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27. Januar 2021 – Januar-Plenum

SPD und SSW erteilen schlechte Noten für die Bildungsministerin

Die Opposition nimmt die Schulpolitik der Landesregierung unter die Lupe, Ministerin Prien wehrt sich gegen Vorwürfe. Abschlussprüfungen am Ende des Schuljahres können reduziert werden, aber ein „Notabitur“ soll es nicht geben.

Waldinger-Thiering Jette SSW Plenum
Die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering fordert mehr Verlässlichkeit in der Schulpolitik des Landes. Foto: Thomas Eisenkrätzer

Über die Situation der Schulen in der Corona-Pandemie haben sich Opposition und Bildungsministerin Karin Prien (CDU) einen Schlagabtausch geliefert. „So darf es nicht weitergehen“, verlangte der SPD-Abgeordnete Martin Habersaat. Er warf der Ministerin vor, für Verunsicherung bei Lehrern, Eltern und Schülern zu sorgen, die Digitalisierung zu verschlafen und den Infektionsschutz nicht ernst zu nehmen. Die Ministerin hielt dagegen: „Das Pensum, das wir bewältigen, ist enorm.“ Deswegen dürfe es nicht darum gehen, „nur die Haare in der Suppe zu suchen“. „Ich bin nicht frei von Fehlern“, bekannte Prien und appellierte: „Konzentrieren wir uns weiter auf das Wesentliche!“

Prien lobte den Öffnungspfad für die Schulen, der im aktuellen „Perspektivplan“ der Landesregierung aufgezeigt wird. Der Plan beschreibe „konkret den Weg zurück, für so viele wie möglich, so verantwortungsvoll wie möglich“. Präsenzunterricht sei „das prioritäre Ziel“, vor allem für die Grundschulen. Der Plan sieht vor, zunächst die Klassen 1 bis 6 und die Abschlussklassen wieder in den Wechselunterricht und dann in den vollen Präsenzunterricht zu holen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenzen im Lande stabil unter 100, unter 50 und unter 35 fallen. Es könne bereits ab 15. Februar Wechselunterricht geben, so Prien, „wenn zum 8. Februar die Werte sieben Tage lang unter 100 lagen“.

„Rote Laterne“ beim Digitalpakt

Außerdem betonte die Ministerin, dass die Abschlussprüfungen in diesem Schuljahr gleichwertig seien und von den Ländern gegenseitig anerkannt würden. Ab 1. März solle es eine „intensive Vorbereitung auf die schriftliche Prüfung“ geben. Beim Thema Digitalpakt gestand die Ministerin Verzögerungen ein: „Jahrzehntelang haben wir alle die Digitalisierung nicht ernst genommen“, und auch jetzt laufe nicht alles perfekt. Es seien aber beispielsweise 28.000 digitale Endgeräte an Schüler und Lehrer ausgeliefert worden. Dies sei ein „großer Erfolg“.

SPD-Mann Habersaat nannte den Stufenplan der Regierung zwar einen „ersten Schritt“, er warf der Ministerin aber vor, die Schulen zum Jahresbeginn mit einer „Flut von Erlassen“ verwirrt zu haben. Zudem habe Schleswig-Holstein die „Rote Laterne beim Digitalpakt“. Das Antragsverfahren sei zu kompliziert, die Antragsfristen zu lang, das Land schieße zu wenig Geld zu, und nirgends würden die Kommunen „so schlecht unterstützt“. Das Lernnetz „sh.itslearning“ sowie der Unterricht per Videokonferenz funktionierten oft nicht, so Habersaat. Zudem habe die Landesregierung das Infektionsrisiko in voll besetzten Schulbussen ignoriert, ebenso wie den Einbau von Luftfiltern in Klassenräumen und Corona-Schnelltest.

Flexible Prüfungen, aber kein „verlorenes Schuljahr“

Der Sozialdemokrat schüre nur Verunsicherung und zeige keine Lösungen auf, entgegnete Tobias von der Heide (CDU): „Sie werden der aktuellen Lage überhaupt nicht gerecht.“ Die Ministerin handele „in einer schwierigen Lage besonnen und entschlossen“. Von der Heide wies darauf hin, dass Land 250 zusätzliche Lehrerstellen für den Bereich Digitalisierung eingeplant habe. Jette Waldinger-Thiering (SSW) nahm ebenfalls den Digitalpakt ins Visier. Von den 170 Millionen Euro, die für Schleswig-Holstein aus dem Bundesprogramm bereitstünden, seien bislang lediglich 4,9 Millionen bewilligt und nur eine Million ausgezahlt worden. „Der Arbeitsaufwand im Antragsverfahren ist immer noch viel zu hoch“, und das Verfahren müsse „radikal“ vereinfacht werden.

