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Wer sich um ein öffentliches Mandat bewirbt, sei es in der Kommune oder im Land, muss künftig nicht mehr die vollständige Adresse offenlegen. Das sieht ein einstimmiger Antrag von CDU und Grünen vor. Lediglich Wohnort und Postleitzahl müssen auf dem Stimmzettel stehen. Damit sollen Kandidaten vor Anfeindungen geschützt werden. „Es ist traurig, dass wir diesen Schritt gehen müssen, aber er ist unverzichtbar, wenn wir unsere lebendige Demokratie in Schleswig-Holstein schützen wollen“, verwies Birte Glißmann (CDU) auf Zahlen des Landeskriminalamts. Demnach gab es im Lande 41 Angriffe auf Mitglieder von Parteien im Zeitraum von Januar 2018 bis November 2020.
Das Innenministerium soll nun die Wahlordnungen für Gemeinde, Kreis und Land entsprechend ändern. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) kündigte an, dies bis Ende November zu erledigen, damit die neue Regelung bereits zur Kommunalwahl im Mai 2023 gilt. „Das schützt die Kandidatinnen und Kandidaten nicht nur während des Wahlkampfes, sondern auch danach, vor Beschimpfungen, Beleidigungen und Bedrohungen im privaten Umfeld“, so die Ministerin. Thomas Losse-Müller (SPD) stimmte zu: „Menschen, die überlegen, zur Kommunalwahl anzutreten, müssen die Sicherheit haben, dass wir sie schützen“
Der Schritt reiche nicht aus, mahnte Bernd Buchholz (FDP): „Ist das wirklich Schutz, wenn wir nur noch den Wohnort nennen?“ Buchholz verwies auf ein gewandeltes gesellschaftliches Klima mit einer wachsenden Aggressivität gegen den Staat und seine Repräsentanten. Dies sei Ausdruck einer „Entfernung der Menschen von der Demokratie“. Dieses Thema behandelt auch der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021, den der Landtag an den Innen- und Rechtsausschuss überwiesen hat.
Ein weiteres Thema der Debatte war der von Innenministerin Sütterlin-Waack vorgestellte Verfassungsschutzbericht. Daraus geht hervor, dass vor allem politisch motivierte Kriminalität deutlich zugenommen hat – um 381 Fälle oder knapp 37 Prozent. Bei den Taten ohne Gewalt gab es einen Anstieg um mehr als 39 Prozent. Entsprechende Fälle wurden demnach vor allem im Umfeld von Protesten gegen Corona-Maßnahmen sowie im Zusammenhang mit der Bundestagswahl verzeichnet. Weitere Beobachtungen der Verfassungsschützer: Aktuelle Probleme wie etwa der Preisanstieg, der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie verschärfen die Situation. Der Bericht wird im innen- und Rechtsausschuss weiter beraten.
Weitere Redner:
Jan Kürschner (Grüne), Christian Dirschauer (SSW)
CDU und Grüne fordern einen besseren Schutz von Kandidaten bei Wahlen. Sie bitten die Landesregierung, das Wahlrecht so anzupassen, „dass den Kandidatinnen und Kandidaten zu Wahlen über die bisherigen Bestimmungen hinaus die Möglichkeit eingeräumt wird, statt der vollständigen Wohnanschrift lediglich den Wohnort und die Postleitzahl auf dem Stimmzettel anzugeben“. Die Begründung: Auch in Schleswig-Holstein komme es zu Angriffen auf Privathäuser beziehungsweise Privatwohnungen. In einem Zeitraum von Januar 2018 bis November 2020 habe das Landeskriminalamt insgesamt 41 solcher Angriffe auf Mitglieder von Parteien verzeichnet.
Zum Thema passend wird in der Debatte der aktuelle Verfassungsschutzbericht mitberaten, den Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) Ende Juli vorgestellt hat. Daraus geht hervor, dass vor allem politisch motivierte Kriminalität deutlich zugenommen hat – um 381 Fälle oder knapp 37 Prozent. Bei den Taten ohne Gewalt gab es einen Anstieg um mehr als 39 Prozent. Entsprechende Fälle wurden demnach vor allem im Umfeld von Protesten gegen Corona-Maßnahmen sowie im Zusammenhang mit der Bundestagswahl verzeichnet.
