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Positive Nachrichten von Gesundheitsminister Heiner Garg: Ab Jahresbeginn können die Impfungen gegen das Coronavirus starten. Sorgen bereiten den Abgeordneten allerdings mögliche Angriffe auf Impfzentren.
Schleswig-Holstein ist bestens auf die bevorstehende Impfung der Bevölkerung gegen Covid-19 vorbereitet, erklärte Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) in einem von CDU, Grünen und FDP geforderten mündlichen Bericht. Er rechne mit der Zulassung eines Impfstoffes durch die Europäische Gesundheitsbehörde bis zum 29. Dezember, so Garg. Anfang des kommenden Jahres könne es dann in insgesamt 29 Impfzentren im Land losgehen. „Das ist der große Schritt, um aus dieser Pandemie herauszukommen“, sagte der Minister. Er warnte jedoch zugleich, nicht in Übermut zu verfallen. Man müsse noch „über Monate“ weiter Rücksicht und Verantwortung übernehmen und Hygieneregeln einhalten.
Der Minister nannte zahlreiche Details zum geplanten Ablauf. So werde Ende dieses Jahres in jedem Kreis und den vier kreisfreien Städten mindestens ein Impfzentrum betriebsbereit sein. Die für den Impfstoff notwendigen Gefriereinheiten seien ebenso bereits vorhanden wie alle Impfmaterialien. Dazu gehören etwa Spritzen, Kanülen oder Alkoholtupfer. Begeistert zeigte sich Garg über die Bereitschaft von Ärzten und medizinischen Fachangestellten in Schleswig-Holstein, die Bevölkerung zu impfen. So hätten bereits 2900 Ärzte und fast 2000 Frauen und Männer des medizinischen Personals zugesagt. „Dafür gilt mein großer Dank“, so der Minister.
Die Impfzentren sollen an allen Wochentagen geöffnet, der Ablauf darin komplett standardisiert sein. Wer sich impfen lassen möchte, müsse vorher einen Termin machen, entweder über ein Onlineportal oder die Rufnummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes. „Dafür wird dann ein extra Callcenter geschaltet“, kündigte Garg an. Die Starttermine für die einzelnen Gruppen würden „rechtzeitig über sämtliche öffentliche Kanäle“ kommuniziert. Der Minister stellte klar, die Impfung sei freiwillig und für jeden kostenfrei.
Weitere Details wollen die Gesundheitsminister von Bund und Land am Sonnabend in einer Sonderkonferenz besprechen. Dann werde zum Beispiel auch darüber diskutiert, was mit Menschen ist, die bereits an Corona erkrankt waren. Man werde sich hier an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission orientieren, erklärte Garg. Wer dann wann geimpft werde, hänge auch von der Verfügbarkeit des Impfstoffes ab. Noch sei nämlich nicht bekannt, wie viele Impfdosen an Deutschland geliefert werden, so Garg – „es wird aber zunächst eine sehr begrenzte Menge sein“. Zunächst sollten Menschen über 80 Jahre sowie Personal in Pflegeheim- und Seniorenheimen sowie medizinisches und pflegerisches Personal geimpft werden.
Zum Ablauf in den Impfzentren gab Katja Rathje-Hoffmann (CDU) Einzelheiten bekannt. So werde es in den Zentren eine „Impfstraße“ geben, in denen zunächst die Personalien aufgenommen und dann die Körpertemperaturen gemessen werden. Nach einer ärztlichen Beratung erfolge die Impfung. Danach müsse noch 15 Minuten gewartet werden, um mögliche Reaktionen abzuwarten. „Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich mindestens zwei Millionen Schleswig-Holsteiner impfen lassen. Derzeit sind aber nur 63 Prozent dazu bereit“, bedauerte Rathje-Hoffmann (CDU).
Für Marret Bohn (Grüne) sind die Impfstoffe „zentraler Baustein“ in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. „Jeder einzelne Impfstoff ist eine Chance und diese Chance sollte jeder ergreifen“, appellierte Bohn. Christopher Vogt (FDP) wunderte sich über Leute, die keine Angst vor den Folgeschäden der Covid-19-Erkrankung, aber Angst vor Schäden durch die Impfung haben. „Das leuchtet mir nicht ein.“ Allein Claus Schaffer (AfD) konstatierte, bei dem Impfstoff gebe es „noch viele offene Fragen“. Die Aktion sei „das größte Humanexperiment der Geschichte“.