Die Jamaika-Fraktionen hatten eine Änderung des Schulgesetzes vorgelegt, die die Abschlussprüfungen am Ende des laufenden Schuljahres flexibler gestalten soll. Der Entwurf wurde einstimmig angenommen. Nun ist es möglich, die Zahl der schriftlichen Prüfungen zu reduzieren, Schülern mehr Zeit für ihre Aufgaben einzuräumen, eine zusätzliche mündliche Prüfung zur Verbesserung der Note abzulegen oder sogar ganz auf Prüfungen zu verzichten. In der aktuellen Situation müsse der Leistungsdruck abgebaut werden, so Ines Strehlau (Grüne). Deswegen sei es angemessen, auch die Zahl der Klassenarbeiten zusammenzustreichen. Anita Klahn (FDP) warnte vor einem „verlorenen Schuljahr“. Es dürfe kein „Notabitur“ oder „ESA light“ geben, und diesem Jahrgang dürfe kein Makel anhaften. Der Verzicht auf Prüfungen dürfe nicht „massenhaft“ vorkommen.

Forderungen nach sofortiger Öffnung

Volker Schnurrbusch (AfD) rief die Regierung auf, „alles tun, um die Schulen so schnell wie möglich zu öffnen“. Es seien nicht die Schulen, die die Infektionszahlen nach oben treiben. Auch der fraktionslose Abgeordnete Frank Brodehl (LKR) forderte: „Öffnen Sie die Schulen und Kindergärten am kommenden Montag!“ Am Ende der Debatte wurden Oppositionsanträge zum Thema Abschlussprüfungen, Digitalpakt und Corona-Management im Bildungsministerium mehrheitlich abgelehnt, ein SPD-Antrag zum Präsenzunterricht wurde an den Bildungsausschuss überwiesen.

Der Landtag schaut auf die Schullandschaft und will in einer geballten Debatte sechs Tagesordnungspunkte abhandeln. Mit Spannung wird ein Bericht von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erwartet. Sie wird auf Antrag der Koalition dem Plenum ein neues Schulkonzept erläutern, das sie erst kurz vor der Tagung öffentlich vorstellen wird. Ein Schwerpunkt darin wird die Frage sein, wie Schulabschlüsse gewährleistet werden können. Hierzu liegen auch ein Gesetzentwurf und ein Antrag der SPD vor, die beide darauf drängen, dass es Abschlüsse geben soll.

Weiter geht es in der Debatte um die Anteile an Präsenzunterricht, die Ausstattung der Schulen und Schüler mit digitalen Endgeräten, die Server-Leistungen sowie damit verbunden um den Digitalpakt, auf dessen Umsetzung der SSW drängt. Weiter soll die Unterrichtssituation im vergangenen Schuljahr zur Sprache kommen.

SPD und SSW kritisieren Prien scharf

Laut einem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der in Zweiter Lesung vorliegt und vom Bildungsausschuss zur Annahme empfohlen wird, sollen Schulabschlüsse planmäßig erworben werden können. Zudem haben CDU, Grüne und FDP in die Vorlage zur Änderung des Schulgesetzes einen weiteren Passus eingefügt, der Vorkehrungen für eventuelle Corona-Einschränkungen trifft. Demnach sollen auch Leistungen der Schüler in Heimarbeit in die Zeugnisnoten einfließen. Lehrerkonferenzen sollen auch als Telefon- oder Videokonferenz abgehalten werden können.

In einem mit „Schulchaos beenden!“ überschriebenen Antrag fordern die Fraktionen von SPD und SSW die Bildungsministerin grundsätzlich dazu auf, verlässliche und langfristige Aussagen zur Schulpolitik zu tätigen und diese auch einzuhalten. Unter anderem mit Blick auf die jüngste Diskussion zum Präsenzunterricht werfen die Oppositionsparteien Prien vor, sie habe sich widersprüchlich geäußert und kurzfristig den Kurs gewechselt. Die Sozialdemokraten hatten am 15. Januar sogar den Rücktritt der Ministerin gefordert. „In den ersten vier Schultagen 2021 gab es vier unterschiedliche Aussagen zum Präsenzunterricht der Abschlussklassen“, hieß es.

Digitalpakt: Mittel werden zögerlich abgerufen

In Sachen Distanz-Unterricht drängen SPD und SSW unter anderem darauf, die Server-Infrastruktur zu stabilisieren. In diesem Zusammenhang ruft der SSW dazu auf, „das formelle Verfahren zur Antragstellung im Rahmen des Digitalpaktes Schule zu vereinfachen, damit schneller und einfacher Anträge gestellt werden können“. Auch soll das Land den Schulträgern bei der notwendigen Finanzierung der Eigenanteile beiseite springen.

Aus dem „Digitalpakt Schule 2019 bis 2024“ mit dem Bund erhält Schleswig-Holstein insgesamt rund 170 Millionen Euro. Davon sind 153 Millionen Euro für Investitionen an Schulen und jeweils 8,5 Millionen Euro für regionale oder landesweite Maßnahmen vorgesehen. Schulträger können noch bis Ende 2022 Mittel beantragen. Bisher sind laut SSW hierzulande allerdings nur knapp drei Prozent der Bundesmittel abgerufen worden – im Gegensatz zu Sachsen mit 100 Prozent oder Hamburg mit 44 Prozent.

