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17. Juni 2021 – Juni-Plenum

Mehr politische Teilhabe durch Ausweitung des Wahlrechts?

Sollen auch Ausländer wählen und gewählt werden dürfen? Seit über 30 Jahren wird über die Frage gestritten. Die Diskussion flammt wieder auf, die Fronten sind weiterhin verhärtet.

Harms Lars SSW Plenum
Lars Harms (SSW) fordert ein Wahlrecht für alle: „Wir wünschen uns ein Bekenntnis zu Teilhabe, Mitbestimmung und Integration.“ Foto: Michael August

In der politischen Diskussion um die Erweiterung des Wahlrechts für Ausländer ist wenig Bewegung erkenntlich: SPD, Grüne und SSW sind dafür, CDU, FDP und AfD dagegen. Union und Liberale führen vor allem verfassungsrechtliche Bedenken an. Angeschoben hatte die Debatte der SSW, der das aktive und passive Kommunalwahlrecht an die Aufenthaltsdauer und nicht länger an die Staatsangehörigkeit knüpfen will. Die SPD fordert darüber hinaus, das passive Wahlrecht von EU-Bürgern bei Kommunal- und Europawahlen auch auf Landtagswahlen auszuweiten. SPD und SSW argumentieren, 15 von 27 Mitgliedsländern ermöglichten Menschen aus Nicht-EU-Staaten die Teilnahme an kommunalen Wahlen.

„Gesellschaftlich wie politisch: Wie viel Teilhabe gestehen wir anderen Menschen zu?“ fragte der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms, mit Blick auf diejenigen, die „bereits ein Recht auf politische Mitbestimmung haben“. Das kommunale Wahlrecht gehöre zentral zum Thema Integration, so Harms. Der SSW will, dass alle Menschen, die seit mindestens vier Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben, bei Kommunalwahlen wahlberechtigt und wählbar werden. Die Landesregierung soll dafür eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes starten.

„Krachend gescheitert“ 

Die Gewährung eines Kommunalwahlrechts an Ausländer werde im Grundgesetz ausgeschlossen, sagte CDU-Abgeordnete Hans Hinrich Neve: Frühere Gesetzvorstöße seien vor dem Bundesverfassungsgericht „krachend gescheitert“. Bildungsministerin Karin Prien, die Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (beide CDU) vertrat, stellte ebenfalls mit verfassungsrechtlichen Bedenken klar, dass „das aktive und passive Wahlrecht an die Zugehörigkeit zur Gesellschaft gebunden ist“. Es gehe auch darum, Menschen dazu zu motivieren, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen. „Das Wahlrecht sollte Ergebnis einer gelungenen Integration sein“, so Prien.

Der Landtag wird beide Anträge von SSW und SPD im Innen- und Rechtsausschuss weiter beraten.

Weitere Stimmen aus dem Plenum:

Thomas Rother (SPD):
Das gestern beschlossene Integrations- und Teilhabegesetz sieht die Förderung und Verbesserung der Einbindung von Menschen mit Migrationshintergrund in demokratische Strukturen und Prozesse vor. Gibt es bessere Möglichkeiten der Einbeziehung in demokratische Strukturen und Prozesse, als die Teilnahme an Wahlen?

Burkhard Peters (Grüne):
Bekanntlich rennt der SSW mit diesem Antrag bei uns weit geöffnete Türen ein. Die CDU ist nach wie vor strikt dagegen. Bei der FDP ist die Lage nicht ganz klar. Die Gegner verstecken sich hinter einem 30 Jahre alten Urteil des Bundesverfassungsgerichts.“

Stephan Holowaty (FDP):
Wir werden nicht die Partizipation vor das Bekenntnis zu gemeinsamen Werten stellen. Darum fordern wir ein modernes Zuwanderungsrecht. Integration ist der erste Schritt, Partizipation ist die Folge der Integration.

Claus Schaffer (AfD-Zusammenschluss):
Wer in Deutschland wählen will, muss sich zu Deutschland bekennen. Das Bekenntnis zu unserer Verfassung und unseren Werten muss dem Wahlrecht vorausgehen.

Der SSW im Landtag setzt sich dafür ein, dass alle Menschen, die seit mindestens vier Jahren ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben, wahlberechtigt und auch wählbar sind. Die Landesregierung soll dafür eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Artikels 28 im Grundgesetz starten, heißt es im Antrag der Vertreter der dänischen Minderheit im Landtag.

Auf diese Weise könnten auch Drittstaatenangehörige und Staatenlose ihre Stimme abgeben. Das sei bereits in 15 der 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union möglich, so der SSW in seiner Begründung. Staatenlose Menschen haben keinen Pass und keine Staatsbürgerschaft. Viele Grundrechte fallen für sie weg, der Zugang zum Arbeitsmarkt ist erschwert, sie dürfen bei Wahlen ihre Stimme nicht abgeben und können keine Sozialleistungen beziehen.

SPD fordert Ausweitung auf Landtagswahlen

Bisher sind bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden lediglich Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, „nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar“. Die Bevölkerung eines Staates bestehe „aus mehr Menschen als jenen, die einen deutschen Pass vorweisen können“, begründet der SSW den Vorstoß. Daher sollte es bei Kommunalwahlen keine Rolle spielen, ob jemand einen deutschen oder europäischen Pass hat, Angehöriger eines Drittstaates ist oder als staatenlos gilt.

Der SPD geht das nicht weit genug. Sie fordert die Landesregierung zusätzlich auf, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, das Wahlrecht auch auf den Bereich der Landtagswahlen auszuweiten. In diesem Zusammenhang soll insbesondere geprüft werden, ob eine Ausweitung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Im föderalen System der Bundesrepublik bestimmten gerade die Länder über die Bildungs- und Kulturpolitik in der Region und gestalteten damit sehr direkt die Lebensverhältnisse ihrer Bürger, so die Sozialdemokraten. Daher sollten Unionsbürger auch hier die Möglichkeit erhalten, sich in Form des aktiven und passiven Wahlrechts einzubringen.

(Stand: 14. Juni 2021)

Antrag

Kommunalwahlrecht für alle einführen
Antrag der Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/3073(neu)
Alternativantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/3108