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Das Parlament befasst sich den ganzen Tag über mit dem Ukraine-Krieg und den Auswirkungen auf Schleswig-Holstein. Ministerpräsident Günther setzt in einer Regierungserklärung Schwerpunkte des politischen Handelns.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bringt auch für Schleswig-Holstein weitreichende Veränderungen mit sich. Die „bittere Gewissheit“, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei, zwinge zum „Umdenken“ und „Umsteuern“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einer Regierungserklärung. Die ukrainischen Flüchtlinge müssten untergebracht, der Bevölkerungsschutz gewährleistet und die Versorgung mit Energie und Nahrung gesichert werden, so Günther. In der aktuellen „dynamischen Lage“ gebe es aber „keine abschließenden Antworten“. SPD-Fraktionschefin Serpil Midyatli warnte die Landesregierung davor, bei der Krisenbewältigung im Land „handwerklich politische Fehler“ zu machen.
Landtagsvizepräsidentin Kirsten Eickhoff-Weber hatte zum Auftakt der Tagung ebenfalls konkretes Handeln angemahnt: „Es kommt gerade jetzt nicht nur auf Symbolik an, sondern vor allem auf praktisches Tun – darauf, dass wir den vor Putins Krieg Geflüchteten bei uns Schutz, Geborgenheit und Nächstenliebe schenken“, sagte sie in einer Ansprache an die Abgeordneten, bevor das Parlament sich zu einer Gedenkminute für die Opfer des Krieges erhob.
„Die momentan größte Herausforderung für Schleswig-Holstein ist die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge“, hob der Regierungschef in seiner Regierungserklärung hervor. Derzeit lebten mehr als 2.600 Kriegsflüchtlinge in den Landesunterkünften sowie weitere 3.000 in den Kreisen. Günther kündigte an, „binnen eines Monats“ weitere 5.500 Plätze in den Landesunterkünften Rendsburg, Bad Segeberg, Boostedt und Neumünster schaffen zu wollen. Der Ministerpräsident forderte vom Bund eine „faire Kostenteilung“ mit Ländern und Kommunen. Berlin müsse zudem für einen Gesamtüberblick sorgen: „Wir müssen wissen, wer sich bei uns aufhält.“
Zudem werde der Katastrophenschutz rascher als geplant ausgebaut – mit einem neuen Lager, einem Krisenzentrum, moderneren Fahrzeugen und Geräten sowie einer „einheitlichen Leitstellensoftware“ für Polizei, Feuerwehr und Zivilschutz. Um „noch schneller unabhängig“ von russischem Öl und Gas zu werden, seien das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel und die vorgesehene Elektrobatteriefabrik in Heide wichtige Bausteine: „Mit Wasserstoff und grünen Batterien reduzieren wir unsere Abhängigkeit.“ Günther nannte es zudem „ethisch nicht verantwortbar“, weitere Agrarflächen „aus der Produktion zu nehmen“. Die Produktion von Lebensmitteln sei derzeit wichtiger als der Umweltschutz.
„Die Lösung können nur erneuerbare Energien sein“, unterstrich Oppositionsführerin Serpil Midyatli (SPD). Der Ausbau im Lande müsse „schneller und in einer anderen Dimension“ vorangehen als bisher von der Landesregierung geplant. Midyatli machte sich zudem für eine „Mobilitätsprämie“ stark, um Menschen zu entlasten, die unter den derzeit hohen Energiepreisen leiden. Mit Blick auf die Aufnahme von Flüchtlingen stellte die SPD-Politikerin fest: „Die Landesregierung war nicht optimal aufgestellt.“ Vielerorts habe es Probleme bei der Wohnungssuche und beim Schulbesuch gegeben. Derzeit gebe es „keinerlei Spielraum für handwerkliche politische Fehler“, so Midyatli: „Kümmern Sie sich darum, dass die Dinge vor Ort funktionieren.“
Die Oppositionsführerin stellte sich hinter das von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigte 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr. Es sei richtig, dies „in Rekordzeit anzupacken“, und der Berliner Ampel werde das auch gelingen. Midyatli rief dazu auf, von „Putins Krieg“ zu sprechen und die aktuelle Lage nicht den Russen anzulasten, die in Schleswig-Holstein leben. „Es ist Putins Strategie, die russischsprachige Community zu instrumentalisieren und unsere Gesellschaft zu spalten“, mahnte sie.
„Wir erleben eine Welle der Solidarität“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch. Solidarität allein und „auch eine noch so große Hilfsbereitschaft“ könnten aber den Krieg nicht beenden. Das gelte voraussichtlich auch für die gegen Russland verhängten Sanktionen. „An den Verhandlungstisch wird Putin erst dann wieder zurückkehren, wenn er eine militärische Niederlage fürchten muss“, so Koch. Deshalb spielten die Waffenlieferungen an die Ukraine eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund sei auch die Stärkung der Bundeswehr „dringend notwendig, um das Abschreckungspotential der NATO zu erhöhen“.
