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23. September 2021 – September-Plenum

Prien verteidigt harte Linie im Gender-Streit

Soll künftig von „Lehrer*innen“ oder „Schüler_innen“ die Rede sein? Die Gender-Sprache ist Gegenstand heftiger öffentlicher Diskussionen und beschäftigt aus aktuellem Anlass auch den Landtag.

Strehlau Ines Grüne Plenum
Die Grüne Ines Strehlau sieht beim Gender-Thema die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ in der Koalition als belastet an. Foto: Michael August

Der Gender-Erlass von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) spaltet den Landtag, und die Fronten verlaufen quer durch die Jamaika-Koalition. Die Ministerin hatte Anfang September die Schulen aufgefordert, Gender-Stern, Binnen-I, Gender-Gap oder Schrägstrich in schriftlichen Arbeiten als Fehler zu bewerten. „Sonderzeichen erschweren den Lernprozess erheblich“, erläuterte die Ministerin heute im Landtag. Deswegen sei es notwendig gewesen, für Klarheit zu sorgen.

Ines Strehlau (Grüne) sprach hingegen von einem „groben politischen Foul“, das die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ der Koalition belaste. „Sprachentwicklung per Erlass zu verbieten ist ein großer politischer Rückschritt“, so Strehlau.

Brodehl beklagt „Gender-Sprachpolizisten“

Brodehl Frank parteilos Plenum
Frank Brodehl (parteilos) Foto: Michael August

Der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl und der AfD-Zusammenschluss hatten die Landtagsdebatte angestoßen. Sie stellten sich hinter die Bildungsministerin. Brodehl wandte sich dagegen, „Sonderzeichen, Wortneuschöpfungen und eine falsche Grammatik“ an den Schulen zu verwenden. Die Vorgaben der „Gender-Sprachpolizisten“ würden von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Die deutsche Sprache stehe unter einem „linksideologischen Beschuss“, klagte auch Claus Schaffer (AfD). Gendern stelle keinen natürlichen Sprachwandel dar, sondern sei „künstlich konstruiert“, um „die deutsche Identität zu zerstören“.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch hatte die Debatte in einem Zeitungsinterview mit der Forderung befeuert, einen Volksentscheid zum Gendern abzuhalten. „Die Gleichstellung von Frauen und Männern lässt sich auch ohne Sonderzeichen erreichen“, so Koch in der Landtagsdebatte. Das Diktat im Deutschunterricht dürfe „nicht zum Ort der Auseinandersetzung werden“. Auch Christopher Vogt (FDP) zeigte sich Gender-skeptisch: „Unsere Sprache entwickelt sich weiter, aber bitte nicht auf Anordnung.“ Er sei der Ministerin dankbar, für eine einheitliche Rechtschreibung an den Schulen gesorgt zu haben. 

SPD: „peinliche Feldzug“

Martin Habersaat (SPD) warf Prien hingegen einen „peinlichen Feldzug gegen das Gendern“ vor. Die Ministerin wolle offenbar „Innovation und Entwicklung durch Verbote verhindern“. Prien hatte sich in ihrem Erlass auf eine Vorgabe des damals sozialdemokratisch geführten Bildungsministeriums aus dem Jahr 2006 bezogen. In den vergangenen 15 Jahren habe sich jedoch „eine Menge getan“, so Habersaat. 

Die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering sprach von einem „hektischen Aufbäumen derjenigen, die nicht ertragen, dass sich ihre Umwelt ausdifferenziert“. Sie schlug vor, ab einer bestimmten Klassenstufe „Unterrichtseinheiten in geschlechtergerechter Sprache“ abzuhalten und es danach den Schülern freizustellen, wie sie schreiben.

Debatte um schlechtere Noten an den Unis

Ein weiterer Punkt: Berichten zufolge werden an einigen deutschen Hochschulen Seminararbeiten schlechter bewertet, wenn sie nicht in Gender-Sprache verfasst sind. Das stieß im Parlament auf Kritik. Diese Frage sei „rechtlich nicht abschließend geklärt“, so Ministerin Prien. Die „Wissenschaftsfreiheit“ der Dozenten stehe dem Anspruch der Studenten auf eine rechtssichere Behandlung gegenüber. „Nach meiner persönlichen Überzeugung“, dürfe es wegen der Sprache aber keinen Punkt- oder Notenabzug geben.

Der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl hat das Thema Gender-Sprache auf die Tagesordnung gesetzt. Er plädiert dafür, „die Klarheit, die Erlernbarkeit und die Lebendigkeit der deutschen Sprache“ zu erhalten. „Sonderzeichen oder eigenmächtige Wortneuschöpfungen“ sollen in den Schulen des Landes „grundsätzlich nicht gestattet sein“, fordert er in seinem Antrag. Und: Studenten, die in ihren Arbeiten keine Gender-Sprache verwenden, sollen deswegen nicht benachteiligt werden.

Berichten zufolge sind an einigen deutschen Hochschulen Arbeiten wegen des Verzichts auf Gender-Formulierungen schlechter benotet worden. Der AfD-Zusammenschluss im Landtag macht sich in einem eigenen Antrag für „eine einheitliche Rechtschreibung entsprechend des Rats für deutsche Rechtschreibung in der gesamten Landesverwaltung und sämtlichen sonstigen Landeseinrichtungen“ stark.

Volksentscheid über das Sternchen im Wort?

Brodehl und die AfD-Politiker im Landtag stellen sich hinter Bildungsministerin Karin Prien (CDU). Die Ministerin hatte Anfang September einen Erlass an die Schulen versandt, wonach Gender-Stern, Binnen-I, Gender-Gap und Schrägstrich nicht vom amtlichen Regelwerk gedeckt sind und daher in schriftlichen Arbeiten als Fehler bewertet werden sollen. Die Vorgabe, sich an die Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung zu halten, sei nicht neu, so Prien. Sie weist darauf hin, dass diese Regeln bereits seit 2006 gelten, unabhängig von der Zusammensetzung der jeweiligen Landesregierung.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Tobias Koch hat zudem einen Volksentscheid zum Gendern ins Spiel gebracht. Er könne verstehen, dass Menschen sich immer weniger vom Staat vertreten fühlten, wenn sie Behördenschreiben in einer Sprache erhielten, die nicht dem allgemeinen Konsens entspreche, so Koch in einem Interview Anfang September.

Grüne geben Prien kontra

Kochs Vorstoß und der Erlass von Ministerin Prien stießen bei den in Schleswig-Holstein mitregierenden Grünen auf Kritik. „Dass an Hochschulen mit dem * gegendert werden darf und auch viele Nachrichten mittlerweile mit : gegendert werden, unseren Schüler*innen aber genau dieses verboten werden soll, halte ich für völlig unlogisch“, wird die Landeschefin der Partei, Anna Tranziska, zitiert. Es sei falsch, Kindern und Jugendlichen Fehler anzurechnen, wenn sie mit Genderstern oder Doppelpunkt arbeiten.

(Stand: 20. September 2021)

Vorherige Debatte / Meldung zum Thema:
Juni 2020 / August 2020 (ohne Aussprache)

Anträge

Klarheit, Erlernbarkeit und Lebendigkeit der deutschen Sprache in Schulen, Hochschulen und Universitäten sichern – keine Aufhebung von Rechtschreib- und Grammatikregeln zugunsten der „Gendersprache“
Antrag des Abgeordneten Dr. Frank Brodehl (fraktionslos) – Drucksache 19/3264

Gendersprache in der Landesverwaltung abschaffen
Antrag des Zusammenschlusses der Abgeordneten der AfD – Drucksache 19/3293