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24. März 2021 – März-Plenum

Günther selbstkritisch / Mitte April soll Außengastronomie öffnen können

Nach dem Rückzieher der Kanzlerin vom Morgen gibt es im Landtag Respekt für die Entscheidung, aber auch Kritik an der Corona-Politik von Bund und Ländern. Günther selbstkritisch: „Wir müssen das besser machen.“

Ministerpräsident Günther CFDU, Stegner SPD Habersaat SPD
Überfraktionelle Besprechung kurz vor der Sitzung: CDU-Ministerpräsident Günther (li.), SPD-Fraktionschef Stegner (re.) und der SPD-Abgeordnete Habersaat. Foto: Thomas Eisenkrätzer

Demonstrative Rückendeckung für die Bundeskanzlerin: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat im Landtag „großen Respekt“ für Angela Merkel (CDU) bekundet, nachdem die Kanzlerin den zuvor angekündigten Oster-Lockdown mit zwei zusätzlichen „Ruhetagen“ wieder einkassiert hatte. Der „Fehler“ sei gemeinsam mit allen Ministerpräsidenten beschlossen worden, betonte Günther selbstkritisch: „Auch ich habe dem am Ende zugestimmt.“ Und: „Es war eine falsche Entscheidung, die wir heute korrigiert haben.“ Für zukünftige Bund-Länder-Gipfel kündigte Günther eine „vernünftige Vorbereitung“ sowie eine bessere Abstimmung mit Koalitionspartnern und Parlament an: „Wir müssen das besser machen als bei dieser Konferenz.“

In Schleswig-Holstein sollen die Corona-Einschränkungen bis zum 11. April weitgehend so bleiben, wie sie sind. Ab dem 12. April kündigte der Regierungschef eine Öffnung der Außengastronomie in Kreisen mit einer Zahl von weniger als 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche an. Landesweit lag der Wert am Tag der Debatte bei 58. Zudem wolle das Kabinett in den kommenden Tagen ein Konzept für „Modellregionen“ in den Bereichen Gaststätten, Tourismus und Sport entwickeln. „Unser Weg in Schleswig-Holstein ist richtig“, betonte Günther. „Wir müssen in den kommenden Wochen weiter vorsichtig miteinander sein, und dann haben wir Perspektiven.“  

Stegner: „Weniger versprechen, mehr einhalten“

Auch Oppositionsführer Ralf Stegner (SPD) zollte der Kanzlerin Respekt: „Es ist aller Ehren wert, dass sie die Verantwortung für diese 180-Grad-Wende übernimmt.“ Die „Politik im Panikmodus“ bleibe dennoch falsch, so Stegner. Ein Lockdown folge auf den anderen, und eine konsistente Strategie sei nicht erkennbar, während die Akzeptanz in der Bevölkerung schwinde.

Stegner forderte verbindliche Vorschriften für Unternehmen, ihren Mitarbeitern jede Woche zwei Schnelltests sowie FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen. Das Impftempo müsse beschleunigt werden, und bei den Wirtschaftshilfen müssten die Abschlagszahlungen von derzeit 50 auf 70 Prozent der beantragten Summe steigen. Den Ministerpräsidenten forderte Stegner auf, „weniger anzukündigen und mehr einzuhalten“. Er erinnerte an Günthers Versprechen, den Osterurlaub im Lande zu ermöglichen und die Außengastronomie bereits Anfang April zu öffnen.

Weitere Stimmen aus dem Plenum

CDU-Fraktionschef Tobias Koch…
…bedauerte die Irritationen durch die Rücknahme der Osterruhe. „Für die Bevölkerung sind solche Zeichen mit Sicherheit nicht hilfreich“, konstatierte er. In dieser schwierigen Situation sei ein gesellschaftlicher Konsens über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie aber immer weniger erkennbar. „In so einer Phase dann Kritik zu üben, ist immer leicht. Allein mit Kritik werden wir aber der politischen Verantwortung nicht gerecht“, so Koch.

Er warnte davor, bei allem Interesse aus dieser Krise politisches Kapital zu schlagen und „ein Zerrbild der deutschen Politik zu zeichnen, das dazu geeignet ist, das Vertrauen in unsere Demokratie grundlegend zu gefährden“. In dieser Hinsicht trügen Regierung und Opposition gleichermaßen Verantwortung. Der SPD warf er eine „perfide Strategie“ und eine „irrsinnige Argumentation“ vor. „Von verantwortungsvollem und gemeinsamem Handeln bleibt bei Ihnen nicht viel übrig“, sagte Koch. Er warb zugleich dafür, kontaktarmen Urlaub im Land wieder zuzulassen. Schleswig-Holstein sei „prädestiniert für eine Modellregion zur Öffnung von Tourismus und Kultur“.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben…
…nahm Kanzlerin Merkel in Schutz: „Fehler dürfen gemacht werden und es ist wichtig, in Deutschland zu einer besseren Fehlerkultur zu kommen“. Wer mutig sei, mache Fehler. Allerdings habe sich die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) keinen guten Ruf verdient. „Das Ergebnis hilft wenig, die entnervte Bevölkerung an Bord zu halten. Es wurde mit heißer Nadel gestrickt, und das ergibt eben nur Flickwerk.“ Überhaupt müsse über die Rolle der MPK diskutiert werden. Es gebe im Bund und Land andere parlamentarische Beteiligungsmöglichkeiten.