Jede zehnte Schulstunde weicht vom Unterrichtsplan ab

Der aktuelle, alljährliche Regierungsbericht zur Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2019/2020 ist mit Vorsicht zu lesen, denn die Daten beziehen sich coronabedingt nur vom Schuljahresbeginn 2019 bis Mitte März 2020. Demnach sind an den allgemein bildenden Schulen rund zehn Prozent des in den Stundenplänen vorgesehenen Unterrichts ausgefallen – rund zwei Prozent ersatzlos, weitere knapp acht Prozent wurden durch Vertretungsunterricht und andere organisatorische Maßnahmen, wie etwa durch das sogenannte Eigenverantwortliche Arbeiten, ersetzt. An den berufsbildenden Schulen fielen durchschnittlich 2,8 Prozent des Unterrichts aus und weitere 5,5 Prozent wurden in außerplanmäßigen Organisationsformen erteilt.

Wenn kein Lehrer erkrankt oder anderweitig verhindert wäre, hätten an den allgemeinbildenden Schulen sämtliche Schulstunden planmäßig stattfinden können. Denn rein rechnerisch, so hebt es die Landesregierung einleitend hervor, sei „das Ziel einer hundertprozentigen Unterrichtsversorgung“ im Schuljahr 2019/20 durch 153 zusätzlich geschaffene Planstellen für Lehrkräfte „erreicht und übertroffen“ worden. Im Durchschnitt war demnach im vergangenen Schuljahr an den allgemeinbildenden Schulen eine Unterrichtsversorgung von 101 Prozent sowie an den berufsbildenden Schularten von rund 97 Prozent zu verzeichnen.

Gymnasien verlieren 1200 Schüler

Die Schülerzahl insgesamt ist an allgemein- und berufsbildenden Schulen im Vergleich zum Vorjahr 2018/2019 um rund 4.200 (-1,1 Prozent) auf knapp 364.000 zurückgegangen. Während es an den Grundschulen inklusive der DaZ-Zentren Primar einen leichten Rückgang gab (-0,5 Prozent), stieg die Schülerzahl an den Gemeinschaftsschulen an. Allerdings wählten etwas weniger Schüler die Gemeinschaftsschulen-Laufbahn mit Oberstufe. Die Gymnasien verzeichnen den Angaben zufolge einen starken Rückgang von rund 1.200 Schülern (-1,6 Prozent).

Die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist laut dem Bericht weiterhin gestiegen, in diesem Jahr um rund 220 (1,3 Prozent). Während die Förderzentren ein Plus von 120 Schülern (2,4 Prozent) verzeichneten, stieg die Schülerzahl in inklusiven Maßnahmen an den Schulen um rund 100 (knapp ein Prozent mehr). Damit ist der Anteil der Schüler in Inklusionsmaßnahmen bezogen auf alle Schüler mit Förderbedarf mit einem Absinken von 69,5 Prozent im Vorjahr auf 69,2 Prozent annähernd gleichgeblieben. Die Schülerzahl an den berufsbildenden Schulen ist um knapp 1.500 (-1,6 Prozent) weiter gesunken.

(Stand: 25. Januar 2021)

Weitere vorherige Debatten/Meldungen zum Thema
Januar 2021 (Corona-Strategie)
Dezember 2020 (1. Lesung, Schulgesetz zu Corona-Anpassungen, Schulabschlüsse) / ohne Aussprache)
Juni 2020 (2. Lesung, Verschleierung, Schulaufsicht, berufl. Bildung, Schulabschüsse 2019/2020)
Mai 2020 (1./2. Lesung, Artikelgesetz zu Schulabschlüssen/Corona)
September 2017
Dezember 2017 (1./2. Lesung, Schulgesetz G8, G9)

Vorherige Debatten zum Thema Unterrichtssituation:
Oktober 2020 (Situation an Schulen)
Dezember 2019 (Unterrichtsbericht 2018/19)
Dezember 2018 (Unterrichtsbericht 2017/18)

Zweite Lesung

Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes aufgrund der Coronavirus-Pandemie
Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2631

Bericht und Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses – Drucksache 19/2706
(Ausschussüberweisung am 11. Dezember 2020)

Anträge

Schulabschlüsse 2021 für Schülerinnen und Schüler gewährleisten
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2621

Schulchaos beenden!
Antrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/2683

Digitalpakt Schule endlich umsetzen
Antrag der Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/2704

Umsetzung der Corona-Maßnahmen in Schulen
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2716

Dringlichkeitsantrag

Niemanden zurücklassen!
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2737

Regierungsbericht

Bericht über die Unterrichtssituation im Schuljahr 2019/20
Federführend ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Drucksache 19/2471