Zu dem „Dilemma“ der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen sagte Koch, dass es zumindest bei Kohle und Öl kurzfristig möglich sei, sich von russischen Lieferungen unabhängig zu machen. Dennoch führe die aktuelle Krise der Politik vor Augen „dass wir in vielen Bereichen radikal umdenken müssen“, so der Christdemokrat. Langfristig müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. „Wir müssen bei Wasserstoff-Elektrolyse, Batteriezellen-speicherung und regenerativer Energieerzeugung deutlich schneller vorankommen, als bislang geplant.“ Im Zeichen der Energiewende habe Schleswig-Holstein das Potential, zum klimaneutralen Industrieland aufzusteigen.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Eka von Kalben, befürworte die Entscheidung der Bundesregierung, die Bundeswehr besser auszustatten „Eine Bundeswehr, die sich nicht wehren kann, brauchen wir nicht“, sagte sie. Für „eine sichere Welt, für ein sicheres Deutschland“ brauche es aber „mehr als Kampfhubschrauber oder Drohnen“. Neben der Entwicklungsarbeit, um in der Welt demokratische Kräfte zu stärken, sei auch ein höheres Maß an Cybersicherheit erforderlich. Denn das Internet sei „eine Kriegsplattform, die ganz ohne Panzer und Gewehre lebensbedrohlich sein kann“.
Über den Krieg in der Ukraine dürften andere gravierende Krisen wie die Klima-Krise, das Artensterben und die Corona-Pandemie nicht vergessen werden, gab die Grünen-Politikerin zu bedenken. „Wir dürfen nicht kurzsichtig handeln.“ Mit Blick auf die aktuell steigenden Preise für Energie und Lebensmittel sagte von Kalben: „Es ist wichtig, dass es Entlastungen gibt.“ Diese müssten aber „so zielgerichtet und sozial wie möglich“ gestaltet werden.
Für FDP-Fraktionschef Christopher Vogt waren die Deutschen Russland gegenüber „viel zu lange, viel zu gutmütig“ gewesen. „Russland ist ein KGB-Mafiastaat geworden, der nicht mehr einzuordnen ist“, sagte er und sprach sich dafür aus, dass die Ukraine noch mehr Waffen bekommt. „Wenn unsere Bestände nicht mehr ausreichen, müssen Waffen zugekauft werden“, forderte Vogt. Es gehe nicht um Aufrüstung, sondern Ausrüstung. Eine verbindliche Wehrpflicht lehnte er ab. Vogt zollte zudem den Ukrainern Respekt. Sie verteidigten Freiheit und Demokratie, „vor denen sich Putin fürchtet“.
Vogt sprach sich gegen die Stilllegung von Flächen für Naturschutz in der derzeitigen Situation aus. Zwar sei die Ernährung in Deutschland und Europa seiner Ansicht nach gesichert, er mache sich aber Sorgen um die Ernährungslage „in Afrika und anderen Teilen der Welt“, so Vogt. Und: Man müsse den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken und auch den Wiederbetrieb vom AKW Brokdorf „ernsthaft prüfen“. Das sei technisch ohne weiteres möglich.
Der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms, befürchtete, dass Waffenlieferungen in jüngster Zukunft aufgrund neuer Konflikte häufiger werden. Es sei wichtig, die Bundeswehr wieder „instand zu setzen“. Dabei gehe es nicht um eine Aufrüstungsspirale, sondern darum, „die Wehr in die Lage zu versetzen, ihrer Aufgabe nachzukommen“, so Harms: „Das ist unser Beitrag zur Friedenssicherung.“
Vehement sprach sich Harms gegen neue LNG-Terminals aus. Das sende „völlig falsche Signale“ aus. Unternehmen planten nun die nächsten 30 bis 40 Jahre mit Flüssiggas, was überhaupt nicht umweltfreundlich sei. Stattdessen müsse Schleswig-Holstein mehr Geld in die Forschung von heimischem grünem Wasserstoff und den Ausbau der Windenergie stecken, forderte er. Zudem müssten die Planungen für Photovoltaik-Anlagen forciert werden.
Jörg Nobis vom Zusammenschlusses der AfD begrüßte das Engagement zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Dies geschehe allerdings „grundsätzlich temporär“. Er gehe davon aus, dass die Menschen später freiwillig wieder Deutschland verlassen werden.
Nobis betonte, Einsatzbereitschaft und Verteidigungskraft der Bundeswehr gebe es „nicht zum Nulltarif“. Er forderte „eine sachgerechte Ausstattung“ der Truppe und für den Wiedereinstieg in die Wehrpflicht. Ein entsprechender Antrag der AfD, der zudem die Landesregierung aufforderte, sich auf Bundesebene für eine Stärkung der schleswig-holsteinischen Bundeswehrstandorte einzusetzen, wurde abgelehnt.
Der Landtag richtet in seiner März-Tagung das Hauptaugenmerk auf den Ukraine-Krieg. Eingeleitet durch eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wird das Plenum den ganzen ersten Sitzungstag die aktuelle Situation und die Folgen für Schleswig-Holstein diskutieren. So geht es im Anschluss an Günthers Grundsatz-Ausführungen in mehreren Debattenblöcken um Fragen, was Schleswig-Holstein bei der Flüchtlingshilfe oder der Energiegewinnung tun kann und wie gravierend die Folgen für die heimische Wirtschaft sind. Auf dem Tisch liegen hierzu insgesamt knapp 15 Anträge.
Die den Tag einleitende Regierungserklärung trägt den Titel „Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf Schleswig-Holstein“. Mit in diese Aussprache fließt ein Antrag des AfD-Zusammenschlusses ein. Die Oppositionspolitiker begrüßen in dem Papier die 100-Milliarden-Investition in die Bundeswehr und die Ankündigung der Bundesregierung, zukünftig zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für den Verteidigungsetat zu verausgaben. Zudem wird mit dem Antrag die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Stärkung der schleswig-holsteinischen Bundeswehrstandorte gefordert.
(Stand: 21. März 2022)
Vorherige Debatten zum Thema:
Februar 2022
Mai 2019 (Rüstungsexport)