Von Kalben bedauerte, dass es keine verpflichtende Testung für Betriebe gebe. Die Ansteckung am Arbeitsplatz sei deutlich höher als in der Außengastronomie, erklärte sie und fügte an: „Wir brauchen Akzeptanz und müssen weiter erklären, wie wir vorgehen.“ Vor Ostern werde es keine weiteren Lockerungen geben, danach setze die Regierung den eigenen Stufenplan um.

FDP-Fraktionschef, Christopher Vogt…
… kritisierte die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz als „katastrophal“. Ohnehin sei die Ministerpräsidentenkonferenz ein Abstimmungsgremium, dass nicht im Grundgesetz stehe. Die stetige Verlängerung eines pauschalen Lockdowns führe zu Frust in breiten Teilen der Bevölkerung. „Nach mehr als einem Jahr Pandemie ist es Zeit für mehr intelligente und differenzierte Lösungen“, sagte er. Hier lohne sich ein Blick nach Dänemark, wo mithilfe breiter Testungen eine „differenziertere Strategie“ umgesetzt werde.

Mit Blick auf Menschen, die trotz steigender Fallzahlen aktuell ins Ausland reisen, sagte der Liberale: „Es gibt ein Recht auf Freizügigkeit“. Er selbst kenne „nicht wenige Menschen“, die trotz Corona-Pandemie verreisten. „Die Hilflosigkeit der Bundesregierung ist erschreckend“, sagte Vogt mit Blick auf Bestrebungen der Bundesregierung, Reisen ins Ausland grundsätzlich verbieten zu wollen. „Wir müssen mehr testen“, forderte er.

Der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms,…
… kritisierte die Bundesregierung scharf. „Die Probleme, die wir haben, liegen eindeutig im Impfversagen der Bundesregierung“, sagte er. Im internationalen Vergleich sei Deutschland beim Impfen „noch nicht einmal unter den Top 20“. Die Verantwortung dafür werde weitergeschoben. „Es wird immer nur darüber geredet, was verhindert werden soll“, so Harms. Auf diese Weise würden die Symptome bekämpft, nicht aber deren Ursache.

Eine Herausforderung der Pandemie sei die Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und gesellschaftlichem Leben. „Diese Abwägung haben wir in der Ministerpräsidentenkonferenz nicht gehabt“, kritisierte Harms. Die mangelnde Abwägung werde negative Folgen für Betriebe, die Tourismusbranche aber auch für Schulen und Kitas haben.

Jörg Nobis vom Zusammenschluss der AfD im Landtag...
...sprach von einer „Bankrotterklärung“ der Kanzlerin. Der Osterruhe-Plan sei blanker Aktionismus gewesen. Die Akzeptanz für die Corona-Maßnahmen schmelze wie Schnee in der Sonne. Günther müsse kontaktarmen Urlaub ab sofort erlauben, sagte Nobis.

Ein Antrag der SPD-Fraktion zur digitalen Kontaktnachverfolgung fand nur die Unterstützung der Abgeordneten des SSW und wurde abgelehnt. Angenommen wurde dagegen ein entsprechender Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Ein Dringlichkeitsantrag der SPD für „Nachhaltige Hilfen für Beschäftigte in Kurzarbeit“ wurde an den Wirtschaftsausschuss überstellt.

Corona und kein Ende: Erneut ist das Pandemie-Geschehen das Top-Thema dieser Tagung. Steigende Infektionszahlen und Inzidenzwerte bereiten der Politik bei der Abwägung, wie weit muss der Gesundheitsschutz reichen und wie weit dürfen Lockerungen greifen, zunehmend Kopfzerbrechen. Die Grundrichtung wiesen bisher die regelmäßigen Bund-Länder-Konferenzen, und so wird auch die aktuelle Beratung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten, die am heutigen Montag stattfindet, die Basis für eine neuerliche per Dringlichkeit anberaumte Corona-Debatte im Schleswig-Holsteinischen Landtag sein.

Bereits vergangenen Mittwoch hatte die Jamaika-Regierung bekanntgegeben, dass sie wegen der steigenden Corona-Infektionszahlen den Einzelhandel in einigen Regionen ab Montag wieder einschränken will. Und so ist seit dem heutigen Montag in Pinneberg, Segeberg, Stormarn, Herzogtum Lauenburg sowie Neumünster und Flensburg nur noch Termin-Shopping erlaubt. In diesen Regionen gibt es mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. In den anderen neun Kreisen und kreisfreien Städten bleibt der Handel vorerst noch offen.

7-Tage-Inzidenz bei knapp 60

Die Sieben-Tage-Inzidenz in Schleswig-Holstein stieg die letzten Tage stetig leicht an – liegt aber weiter deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen lag am Sonntag bei 59,9. Die bundesweite 7-Tage-Inzidenz gab das Robert Koch-Institut am Sonntagmorgen mit 103,9 an.

