Navigation und Service des Schleswig-Holsteinischen Landtags

Springe direkt zu:

Diese Webseite verwendet ausschließlich für die Funktionen der Website zwingend erforderliche Cookies.

Datenschutzerklärung

25. Februar 2021 – Februar-Plenum

Landtag bekennt sich zum jüdischen Leben im Land

Seit 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Das wird dieses Jahr nicht einfach nur gefeiert. Der Kieler Landtag setzt auch ein Zeichen gegen aufkeimenden Antisemitismus.

Juden jüdisch Kippa
Mit einem Festjahr soll jüdisches Leben in Deutschland gewürdigt werden. Foto: dpa, Frederico Gamberini

Angesichts des Festjahres 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland hat sich der Landtag klar gegen Antisemitismus ausgesprochen und Tendenzen des Wiedererstarkens von Gewalt gegen Juden verurteilt. Einstimmig wurde ein fraktionsübergreifender Antrag angenommen. Darin erkennt der Landtag die dauerhafte Verpflichtung an, jüdisches Leben in Schleswig-Holstein zu fördern.

Kulturministerin Karin Prien (CDU) erklärte, antisemitische Taten müssten nicht nur konsequent strafrechtlich verfolgt werden, es gelte auch, das gesellschaftliche Bewusstsein zu ändern und Unkenntnis abzubauen. „Wir müssen aufhören, Juden als ´die Anderen´ zu sehen“, sagte sie. Das sei „eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe“, die in der Schule beginne.

Runder Tisch wird eingerichtet

Daher habe ihr Haus „Lehrpläne durchforstet“, um das Thema stärker in den Unterricht einzubinden. Wichtig, so betonte die Ministerin, seien aber auch „Begegnungsformate“. So könnten Berührungsängste abgebaut werden. Prien: „Es gibt kein Wir und sie. Wir sind sie. Und wer uns angreift, wird unsere erbitterte Gegenwehr spüren.“

Der Landtag ruft zudem dazu auf, anlässlich des Jubiläums einen Runden Tisch zum Thema jüdisches Leben und gegen Antisemitismus einzurichten, der gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden durch Landtagspräsident Klaus Schlie und dem Beauftragten für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus, Peter Harry Carstensen (CDU) einberufen werden soll.

Mit einem Online-Gespräch hatten Prien und Carstensen das Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ unter dem Motto „Shalom und Moin“ am Dienstag in Kiel eröffnet. Im Gespräch ging es vor allem um die Frage, wie die Bürger für ein normales jüdisches Leben sensibilisiert werden können.

Weitere Stimmen aus dem Plenum:

Ralf Stegner (SPD):
Das konsequente Bekenntnis zur gemeinsamen Ächtung von jeder Form von Antisemitismus ist unsere gemeinsame Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten in diesem Parlament. Das gilt übrigens erst recht, so lange in unserem Landtag noch rechtsradikale Abgeordnete sitzen, die zum Teil sogar in engem Kontakt zu Holocaustleugnern stehen.

Touré, Aminata Grüne Plenum
Aminata Touré (Grüne): Erst wenn das Tragen einer Kippa in der Öffentlichkeit keine antisemitische Gewalttat auslöst, erst wenn Gedenktexte bei Stolpersteinen nicht zerstört werden wie in Lübeck, erst wenn kein antisemitischer Schriftzug bei der Bärenskulptur im Werftpark in Kiel zu finden ist, erst wenn keine antisemitischen Verschwörungsmythen auf einem Flyer in einem Tattoostudio in Flensburg zu finden sind – erst dann können wir davon ausgehen, dass Antisemitismus kein Problem ist. Foto: Michael August

Tobias von der Heide (CDU):
Ich will, dass man in Schleswig-Holstein Kippa oder Davidstern offen auf der Straße zeigen kann, ohne dass man sich Sorgen um die eigene Sicherheit machen muss. In Schleswig-Holstein wollen wir jüdisches Leben sichtbar machen und stärken. Dafür haben wir in den vergangenen Jahren viel erreicht. Wir haben einen neuen Staatsvertrag mit den jüdischen Landesverbänden abgeschlossen, der die gleichwertige Anerkennung und Zusammenarbeit noch einmal erneuert hat.

Jan-Marcus Rossa (FDP):
Es gilt zu bekennen, dass das Judentum Teil der deutschen Geschichte und unverzichtbarer Teil der deutschen Kultur ist. Wir haben jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und zu fördern. Das gilt für jeden Einzelnen in diesem Land. Denn die Gefahr von Anschlägen ist leider immer noch ständig präsent.

