungsmöglichkeiten offen lassen. Schleswig-Holstein mit Inseln und Halligen sei nicht mit anderen Bundesländern zu vergleichen.
Eine Folge der Reform wäre nach von der Deckens Angaben, dass es weniger Krankenhäuser mit Geburtshilfeabteilungen in Schleswig-Holstein geben würde. Denn ein Kernstück der Reform soll eine neue Zuordnung der Kliniken in Versorgungsstufen sein. Aktuell gibt es nach Angaben des Geschäftsführers der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein, Patrick Reimund, 5 Krankenhäuser des Levels 3 der maximalen Versorgung, 10 des Levels 2 der Schwerpunktversorgung und 15 des Levels 1 der Basisversorgung. Nach den Plänen des Bundes wären es künftig 5 Kliniken in Level 3, 5 in Level 2 und 20 in Level 1.
Geburtshilfe dürften nur noch Kliniken mindestens des Levels 2 anbieten. Diese Kliniken müssten gleichzeitig eine Schlaganfalleinheit vorhalten. In Schleswig-Holstein würden dann 6 von 16 Geburtsabteilungen automatisch wegfallen. In Nordfriesland gebe es dann gar keine geburtshilfliche Abteilung mehr.
Mitberaten wird zudem ein Antrag von CDU und Grünen, der beim Thema Gesundheitsversorgung eine stärkere Vernetzung des ambulanten und des stationären Bereichs vorsieht. Als Gründe gibt die Regierungskoalition zum einen die Versorgungssicherheit, zum anderen auch das Gegensteuern gegen den Fachkräftemangel an.
„Konkurrierende Doppelstrukturen gilt es zur Schonung von finanziellen und personellen Ressourcen und zur Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung zu vermeiden“, heißt es von Schwarz-Grün. Ziel müsse es sein, in der Versorgung über die Sektoren hinweg die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen „sinnvoll miteinander zu verbinden“. Dafür soll die Landesregierung mit politischen Akteuren und Patientenorganisationen auf Bundes- und Landesebene Ziele und Handlungsschritte definieren, fordern CDU und Grüne.
Weitergeführt werden soll auch der Versorgungssicherungsfonds. Darauf hatte sich die Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Der Fonds bildet demnach einen Baustein für die Sicherung und den Erhalt der medizinischen Grundversorgung in der Fläche. Mit den Mitteln des Versorgungssicherungsfonds soll die qualitative Weiterentwicklung der ambulanten, stationären und sektorenverbindenden Versorgung beschleunigt werden.
Gefördert werden laut Landesregierung „innovative und zukunftsweisende Konzepte, die eine flächendeckende und gut erreichbare, bedarfsgerechte Versorgung erhalten, stärken oder diese unter veränderten Rahmenbedingungen weiterentwickeln“.
FDP, SPD und SSW fordern in einem Änderungsantrag in Schleswig-Holstein eine Modellregion für eine „patientenzentrierte Gesundheitsversorgung“. Sie soll sich an „etablierten, gewachsene Patientenströmen“ orientieren und ein Budget erhalten, das sämtliche Kosten der ambulanten und stationären Leistungserbringung, aber auch der Patientensteuerung und des medizinischen und betriebswirtschaftlichen Managements abdeckt.
(Stand: 20. Februar 2023)
Auskömmliche Investitionsmittel für Krankenhäuser bereitstellen
Antrag der Fraktionen von FDP, SPD und SSW ‒ Drucksache 20/588(neu)
Alternativantrag CDU und Grüne‒ Drucksache 20/735
Stabile und bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung sektorenübergreifend weiter entwickeln
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/718
Änderungsantrag FDP, SPD und SSW ‒ Drucksache 20/733(neu)