Die Zahl der gemeldeten Corona-Neuinfektionen lag bei 92. Am Sonntag vergangener Woche waren es 87. Die Zahl der Toten stieg um einen auf 1406. 195 Corona-Patienten wurden im Krankenhaus behandelt (Samstag: 185), 46 von ihnen intensivmedizinisch und 25 von diesen beatmet.

Hält der Stufenplan?

Wie es in den Hotels und Gaststätten weitergehen wird, will die Regierung nach der Ministerpräsidentenkonferenz entscheiden. Der Blick ist dabei auch auf die tourismusfreudige Osterferienzeit gerichtet. Keine Änderungen plant die Regierung vorerst an den Kitas und in den Schulen. Allerdings kann jeder Schüler nunmehr unter Anleitung einen freiwilligen Corona-Selbsttest machen. Mehr als 600.000 Tests hat das Land dafür gekauft. Fällt ein Selbsttest positiv aus, muss ein PCR-Test gemacht werden. Schüler sollen sich in dem Fall nach Hause begeben.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verwies vergangenen Mittwoch auf den bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz Anfang März verabredeten Stufenplan, der bei entsprechendem Infektionsgeschehen eine Rücknahme von Öffnungsschritten beinhaltet. So soll die „Notbremse“ bei Lockerungen greifen, wenn die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner an drei aufeinander folgenden Tagen bei über 100 liegt. Darunterliegende Werte sehen Lockerungen vor bis hin zu den kürzlich erfolgten Ladenöffnungen in Schleswig-Holstein, wo die landesweite Inzidenz längere Zeit bei unter 50 lag.

Diskussion um „Luca-App“

Ein weiteres Thema der Debatte: Die digitale Kontaktnachverfolgung per App. Die SPD plädiert dabei für die Einführung einer „landesweiten einheitlichen Lösung“ und führt als Beispiel die „Luca-App“ an. Mit dem entsprechenden Antrag wird die Landesregierung aufgefordert, die erforderlichen Lizenzgebühren zu übernehmen. Die Sozialdemokraten halten die digitale Kontakterfassung und Kontaktnachverfolgung für einen „zentralen Bestandteil der Pandemiebekämpfung“. Dies sei sowohl im privaten Bereich, aber auch in Gastronomie und Einzelhandel sowie bei Veranstaltungen „essentiell“. Erforderlich sei zudem die Verknüpfung mit den Gesundheitsämtern, um diese zu entlasten, heißt es weiter in der Begründung des vorliegenden Antrages.

Anfang des Monats hat sich bereits Mecklenburg-Vorpommern dafür entschieden, die „Luca-App“ flächendeckend nutzen. Als erstes Bundesland habe Mecklenburg-Vorpommern nach Angaben der dortigen SPD/CDU-Regierung eine Lizenz für das Luca-System gekauft, um es mit der Kontaktnachverfolgung der acht Gesundheitsämter des Landes zu koppeln. Die Ämter nutzen die Software Sormas. Die Kosten für die Lizenz beliefen sich auf 440.000 Euro. Den Geschäften, Kunden und Kommunen entstünden keine Kosten, hieß es.

Bund will in Finanzierung einsteigen

Mit der „Luca-App“ können sich Besucher eines Cafés, eines Restaurants, einer Kulturveranstaltung aber auch eines Fußballspiels oder eines ähnlichen Events einchecken und für den Fall einer Corona-Warnung ihre Kontaktdaten hinterlassen. Während manche Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern bereits entschieden haben, das Luca-System zu lizenzieren, haben sich andere Bundesländer noch nicht entschieden. Wettbewerber von Luca und Open-Source-Aktivisten kritisieren die App, unter anderem weil sie nicht quelloffen entwickelt worden sei.

Unterdessen hat sich der Chef des Bundeskanzleramtes, Helge Braun (CDU), für eine schnelle Entscheidung stark gemacht. Auf einer Veranstaltung des Softwarekonzerns Microsoft am 9. März betonte Braun, der Bund sei bereit, die Infrastruktur (Backend) für eine digitale Vernetzung der Gesundheitsämter in Deutschland zu finanzieren. Bei den diskutierten Kontaktverfolgungs-Apps wollte sich der Kanzleramtschef aber nicht ausdrücklich auf das von vielen Politikern favorisierte Luca-System festlegen. Mit den Ländern sei vereinbart worden, dass die sich auf ein möglichst „einheitliches System“ einigen sollten, so Braun.

(Stand: 22. März 2021)

Vorherige Debatten zum Thema:
März 2021 (Sondersitzung)
Februar 2021
Februar 2021 (Sondersitzung)
Dezember 2020 (Corona-Warn-App)

Dringlichkeitsantrag

Mündlicher Bericht zur Ministerpräsidentenkonferenz am 22. März 2021
der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und den Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/2878

Dringlichkeitsantrag

Lockdown-Folgen abmildern: Nachhaltige Hilfen für Beschäftigte in Kurzarbeit
und für Unternehmen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2882

Antrag

Die digitale Kontaktnachverfolgung organisieren
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2855
Alternativantrag von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/2883