Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

25. März 2021 – März-Plenum

Landtag setzt sich für maritime Wirtschaft ein

Für die Schiffbau-Branche gilt es, die Probleme der Pandemie zu umschiffen. Dabei spielt laut Minister Buchholz auch der Rüstungsbereich eine wichtige Rolle. Mit einem interfraktionellen Antrag unterstreicht der Landtag seine Position.

Werft Kiel German Naval Yardsdpa_gregor_fischer
Blick auf das Werftgelände von ThyssenKrupp Marine Systems und German Naval Yards an der Kieler Förde. Foto: dpa, Gregor Fischer

Der Landtag will die zum großen Teil in schweres Fahrwasser geratene maritime Wirtschaft in der Krise stärken und weiter perspektivisch entwickeln. Dazu haben Jamaika-Koalition, SPD und SSW während der Sitzung einen gemeinsamen Antrag erarbeitet, der am Abend angenommen wurde. Einmütig zeigten sich die Landespolitiker erfreut über das gestern gemeldete Zustandekommen eines deutsch-norwegischen U-Boot-Projekts. Die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems baut für Norwegen und Deutschland sechs U-Boote der Klasse U212. Das Auftragsvolumen beträgt fünf Milliarden Euro. Der Auftrag sichert eine Auslastung der Werft bis in die 30er Jahre.

Die SPD hatte das Thema in den Landtag geschleust. Serpil Midyatli (SPD) forderte, den im Juni vergangenen Jahres gefassten Landtagsbeschluss zum Schiffbau zu erneuern und die Auftragsvergabe bei Behörden-, Forschungs- und Marineschiffen zu beschleunigen sowie geplante öffentliche Aufträge vorzuziehen. Die Landesregierung solle darauf drängen, dass die Bundesregierung ihr Versprechen, Aufträge im Bereich der Schlüsseltechnologie Marineschiffbau zum Erhalt und zur Sicherung maritimer Fachkompetenzen nur national auszuschreiben, umsetzt.

SPD fordert Werftengipfel

Die Werften brauchten „eine Perspektive eine klare Strategie und einen Plan für die Zukunft“, so Midyatli. Sie verlangte zudem eine „Gesamtstrategie für Deutschland“. Man dürfe sich nicht in den norddeutschen fünf Bundesländern selbst im Weg stehen. Zudem müsse es einen Werftengipfel im Land geben.

Die Jamaika-Koalition legte einen Alternativantrag vor Darin heißt es, der Landtag unterstütze die Forderungen zur Beschleunigung der öffentlichen Auftragsvergabe im maritimen Bereich und zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Standorten und betone die Bedeutung der Wiederinbetriebnahme des Marine-Arsenals in der Landeshauptstadt Kiel. Hartmut Hamerich (CDU) nannte die maritime Wirtschaft „einen prägenden Industriezweig im Land“. Er warnte vor Aktionismus. Nötig seien vielmehr „kurzfristige Hilfen und langfristige Impulse“, denn durch Corona fehlten „80 Prozent der Nachfrage für den europäischen Schiffbau“.

Liberale: „Zu bürokratisch und zu langwierig“

Für Joschka Knuth (Grüne) sendet die Debatte zwei Signale aus. Zum einen werde die Bundesregierung aufgefordert, für Ausschreibungen deutlich bessere Bedingungen zu schaffen, zum anderen bekenne sich der Landtag zum Werftenstandort mit seinen über 30.000 Beschäftigten und zu Neuerungen: „Schleswig-Holstein muss Leader bei neuen Antrieben im Schiffbau werden“, so Knuth. Jörg Nobis (AfD-Zusammenschluss) hingegen kritisierte, die Debatte komme viel zu spät. Andere Länder hätten Deutschland längst überholt. Die Devise laute nun „retten, was noch zu retten ist“.

Kay Richert (FDP) forderte ein vereinfachtes Vergabeverfahren für die Branche. Die bisherigen Bestimmungen seien „zu bürokratisch und zu langwierig“. Es müsse verlässliche Exportregelungen und einen eigenständigen konzertierten Flottenbetrieb geben, der sich nur für diese Fälle beschäftigt. Ähnlich äußerte sich Der SSW-Politiker Christian Dirschauer (SSW). Die Auftragsvergabe des Verteidigungsministeriums sei „eine der Achillesfersen der deutschen Verteidigungspolitik: kompliziert, langwierig und nicht immer mit dem besten Produkt am Ende“. Dabei komme „durchaus der eine oder andere Murks heraus“. Darum sei die Restrukturierung der entsprechenden Stellen der wichtigste Punkt des Antrages.

Minister setzt auf Innovation

Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) betonte, man könne dem Strukturwandel in der maritimen Wirtschaft nur begegnen, wenn man konsequent auf Innovation setze. Dazu gehörten unter anderem neue Antriebsarten oder die Automatisierung. „Nur dann können wir an dem zukünftigen Kuchen, der hoffentlich nach der Pandemie kommt, teilhaben“, so Buchholz.

Er betonte zugleich, wer sich zum Werftenstandort Schleswig-Holstein bekenne, müsse sich auch zur Rüstungsindustrie und Verteidigungspolitik bekennen. Dieser Bereich sichere gerade in dieser Zeit Arbeitsplätze. „Das ist keinesfalls igittigitt, wie viele sagen“, so der Minister wörtlich. Ihm zufolge macht die maritime Wirtschaft zehn Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Die Lage sei insgesamt „dramatisch“. 700 Menschen hätten im vergangenen Jahr in diesem Bereich ihren Arbeitsplatz verloren. 

