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Nach der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug in Brokstedt hat die Landesregierung erste Schritte für mehr Sicherheit auf den Weg gebracht. „Zukünftig dürfen auch Polizistinnen und Polizisten in Zivil den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) kostenfrei nutzen, wenn sie eine Dienstwaffe bei sich tragen“, sagte Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) in der Landtagstagung.
Weiter wurde in der Debatte deutlich: Denkbar sind zudem eine Aufstockung des Personals der Deutschen Bahn und der Bundespolizei, Video-Überwachung in Zügen, ein Waffenverbot an Bahnhöfen und eine bessere Beleuchtung der Bahnanlagen. Konkrete Schritte soll eine Konferenz benennen, zu der das Land die Bahnunternehmen, die Kommunen und die Polizei einlädt. Ein entsprechender Antrag von CDU und Grünen stieß im Landtag auf großen Zuspruch.
Die kostenlose Nutzung der Bahn von Polizisten in Zivil, die eine Dienstwaffe tragen, erhöhe das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste, betonte Birte Glißmann (CDU). Die Sicherheit sei neben Sauberkeit und Service einer der wichtigsten Punkte für die Fahrgäste, gerade abends und nachts. Auch das Begleitpersonal nehme verstärkt ein „Aggressionspotential“ wahr. „Es kann und darf nicht sein, dass Kundinnen und Kunden den ÖPNV aus Sicherheitsgründen meiden oder Zugbegleitpersonal in den Abendstunden ungern Fahrkartenkontrollen durchführen möchte“, so Glißmann.
Wegen des Neun-Euro-Tickets sei es im vergangenen Jahr zu volleren Zügen und zu deutlich mehr Übergriffen und Beleidigungen gekommen, sagte Nelly Waldeck (Grüne). Weder überfüllte Bahnen noch Verspätungen seien ein Grund, seine Aggressionen am Personal auszulassen, stellte sie klar: „Das ist absolut das Letzte.“ Niemand sollte „Angst haben, nach der Endstation mit einem unangenehmen Fahrgast allein auf dem Bahnsteig zu stehen.“ Grundsätzlich bleibe die Bahn ein sicheres Verkehrsmittel: „Das Risiko, in einem Zug einen Unfall zu erleben ist 164 Mal geringer als in einem Auto.“
„Eine Realität, an der wir nicht vorbeikommen, ist, dass viele Menschen sich an Bahnhöfen und in Zügen nicht wohlfühlen“, merkte Niclas Dürbrook (SPD) an. Wenn ein Bahnhof barrierefrei umgebaut und „für Fahrräder optimiert“ werde, dann müssten stets auch die „Angsträume“ abgebaut werden, die wegen der schummerigen „70er-Jahre-Beleuchtung“ entstünden.
Die Idee einer Sicherheitskonferenz sei „wirklich gut gemeint“, so Bernd Buchholz (FDP), aber sie zeige auch „die Hilflosigkeit der Regierungsfraktionen im Umgang mit dem, was in Brokstedt passiert ist“. Ein Waffenverbot sei zwar erstrebenswert, aber „wer soll das eigentlich kontrollieren?“ Das Schlimme an der Tat von Brokstedt sei, dass der Tatort „völlig willkürlich“ gewesen sei. Es hätte auch im Kieler Rathaus, in einem Geschäft oder auf dem Bahnhofvorplatz passieren können.
Der SSW enthielt sich als einzige Fraktion der Stimme. Eine Konferenz sei zwar sinnvoll, gab die Abgeordnete Sybilla Nitsch zu bedenken, aber es sei besser, mit den Nachbarländern gemeinsame Lösungen zu suchen: „Alleingänge helfen uns nicht weiter.“ Eine Video-Überwachung im Zug kritisierte sie als „drastische Maßnahme“ und „Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“.
Es müsse geklärt werden, wer die Daten speichere und wer darauf zugreifen dürfe. Schon jetzt gebe es in zahlreichen Zügen Videokameras, entgegnete Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos), etwa in der Hamburger S-Bahn, der AKN, der Nordbahn sowie auf den Strecken Hamburg-Flensburg, Lübeck-Neustadt und Kiel-St. Peter-Ording. Er kündigte ein Pilotprojekt mit sogenannten Body-Cams an. Zu der Konferenz werde er rasch einladen, so Ruhe Madsen, ein erstes Treffen finde bereits am Nachmittag statt.
Die Koalitionsfraktionen rufen die Landesregierung auf, eine „Konferenz zur Erhöhung der Sicherheit im ÖPNV“ anzuberaumen und aus den Ergebnissen ein Konzept zu erarbeiten. Als Konsequenz aus der Bluttat in einem Regionalexpress sei die Aufstockung des Sicherheitspersonals bei der Deutschen Bahn und der Bundespolizei sowie die Ausweitung der Videoüberwachung in Zügen denkbar, heißt es in dem schwarz-grünen Antrag. Polizisten in Zivil, die eine Dienstwaffe tragen, sollen die Bahn kostenlos nutzen können – so wie es bei uniformierten Beamten bereits der Fall ist. Zudem soll ein Waffenverbot im Bahnhofsbereich und eine bessere Beleuchtung von Bahnhöfen und Unterführungen zur Vermeidung von Angsträumen geprüft werden.
Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hatte Anfang Februar im Innen- und Rechtsausschuss bereits ähnliche Vorschläge gemacht. „Dazu gehört die Videoüberwachung in Zügen und Bahnhöfen, eine angemessene Beleuchtung an Bahnhöfen und an Angsträumen“, sagte sie . Zudem prüfe die Regierung die Installation eines Knopfes für einen stillen Alarm in Waggons. Neben Uniformierten sollten auch Polizistinnen und Polizisten in Zivil mit Dienstwaffe kostenlos mit der Bahn fahren dürfen, wenn sie sich zu Beginn der Fahrt beim Zugpersonal anmelden, so Sütterlin-Waack. Auch die Zusammenarbeit der Behörden müsse verbessert werden.
Der Palästinenser Ibrahim A. hatte am 25. Januar in einem Zug von Kiel nach Hamburg auf Höhe Brokstedt mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen. Zwei junge Menschen starben, fünf weitere Menschen wurden verletzt. Der mehrfach vorbestrafte Verdächtige wurde verhaftet. Er war eine Woche zuvor aus Hamburger U-Haft entlassen worden.
(Stand: 20. Februar 2023)
Sicherheit im ÖPNV erhöhen
Antrag der Fraktionen von CDU und B´90/Die Grünen ‒ Drucksache 20/708