Lars Harms (SSW):
Ich möchte für den SSW festhalten, dass es für
uns unstrittig bleibt, dass wir als deutsche Staatsbürger auch heute noch Verantwortung übernehmen müssen. Da denke ich zum einen an Besuche unserer Schulklassen an Gedächtnisorte. Das Land stellt dafür Gelder bereit. Wir müssen aber darüber hinaus auch der jüdisch-arabischen Verständigungsarbeit unterstützend beiseite stehen.

Seit 1700 Jahren ist jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland nachgewiesen. Aus diesem Anlass haben sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und wichtige Institutionen zusammengeschlossen, um dieses Ereignis unter der Leitung eines eigens gegründeten Vereins zu begehen. Unter dem Namen „#2021JLID – Jüdisches Leben in Deutschland“ werden bundesweit rund tausend Veranstaltungen ausgerichtet, darunter Konzerte, Ausstellungen, Theaterstücke und Filmpräsentationen. Ziel des Festjahres ist es auch, dem erstarkenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen. Vor diesem Hintergrund fordert die Kieler SPD-Landtagsfraktion, das jüdische Leben und seine kulturelle und historische Bedeutung deutlicher herauszustellen.

Nach dem Willen der Sozialdemokraten soll der Landtag seine Beschlüsse zum Schutz und zur Stärkung des jüdischen Lebens erneuern und sich dafür einsetzen, dass sich die Bürger „auf vielen Ebenen und zu vielen Gelegenheiten mit dem jüdischen Leben im Hier und Jetzt befassen, mit jüdischer Religion, jüdischer Kultur, jüdischer Philosophie, jüdischer Tradition aber auch jüdischem Essen“. Schulen könnten sich zum Beispiel mit dem jüdischen Laubhüttenfest beschäftigen. Und, so die SPD: Die Landesregierung soll darauf achten, dass diese Thematik sich in den Rundfunk- und Fernsehprogrammen des NDR „in angemessener Form und zu angemessener Uhrzeit“ wiederfindet.

Koalition will Runden Tisch

Auch die Koalitionsfraktionen rufen in einem zweiseitigen Antrag dazu auf, die dauerhafte Verpflichtung des Landes anzuerkennen, jüdisches Leben in Schleswig-Holstein zu fördern. Weiter soll anlässlich des Jubiläums ein Runder Tisch zum Thema jüdisches Leben und gegen Antisemitismus eingerichtet werden. Die unabhängige Dokumentationsstelle für antisemitische Vorfälle in Schleswig-Holstein (Lida) erfasste im vergangenen Jahr von Januar bis Oktober 47 antisemitische Vorgänge – das waren vier weniger als im Vergleichszeitraum 2019. Es dominierten 31 Fälle von verletzendem Verhalten. Zudem gab es eine Bedrohung, fünf Sachbeschädigungen und zehn Massenzuschriften.

In ihrem Antrag loben sowohl SPD wie auch CDU, Grüne und FDP die Einrichtung der Stelle des Landesbeauftragten ausdrücklich. Vor fast genau einem Jahr wurde der ehemalige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen Beauftragter für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Schleswig-Holstein.

Sechs jüdische Gemeinden im Land

Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein wurde im Jahr 2002 gegründet und ist somit der erste neu gegründete Landesverband der Nachkriegszeit im Land. Landesweit gibt es insgesamt sechs jüdische Gemeinden, nämlich in Kiel, Pinneberg, Ahrensburg-Stormarn, Bad Segeberg, Elmshorn und Lübeck. 2013 hatte die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein nach Angaben der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland 1260 Mitglieder. Landesrabbiner der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein ist seit 2008 Dov-Levy Barsilay, als Geschäftsführerin fungiert Viktoria Ladyshenski.

Ein 2018 neu aufgelegter Staatsvertrag mit den jüdischen Landesverbänden definiert die Zusammenarbeit des Landes Schleswig-Holstein mit den jüdischen Gemeinden und bekennt sich nachdrücklich zu einer gemeinsamen, toleranten, demokratischen und friedlichen Zukunft des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein.

(Stand: 22. Februar 2021)

Vorherige Debatte zum Thema:
November 2018 (Grundlagenvertrag)

Anträge

1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, FDP und der Abg. des SSW – Drucksache 19/2764(neu)

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP – Drucksache 19/2785