Die SPD fordert dazu auf, den im Juni vergangenen Jahres einvernehmlich gefassten Landtagsbeschluss zum Schiffbau zu erneuern und die Auftragsvergabe bei Behörden-, Forschungs- und Marineschiffen zu beschleunigen beziehungsweise geplante öffentliche Aufträge vorzuziehen. Die Landesregierung solle weiter darauf drängen, dass die Bundesregierung ihr Versprechen, „Aufträge im Bereich der Schlüsseltechnologie Marineschiffbau (Über- wie auch Unterwasser) zum Erhalt und zur Sicherung maritimer Fachkompetenzen nur national auszuschreiben“, umsetzt, heißt es in dem Antrag.

Die Sozialdemokraten begründen dies mit der anhaltenden Corona-Pandemie, die „die maritime Wirtschaft und ihre Beschäftigten vor große Herausforderungen“ stelle. Mit dem Antrag wird zudem gefordert, die für die Beschaffung und Instandhaltung von staatlichen Schiffen zuständigen Ämter und Behörden organisatorisch und personell so auszustatten, dass sie Aufträge kompetenter und zügiger vergeben können. Auch auf die Einbeziehung von mittelständischen Unternehmen sei zu achten.

Die Auftragslage im Norden

Hintergrund: Die Corona-Krise trifft auch die großen schleswig-holsteinischen Werften hart. Einige von ihnen haben bereits Jobs gestrichen. Ein Überblick über die aktuelle Situation im Land:

Flensburger Schiffbau-Gesellschaft
Kurz vor dem vollständigen Untergang ist die FSG im September 2020 neu aufgestellt worden und unter Regie der Tennor Holding des Investors Lars Windhorst ohne Altschulden, aber mit zunächst leeren Auftragsbüchern und halbierter Mannschaft an den Start gegangen. Für die alte FSG wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Aktuell gibt es rund 360 Beschäftigte – ein Großteil davon war im Februar dieses Jahres, wie schon seit Neustart, in Kurzarbeit.

Seit dem 1. März fährt die Werft den Betrieb wieder hoch. Kiellegung des ersten fest bestellten RoRo-Schiffs war am 30. Dezember. Auftraggeber ist IVP Invest, ein Unternehmen von Windhorst. Es gibt eine Option für ein zweites Schiff. Das Gesamtvolumen beträgt 140 Millionen Euro. Künftig will die FSG auch im internationalen Marineschiffbau wirken.

Nobiskrug
Die Rendsburger Werft hat seit ihrer Gründung 1905 weit über 750 Schiffe gebaut. Nobiskrug gehört zur internationalen Schiffbaugruppe Privinvest. 2020 kündigte die Werft 120 Mitarbeitern betriebsbedingt. Aktuell gibt es 330 Jobs. Die Werft sieht sich „solide aufgestellt“. Sie ist auf den Bau von Luxusjachten ab 60 Metern Länge spezialisiert. Aktuell liegen vier Aufträge für Neubauten und zwei sogenannte Refit-Aufträge beziehungsweise Reparaturen vor. Zu den bekanntesten Neubauten vergangener Jahre gehörte die Mega-Segeljacht „A“. Sie wurde von Nobiskrug aber in Kiel gebaut und ist knapp 143 Meter lang.

Thyssenkrupp Marine Systems
Die Kieler Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS, ehemals HDW) ist vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen. Größere wirtschaftliche Probleme hat die Werft nach eigenen Angaben nicht. Durch pandemiebedingte Auftragsverschiebungen sei es in den vergangenen Monaten lediglich in kleinem Umfang zu Kurzarbeit gekommen. Im Februar waren demnach rund 100 Stellen betroffen.

In Sichtweite der Kieler Innenstadt entstehen ausschließlich Militärschiffe und U-Boote. Vor allem dank des Exports der mit Brennstoffzellen-Antrieb ausgestatteten U-Boote hat die Werft gut zu tun. Allein am Standort Kiel gibt es aktuell mehr als 3000 Mitarbeiter. Weitere 510 Beschäftigte arbeiten am Standort Hamburg, 193 in Emden. Hinzu kommen 1385 Jobs bei der Tochter Atlas Elektronik in Bremen und andernorts sowie 156 Beschäftigte bei Hagenuk in Kiel.

German Naval Yards
Auf die Kieler Werft German Naval Yards hat die Pandemie bereits durchgeschlagen. Mitte Februar wurde bekannt, dass dort 134 der aktuell 511 Arbeitsplätze wegfallen sollen. Geschäftsführung, Betriebsrat und Gewerkschaft haben sich auf einen Sozialtarifvertrag verständigt. Im Gegenzug will der Besitzer Privinvest Holding in den Standort investieren. Deren Vorstandsvorsitzender ist Iskandar Safa, ein französischer Geschäftsmann libanesischer Herkunft.

Die Werft ist hervorgegangen aus dem Überwasser-Schiffbau von HDW. Sie ist auf den Bau von Marineschiffen spezialisiert. Derzeit entstehen in Kiel gemeinsam mit TKMS vier Korvetten für Israels Marine. Gemeinsam mit TKMS und Lürssen wird an Korvetten für die deutsche Marine gearbeitet. 2020 hat die Werft Mittel in niedriger zweistelliger Millionenhöhe vom Wirtschaftsstabilitätsfonds erhalten. Im Gegenzug verpflichtete sich der Eigentümer, mit derselben Summe zur Stabilisierung beizutragen.

Vorherige Debatten zum Thema:
Oktober 2020
Juni 2020
Januar 2020

Anträge

Perspektiven für die maritime Wirtschaft entwickeln, schnellere Vergabe von öffentlichen Aufträgen für den Schiffbau
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2848

Maritime Wirtschaft in der Krise stärken und weiter perspektivisch entwickeln
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP und den Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/2892(neu)