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Blockierte Straßen und Landebahnen, zerstörte Kunstwerke und besetzte Pipelines: Mit solchen Aktionen versucht die Gruppierung „Letzte Generation“ auf den Klimawandel und die Folgen aufmerksam zu machen. Doch ist das Extremismus oder gar Terrorismus? Und wie ist damit umzugehen? Darüber hat der Landtag auf Antrag der FDP rund eine Stunde emotional diskutiert. Während CDU und FDP den Klimaaktivisten vorwarfen „einen Keil in die Gesellschaft“ zu treiben und „Demokratie und Rechtsstaat zu verachten“, versuchten Grüne, SPD und SSW eine differenziertere Betrachtung.
„Extremismus fängt da an, wo Aktivisten für ihren Protest bewusst Gesetze brechen. Das darf eine Zivilgesellschaft nicht hinnehmen, selbst wenn die Anliegen von Demonstranten wichtig sind“, hieß es im Antrag der Liberalen, der jedoch von allen anderen Fraktionen abgelehnt wurde. Er könne die Ungeduld und Unzufriedenheit vor allem der jungen Menschen verstehen, was die „Letzte Generation“ mache, habe mit legitimem Protest aber nichts mehr zu tun, begründete FDP-Fraktionschef Christopher Vogt den Vorstoß. „Der Zweck heiligt in einem Rechtstaat eben nicht die Mittel“, sagte er.
Tim Brockmann (CDU) erklärte, die „schändlichen Angriffe auf Kulturgüter“ seien kein politischer Aktivismus, sondern Vandalismus. Der Rechtsstaat müsse „klare Kante“ gegen die radikalen Klimaaktivisten zeigen. „Es gibt keine guten oder schlechten Straftaten, Straftaten bleiben Straftaten und sind auch als solche zu verfolgen“, so Brockmann.
Lasse Petersdotter vom grünen Koalitionspartner unterstrich, er könne die Verzweiflung vieler Aktivisten verstehen. Diese Erde existierte seit über viereinhalb Milliarden. Die Menschen hätten es in dieser Zeitrechnung in drei Sekunden geschafft, den Planeten zu zerstören und würden die vierte Sekunde vielleicht nicht mehr erleben. Petersdotter verwies darauf, dass auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, die Gruppierung nicht als extremistisch einstufe. Und: Das Pariser Klimaabkommen habe in Deutschland einen Gesetzesrang. „Man könnte auch sagen, dass dieses Gesetz gebrochen wird“, so der Fraktionschef der Grünen.
Sie verstehe den Klimawandel als einen der drängendsten Probleme unserer Zeit, unterstrich Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut - auch mit „ungewöhnlichen Formen von Protesten“. Straftaten dürften aber nicht als legitimes Mittel zur Durchsetzung von Forderungen angewendet werden. „Sie müssen und werden zügig im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt und geahndet“, so die Ministerin.
Die SPD reichte einen eigenen Antrag ein, der jedoch von Schwarz-Grün abgelehnt wurde. Berechtigte Kritik in einem Rechtsstaat bilde keine Rechtfertigung für strafbare Protestformen, die nicht durch die Grundrechte der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit legitimiert werden können, machte Kai Dolgner (SPD) klar. Terrorismusvergleiche seien jedoch unangemessen. „Bei aller Kritik müssen wir noch eine Abstufung erkennen“, so Dolgner.
Auch Lars Harms (SSW) wand sich klar dagegen, dass die Formen der Proteste Extremismus oder gar Terrorismus seien. „Mein Verständnis von Terrorismus ist ein anderes, es sind Taten wie wir sie seinerzeit von der RAF oder vom NSU her kennen. Dort ging es direkt um die Gefährdung von Menschenleben oder das Töten von Menschen. Das sind grundlegende Unterschiede“, sagte er. Auch ob es sich bei der „Letzten Generation“ um die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung handelt, sei seines Erachtens „durchaus fraglich“.
Mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP bei Enthaltung des SSW wurde schließlich der schwarz-grüne Änderungsantrag angenommen. Darin heißt es, der Landtag „nimmt zur Kenntnis, dass mit unterschiedlichen Aktionen auf die Verschärfung der Klimakrise aufmerksam gemacht wird“. Von der Versammlungsfreiheit gedeckter politischer Protest sei ein wichtiger Teil der politischen Kultur in Deutschland. Straftaten zur Durchsetzung politischer Ziele seien jedoch inakzeptabel und werden entschieden abgelehnt.
Die FDP will einen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtages gegen radikale Proteste von Klimaschützern herbeiführen. In einem Antrag heißt es, die bisherigen Bemühungen um einen effektiven Klimaschutz reichten nicht aus. Aber radikale Proteste wie gefährliche Eingriffe in den Straßen- oder Flugverkehr, die Gefährdung von Menschenleben oder Beschädigungen an Kunstwerken und Gebäuden dürften nicht geduldet werden.
„Extremismus fängt da an, wo Aktivisten für ihren Protest bewusst Gesetze brechen“, argumentieren die Liberalen. „Das darf eine Zivilgesellschaft nicht hinnehmen, selbst wenn die Anliegen von Demonstranten wichtig sind.“ Niemand habe das Recht, sich über Gesetze hinwegzusetzen, selbst wenn ein höheres Ziel beansprucht wird.
Der Unmut gilt der Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“. Die Gruppe verlangt von der Bundesregierung einen besseren Klimaschutz und fordert unter anderem ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen und ein 9-Euro-Bahnticket für ganz Deutschland. In den vergangenen Monaten haben Mitglieder und Sympathisanten der Gruppierung immer wieder mit Klebe-Aktionen Straßen blockiert, Kunstwerke attackiert oder etwa in Berlin den Hauptstadtflughafen BER zeitweise lahmgelegt.
(Stand: 12. Dezember 2022)