Weitere Beobachtungen der Verfassungsschützer: Aktuelle Probleme wie etwa der Preisanstieg, der Krieg in der Ukraine und die Corona-Pandemie verschärfen die Situation. „Die Feinde unserer Demokratie versuchen – von innen wie von außen und in der virtuellen wie in der realen Welt – aktuelle Krisen für ihre Zwecke zu nutzen“, sagte Sütterlin-Waack bei der Vorstellung des Berichts. Sogenannte Delegitimierer lehnten staatliche Institutionen ab und machten sie verächtlich, um einen Wechsel des politischen Systems herbeizuführen.
Extremisten unterschieden sich in einem wesentlichen Punkt von bürgerlichen, besorgten oder verärgerten Milieus, sagte der stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzes, Wolfgang Klonz. In Telegram-Gruppen und anderen Kanälen werde kundgetan: „Wir müssen dem Protest neue Nahrung geben.“ Deutlich gestiegene Preise seien ein guter Grund für Bürger, ihrer Sorge und Angst Ausdruck zu verleihen.
RECHTSEXTREMISMUS:
Die Verfassungsschützer registrierten eine verstärkte Verlagerung von Aktivitäten von der realen in die virtuelle Welt. Trotz leichten Rückgangs der Gewaltdelikte bleibe die Gewaltbereitschaft der Szene auf hohem Niveau, sagte Sütterlin-Waack. Dem Spektrum werden rund 1200 Norddeutsche zugerechnet, 20 mehr als 2020. 350 gelten als gewaltorientiert (2020: 340). Die NPD verlor 20 Mitglieder, nun sind es 100.
ISLAMISMUS und ISLAMISTISCHER TERRORISMUS:
Bei Islamisten gab es ein Plus auf 866 Personen (846). Weiterhin werden 750 Menschen dem Salafismus zugerechnet. „In Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein besteht weiterhin ein abstrakt hohes Gefährdungspotential für islamistisch motivierte Anschläge“, sagte Sütterlin-Waack.
LINKSEXTREMISMUS:
Hier verzeichneten die Behörden einen leichten Anstieg von 730 auf 735 Personen, der gewaltorientierten Szene gehören weiter 340 an. Auffällig waren Aktivitäten im Bereich der Klimabewegung. Es ist der linken Szene laut Bericht aber nicht gelungen, angestrebte Vernetzungen ins zivilgesellschaftliche Spektrum auszubauen.
ANTISEMITISMUS:
Es gab eine Zunahme um 28 auf 73 Taten. Schwerpunkt waren Volksverhetzungen (51 Fälle). Überwiegend handele es sich den Angaben zufolge um im Internet begangene Straftaten.
REICHSBÜRGER und „SELBSTVERWALTER“:
Hier registrierten die Verfassungsschützer einen Anstieg um 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 480 Personen. Er sei vor allem mit den Corona-Einschränkungen zu erklären. Die Szene fasse staatliche Maßnahmen grundsätzlich als unrechtmäßige Repressalien auf. 17 Personen hatten waffenrechtliche Erlaubnisse und besitzen 58 Waffen. 15 Personen sind aus rechtsextremistischen Bestrebungen bekannt.
DELEGITIMIERUNG:
Wie hoch das Potenzial der Radikalisierung über soziale Medien in der Corona-Pandemie war, zeigt laut Verfassungsschutz der öffentliche Telegram-Kanal „Freie Schleswig-Holsteiner“. Er habe innerhalb weniger Wochen knapp 8000 Abonnentinnen und Abonnenten gehabt. Zweck des Kanals war demnach laut Eigenbeschreibung eine Bündelung des „Widerstands“ im Norden.
(Stand: 29. August 2022)
Vorherige Debatten zum Thema:
April 2018 (Adressangaben / 19. Wahlperiode)
August 2021 (Verfassungsschutzbericht 2020/19. WP)