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Soll die Landesregierung sich dafür einsetzen, dass die Bundesregierung den UN-Vertrag über das Verbot von Kernwaffen unterzeichnet? Die Frage spaltet die Jamaika-Koalitionäre. CDU und FDP lehnen es ab, den sogenannten Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) der UN zu ratifizieren. Sie verweisen auf den bereits seit 1970 geltenden Atomwaffensperrvertrag (ASP). Christdemokraten und Liberale befürchten zudem einen Widerspruch zu deutschen Verpflichtungen gegenüber der Nato. Die Grünen sprechen sich dagegen für eine Ratifizierung des AVV aus. Angeschoben hatte die Debatte ein Antrag der SPD-Fraktion.
„Ich halte ein strategisches Konzept, das auf wechselseitiger atomarer Bedrohung basiert, für grundfalsch“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner. Weltweit würden heute noch immer über 13.000 Atomwaffen „in den Arsenalen der offiziellen und inoffiziellen Atommächte“ gelagert. Diese Waffen müssten „vollständig beseitigt werden“ – so wie der AVV es vorsehe. „Eine Mehrheit der Staaten der Welt hat das Abkommen beschlossen, 51 Staaten haben ihn bis heute ratifiziert. Deutschland gehört bislang nicht dazu“, so Stegner. Die Bundesregierung befürchte eine Schwächung des Atomwaffensperrvertrags. Dabei sei diese Befürchtung „rechtlich lange widerlegt“.
Unterstützung kam aus der Fraktion der Grünen. „Ich sage es in aller Deutlichkeit für meine Fraktion und meine Partei: Wir wollen keine Atomwaffen mehr in Deutschland“, sagte der Abgeordnete Andreas Tietze. Das Risiko einer Atomwaffendetonation nehme aktuell zu, da neue Arten von Atomwaffen entwickelt, langjährige Rüstungskontrollabkommen aufgekündigt worden seien. Zudem bestehe „die Gefahr von Cyberangriffen auf nukleare Infrastruktur“. „Früher oder später wird uns unser Glück verlassen, wenn wir nicht handeln“, so Tietze. Der AVV sei in dieser Hinsicht ein „Hoffnungsschimmer“.
Selbst die grüne Heinrich-Böll-Stiftung habe „einen realistischeren Blick auf die Welt“, konstatierte der Abgeordnete Stephan Holowaty (FDP). Diese habe ein „Beharren auf atomare Abrüstung“ als „verfrüht und kontraproduktiv“ bezeichnet. Tobias von der Heide (CDU) bezweifelte, dass der Einsatz von Atomwaffen durch das geforderte Verbot verhindert werde. Russland und China verteidigten aggressiv ihre Interessen, auch mit militärischen Mitteln. „Wenn wir den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen bedeutet das in letzter Konsequenz, dass wir als Deutschland auf die nukleare Teilhabe verzichten sollen und dass die Nato-Staaten auf ihre Nuklearstrategie verzichten soll“, so von der Heide. Das sei nicht die Aufgabe des Landtages.
„Das Ziel muss die Verschrottung aller nuklearer Waffen sein“, sagte Umweltminister Jan-Phillip Albrecht (Grüne). Das zentrale Problem des AVV sei, dass bislang noch keines der „atomwaffenbesitzenden Länder“ ihn unterzeichnet habe.
Nach den jüngsten Schätzungen des Friedensforschungsinstituts Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) von Anfang 2020 gibt es weltweit noch 13.400 Atomwaffen in neun Ländern, die meisten in den USA (5800) und Russland (6375). Alle diese Länder boykottieren den Atomwaffenverbotsvertrag. Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich halten den Atomwaffensperrvertrag weiterhin für die beste Grundlage für konkrete Abrüstungsschritte. In ihm wird ebenfalls allen Vertragsstaaten außer diesen fünf der Erwerb von Atomwaffen verboten. Die Atommächte verpflichten sich gleichzeitig zu Verhandlungen über konkrete Abrüstungsschritte bis zur vollständigen Vernichtung ihrer Waffen.
Der Antrag wurde zur weiteren Beratung an den Europaausschuss überwiesen.
Weiterer Redner:
Lars Harms (SSW)
Am 22. Januar ist der von 122 der 193 Ländern der Vereinten Nationen beschlossene Vertrag zum Verbot von Atomwaffen in Kraft getreten, weil ihn inzwischen 51 Staaten ratifiziert haben. Der Vertrag untersagt den Besitz, Erwerb, Entwicklung und Stationierung von Kernwaffen. Das Problem: Alle Atommächte sowie sämtliche Nato-Staaten – und damit auch Deutschland – lehnen ihn aber weiterhin ab. Dies kritisierte die Bundes-SPD bereits scharf. Auch im Norden protestieren die Sozialdemokraten jetzt und fordern die Jamaika-Regierung auf, sich auf Bundesebene für eine deutsche Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages einzusetzen.
Weltweit würden immer noch mehrere tausend Atomwaffensprengköpfe in den Arsenalen der Atommächte lagern, führt Schleswig-Holsteins SPD-Landtagsfraktion in ihrem Antrag an. Weiter heißt es in der Begründung: „Diese Waffen stellen weltweit nach wie vor eine immense Bedrohung für die Gesundheit und das Leben von Menschen dar“, jeder Gebrauch von Atomwaffen hätte katastrophale humanitäre Auswirkungen.
Der Verbotsvertrag erhielt im Januar 90 Tage nach der Ratifizierung durch den 50. Vertragsstaat seine Gültigkeit. Das Abkommen war von dem Friedensnetzwerk Ican (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) initiiert worden, nachdem die Abrüstungsbemühungen auf der Grundlage bestehender Vereinbarungen wie dem seit 1970 geltenden Atomwaffensperrvertrag ins Stocken geraten waren. Es soll politischen Druck auf die Atommächte ausüben.
Nach den jüngsten Schätzungen des Friedensforschungsinstituts Sipri (Stockholm International Peace Research Institute) von Anfang 2020 gibt es weltweit noch 13.400 Atomwaffen in neun Ländern, die meisten in den USA (5800) und Russland (6375). Alle diese Länder boykottieren den Atomwaffenverbotsvertrag. Die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich halten den Atomwaffensperrvertrag weiterhin für die beste Grundlage für konkrete Abrüstungsschritte. In ihm wird ebenfalls allen Vertragsstaaten außer diesen fünf der Erwerb von Atomwaffen verboten. Die Atommächte verpflichten sich gleichzeitig zu Verhandlungen über konkrete Abrüstungsschritte bis zur vollständigen Vernichtung ihrer Waffen.
Deutschland und die anderen Nato-Mitgliedstaaten folgen der Argumentation der Atommächte. Erst Mitte Dezember kritisierten sie in einer gemeinsamen Erklärung den jetzt in Kraft getretenen UN-Vertrag, weil er das internationale Sicherheitsumfeld nicht widerspiegele und im Widerspruch zu bestehenden Abrüstungsregelungen stehe.
Deutschland ist zwar keine Atommacht, beteiligt sich aber an der atomaren Abschreckung der Nato. Nach Schätzungen lagern auf dem Fliegerhorst im rheinland-pfälzischen Büchel noch 20 US-Atombomben, die im Ernstfall von dort stationierten „Tornado“-Kampfjets der Bundeswehr abgeworfen werden sollen.
(Stand: 22. Februar 2021)
Für eine atomwaffenfreie Welt!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2758