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In einer weitreichenden, am Ende zweistündigen Debatte – geplant waren 50 Minuten – mit sieben Vorlagen haben die Abgeordneten unterschiedliche Vorstellungen kundgetan, wie es nach den Sommerferien an den Schulen weitergehen soll, wie die Leseförderung forciert werden kann, wie es um die psychisch-emotionale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in der Corona-Pandemie bestellt ist und welche Fördermaßnahmen sinnvoll sein könnten sowie was von einer Impfpflicht für den Schulbesuch zu halten ist.
Ein Ergebnis der Aussprache: Der Landtag schaut angesichts der stark gesunkenen Corona-Inzidenzwerten vorsichtig optimistisch auf das kommende Schuljahr und will Lernrückstände, aber auch emotionale Defizite bei Schülern aufarbeiten. Allerdings setzt jede Fraktion dabei eigene Schwerpunkte.
Anette Röttger (CDU) wies darauf hin, dass Schleswig-Holstein „das erste Bundesland mit einem professionellen Rahmenkonzept für das kommende Schuljahr“ sei. Sie zählte zahlreiche Programme und Geldmittel auf, die unter anderem für die Aufarbeitung der Pandemie eingesetzt werden. Dazu gehört der Lernsommer, bei dem sich laut Röttger bisher 130 Schulen angemeldet haben und 40 weitere das planen. „Die Angebote sind da, jetzt dürfen sie genutzt werden“, so die Christdemokratin.
Laut Jette Waldinger-Thiering (SSW) reicht das jedoch nicht aus. Sie forderte „langfristige Lösungen“, um den Folgen der Pandemie zu begegnen. Die Schulen bräuchten mehr Mittel und Planstellen „für langfristige und niedrigschwellige Förderangebote und gemeinsames Lernen im gesamten kommenden Schuljahr“. Wie Röttger lobte Waldinger-Thiering die um 100.000 Euro aufgestockte Leseförderung für Projekte wie „Lesen macht stark“ oder den Ferienleseclub. Allerdings forderte Waldinger-Thiering mehr digitale Angebote und eine grundsätzlich kostenfreie Bibliotheksnutzung.
Martin Habersaat (SPD) verlangte insgesamt „mehr Raum für Pädagogik“. Er wünschte sich zum Beispiel eine „Woche der Klassenlehrkräfte“ nach den Ferien oder das Verlegen von Klassenarbeiten auf einen späteren Zeitpunkt, um am Anfang wieder „eine Beziehung“ zwischen Schülern und Lehrern aufzubauen. Anita Klahn (FDP) setzte ihren Schwerpunkt auf den Ausbau der digitalen Angebote und einen besseren Übergang von der Kita zur Schule. „Wir wollen, dass Schülerinnen und Schüler das kommende Schuljahr mit viel Zuversicht und Hoffnung beginnen“, sagte sie.
Für Eka von Kalben muss nun „schnellstmöglich“ allen Kindern und Jugendlichen nach Corona ein Hilfsangebot gemacht werden. „Das kann auch eine Ferienfreizeit sein, um einfach mal alles zu vergessen“, sagte die Fraktionschefin der Grünen. Zudem regte sie nicht nur ein zusätzliches Unterstützungsangebot für Kitas und eine bessere Verzahnung der vorhandenen Angebote an. Kinder und Jugendliche seien auch abseits von Schule und Kita „ganzheitlich“ in den Fokus zu nehmen.
SSW und SPD scheiterten hingegen mit ihrem Antrag auf ein „nachhaltiges und ganzheitliches Konzept“ für Förderangebote. Angenommen wurden mehrheitlich ein Alternativantrag der Jamaika-Koalition, der fordert, die Bildungs- und Sozial-Milliarde vom Bund „mit Leben zu füllen“, sowie ein ebenfalls von CDU, Grünen und FDP gestellter Antrag, Kinder und Jugendliche in der Pandemie besser zu unterstützen. Einstimmig votierte der Landtag für die ebenfalls von der Koalition geforderte konsequente Umsetzung des Aktionsprogramms „Aufholen nach Corona“ der Bundesregierung.
Volker Schnurrbusch (AfD-Zusammenschluss) verwies darauf, dass Kinder und Jugendliche nur ein sehr geringes Risiko einer schweren Erkrankung hätten und warnte vor einer „Impfpflicht durch die Hintertür“ sowie vor „Überholspuren in Impfzentren“ für Kinder und Jugendliche. Ähnlich äußerte sich der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl: „Eltern muss jeder Restzweifel genommen werden, dass die Verknüpfung Impfen und Schule relevant wird.“ Entsprechende Anträge der beiden wurden abgelehnt.
Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erklärte, das kommende Schuljahr solle in Präsenz, aber mit notwendigen Hygienemaßnahmen stattfinden. Eine Maskenpflicht und verpflichtende Tests seien gerade wegen der Urlaubsrückkehrer notwendig. „Ich empfehle den Eltern mit ihren Kindern bereits am Wochenende vor dem Schulstart einen Test zu machen“, sagte Prien.
Die Ministerin betonte, dass das vergangene Schuljahr kein verlorenes gewesen sei. „Dieses Schuljahr hat trotz allem die Schülerinnen und Schüler weitergebracht“, sagte sie und verwies auf die Abiturabschlüsse, die im Schnitt besser gewesen seien als im Vorjahr. Den Kindern soll nach den Ferien Zeit gegeben werden, „wieder im normalen Schulbetrieb anzukommen“. Es gehe darum „psychisch-emotionale Belastungssituationen“ bei den Kindern und Jugendlichen zu erkennen und Lernrückstände aufzufangen. Dabei stehe „individuelles Fördern und Fordern“ im Fokus.
Am zweiten Sitzungstag werden die Abgeordneten anknüpfend an eine Schuldebatte am ersten Sitzungstag erneut eine Vielzahl von bildungspolitischen Anträgen beraten. Erwartet wird auch ein von den Koalitionsfraktionen beantragter mündlicher Regierungsbericht von Ministerin Karin Prien (CDU). Sie soll im Plenum ein „Rahmenkonzept für das Schuljahr 2021“ skizzieren. Weitere Themen sind die Lesekompetenz, die Förderung von corona-belasteten Kindern und Jugendlichen, das Thema Impfen bei Schulkindern sowie ein älterer Antrag zum Kindeswohl.
Thema Unterricht:
Land plant kommendes Schuljahr wieder in Präsenz: Nach den Einschränkungen im Unterricht durch die Corona-Pandemie plant die Landesregierung für kommendes Schuljahr wieder Regelbetrieb. „Wir starten nach den Sommerferien in ein Präsenzschuljahr“, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Kiel. Unter welchen dauerhaften Hygieneregeln der Unterricht ablaufen wird, soll erst zwei Wochen vor Beginn des Schuljahres entschieden werden.
Prien geht davon aus, dass zum Schuljahresbeginn voraussichtlich für zwei Wochen die Maskenpflicht bestehen bleibt und es in dieser Zeit verpflichtende Corona-Tests geben wird. Sie begründete dies mit Urlaubsrückkehrern. Noch keine konkreten Zahlen gibt es darüber, wie viele Kinder und Jugendliche das Schuljahr wiederholen werden.
Thema Lesen:
„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil“, lautet ein Sprichwort. Damit das so bleibt, wollen CDU, Grüne und FDP die Lesekompetenz bei Kindern und Jugendlichen fördern – auch im außerschulischen Bereich. Lesekompetenz sei entscheidend für den Bildungserfolg und sollte frühestmöglich gefördert werden. Der Landtag solle sich deshalb für die „Förderung der Lesekompetenz durch Unterstützung der vielfältigen Leseförder-Angebote im schulischen und außerschulischen Kontext“ einsetzen, so heißt es im Antrag der Koalitionsfraktionen. Die Landesregierung soll in diesem Zuge 100.000 Euro aus dem Haushalt 2021 in die Leseförderung des außerschulischen Bildungsbereichs investieren und die Einführung einer Datenbank prüfen, um Förderprojekte miteinander stärker zu vernetzen.
Anfang Mai veröffentlichte die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) eine Sonderauswertung der aktuellen Pisa-Studie von 2018: Demnach haben viele deutsche Schüler beim Lesen von Texten
Probleme, zwischen Meinung und Fakt zu unterscheiden. Rund jeder fünfte 15-Jährige in Deutschland erreiche im Bereich Lesen Grundschulniveau. Die Hälfte der Befragten gab an, nur zu lesen, wenn es sein muss. Zudem habe Pisa gezeigt, dass die Lesekompetenz sehr von der sozialen Herkunft abhängt. Die OECD-Experten weisen darauf hin, dass Schüler besser mit Texten umgehen können, wenn sie gedruckte Bücher lesen.
Auch Landtagspräsident Klaus Schlie setzt sich seit Jahren für die Leseförderung ein und liest persönlich immer wieder an Schulen vor. So besuchte er etwa im Februar 2020 die Christliche Schule in Kiel. Dort las der Parlamentschef rund 70 Dritt- und Viertklässlern aus dem ersten Kinderkrimi des Landtages, dem „Förde-Detektive“-Buch „Gift im Nord-Ostsee-Kanal“ vor.
Thema Kinderförderung:
„Um die Folgen der Pandemie aufzufangen“, fordern SPD und SSW zusätzliche Mittel für Förderangebote, Gemeinschaftsprojekte und soziales Lernen. Dabei seien langfristige Lösungen nötig – das bisherige Angebot eines Lernsommers sei nicht ausreichend. Das bedeute, etwa auch mehr Lehrkräfte einzustellen und neben dem Unterricht das Zeittableau für pädagogische Arbeit zu erweitern. Die vornehmlich an Schulen zu leistende Arbeit könne auch von Volkshochschulen unterstützt werden, heißt es in dem entsprechenden Antrag der Oppositionspolitiker. Und auch die digitale Infrastruktur sei weiterzuentwickeln.
Einen weiteren Antrag zu dem Themengebiet haben CDU, Grüne und FDP vorgelegt. Sie begrüßen, dass die Landesregierung das milliardenschwere „Aktionsprogramm Aufholen“ der Bundesregierung unterstützen will. Eine Milliarde Euro ist für Nachhilfe- und Förderprogramme für Schüler gedacht; eine weitere Milliarde Euro soll in soziale Maßnahmen-Programme im Bereich frühkindlicher Bildung, in die Schulsozialarbeit und in den Freizeitbereich investiert werden, um auch die psychischen Krisenfolgen für Kinder und Jugendliche abzufedern. Geplant ist auch eine Einmalzahlung von 100 Euro für Kinder aus einkommensschwachen Familien. Das Geld soll für Ferien-, Sport- und Freizeitaktivitäten eingesetzt werden können. Weiter wird in dem Koalitionspapier die Stärkung des Freiwilligen Sozialen Jahres im Kita-Bereich gefordert, um sowohl Erziehern als auch den Kita-Kindern „eine Aufarbeitung der belastenden Zeit zu erleichtern“.
Die SPD-Abgeordnete Serpil Midyatli sagte zu dem „Aufholprogramm“ des Bundes am Wochenende: Das könne nur der Anfang sein. Sie fordert öffentlich jährlich zwei Milliarden Euro für Bildung – für die nächsten zehn Jahre.
Thema Impfen:
Der Zusammenschluss der AfD wendet sich in einem Antrag klar dagegen, „in den Impfzentren des Landes sog. Überholspuren für Schüler einzurichten, um dort für diese Altersgruppe bevorzugt Corona-Impfungen durchzuführen“. Auch dürfe der Schulbesuch nicht von einer Corona-Impfung abhängig gemacht werden, die Impf-Entscheidung müsse in vollem Umfang bei den Eltern verbleiben. Daran anknüpfend begrüßt der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl – ebenfalls per Antrag –, dass die Landesregierung sich bereits gegen eine Impfpflicht für Schüler ausgesprochen habe.
Die EU-Arzneimittelbehörde hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer für heranwachsende ab 12 Jahren bereits zugelassen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt für Deutschland jedoch keine generelle Impfung für gesunde Kinder und Jugendliche. Nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen sei dies sinnvoll.
Thema Kindeswohl:
Ferner soll über zwei bereits im März debattierte Anträge von der Koalition sowie von der SPD abgestimmt werden, die beide dazu aufrufen, Kinder und Jugendliche in der Pandemie besser zu unterstützen. In der Aussprache waren sich alle in der Zielrichtung einig, nur bei der Herangehensweise gab es Unterschiede. Im Sozialausschuss votierte eine Mehrheit für die Vorlage von CDU, Grünen und FDP, der Alternativantrag der SPD wurde abgelehnt.
(Stand: 14. Juni 2021)
Vorherige Debatten zum Thema Schulkonzepte, Förderung, Impfen:
Mai 2021
Mai 2021 (Schulsozialarbeit)
März 2021 (Beiräte)
März 2021
Februar 2021 (Impfen)
Januar 2021 (Schulstrategie)
Meldung zum Thema Lesen:
Lesung mit LP
Debatte bei Antragstellung (Kindeswohl):
März 2021
Weitere Infos (Kindeswohl):
Expertenanhörung im Landtag
Leseförderung weiterentwickeln
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2983
Keine Impfpflicht für Kinder und Jugendliche
Antrag des Zusammenschlusses der Abgeordneten der AfD – Drucksache 19/3058
Förderangebote für den Sommer 2021 und das Schuljahr 2021/2022 schaffen
Antrag der Abgeordneten des SSW und der Fraktion der SPD – Drucksache 19/3064
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/3124
Die selbstbestimmte Impfentscheidung von Eltern für ihre Kinder sichern – Schulbesuch auch dauerhaft nicht mit Impfungen verknüpfen
Antrag des Abgeordneten Dr. Frank Brodehl (fraktionslos) – Drucksache 19/3065
Kinder und Jugend stärken – Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ konsequent umsetzen
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/3085
Bericht zum Rahmenkonzept für das Schuljahr 2021/2022
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP – Drucksache 19/3102
Kinder und Jugendliche in der Pandemie besser unterstützen
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2864
Alternativantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2891
Bericht und Beschlussempfehlung des Sozialausschusses – Drucksache 19/3094