Auch Serpil Midyatli (SPD) appellierte „an die gesamte Bevölkerung“, sich impfen zu lassen. „Der Impfstoff ist unser stärkstes Schwert gegen das Virus.“ Zugleich zeigte sie sich besorgt über eine Einschätzung des Bundeskriminalamtes. Demnach sei es notwendig, Impfzentren zu schützen und zu überwachen. „Es besteht die konkrete Gefahr, dass diese Orte zu Zielen von Corona-Leugnern, Impfgegnern und Verschwörungsideologen werden“, so Midyatli. Ähnlich äußerte sich Christian Dirschauer (SSW). Es seien Demonstrationen zu erwarten „von Menschen, die sich in den vergangenen Monaten unglaublich schnell radikalisiert haben.“
Bald dürfte es mit dem Impfen gegen Corona losgehen. Hersteller haben bereits für zwei Präparate Zulassungsanträge in der EU gestellt, eine Freigabe könnte es binnen Wochen geben. Kann in Schleswig-Holstein dann schnell, flächendeckend und in hoher Frequenz geimpft werden? Die Koalitionsfraktionen haben bei der Landesregierung nach einer „Impfstrategie“ nachgefragt. Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) wird im Plenum berichten.
Der Aufbau von Impfzentren läuft zwischen Nord-und Ostsee bereits auf Hochtouren. Landesweit sollen 29 Impfzentren entstehen. Ob Tennishalle, Ex-Spielplatz, Konzerthaus – Corona-Impfzentren bekommen auch ungewöhnliche Heimstätten. Vom 15. Dezember an sollen die Zentren an in allen Kreisen und kreisfreien Städten einsatzbereit sein. In den Impfstätten sind laut Gesundheitsministerium zwei bis acht sogenannte Impflinien vorgesehen. Diese umfassen alle Schritte einer Impfung – von der Anmeldung und Registrierung über die Aufklärung, die Impfung selbst bis hin zu Dokumentation und Nachbeobachtung.
Minister Garg rechnet mit dem ersten zugelassenen Impfstoff Ende Dezember. Die erste Tranche für Schleswig-Holstein wird demnach bei etwa 170.000 Dosen liegen. Auch Schutzausrüstung, Spritzen, Kanülen, Alkoholtupfer habe Schleswig-Holstein zum Teil schon im August bestellt. Vorrang bei Impfungen hätten etwa medizinisches und pflegerisches Personal im Umgang mit Covid-19-Patienten sowie besonders anfällige Gruppen. Garg betonte, eine Impfung gegen Sars-Cov-2 werde freiwillig sein. Seitens der Kassenärztlichen Vereinigung SH (KVSH) wurde vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass knapp 2000 Ärzte und medizinische Fachangestellte einem Aufruf der KVSH gefolgt seien, sich am Impfdienst zu beteiligten.
CDU, Grüne und FDP wollen von der Landesregierung weiterhin unter anderem wissen, mit welchen Impfstoffmengen und Impfmaterialien insgesamt gerechnet wird, wie die Impfzentren logistisch betrieben werden, ob es mobile Impfteams, etwa für Pflegeeinrichtungen, geben wird und wie die Terminvergabe erfolgen soll.
Bei der beispiellosen Großoperation „Corona-Schutzimpfungen“ nimmt der Staat nimmt den Auftakt direkt in die Hand, um einen Anschub für Impfungen von vielen Millionen Bürgern zu geben. Später sollen Praxen in der Fläche übernehmen. Die konkrete Organisation wird vor Ort gemacht. Heikel ist vor allem die Anfangsphase, wenn sich wohl viel mehr Menschen impfen lassen möchten, als Impfstoff da ist.
Wie schnell geht's los?
Wann die erste Spritze gesetzt werden kann, steht noch nicht fest. Bund und Länder peilen an, mit wichtigen Vorbereitungen bis Mitte Dezember startklar zu sein - auch, wenn es dann doch noch ein paar Wochen länger dauern sollte. Massenimpfungen sind ohnehin nicht gleich möglich, weil zuerst nur begrenzte Impfstoffmengen zu erwarten sind. „Wir müssen durch den Winter durchkommen, ohne darauf setzen zu können, dass wir in großem Maße schon Impfstoff zur Verfügung haben“, erläuterte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Im ersten Quartal 2021 könne Deutschland von den Herstellern Biontech/Pfizer und Moderna wohl zusammen sieben Millionen Dosen erwarten. Vorgesehen sind aber auch zwei Impfungen in bestimmtem Abstand. Im dritten Quartal – also zum Sommer - könnten dann deutlich größere Mengen verfügbar sein.
Wer besorgt den Impfstoff?
Zentral Impfstoff für Deutschland beschaffen will der Bund. Über einen EU-weiten Schlüssel und nationale Vereinbarungen sind bisher rund 300 Millionen Dosen gesichert. Der Bund bezahlt das auch, im Etat 2021 sind vorerst 2,7 Milliarden Euro dafür reserviert. Verteilt werden sollen Impfstoffe über knapp 30 Anlieferstellen der Länder, von dort dann weiter in regionale Impfzentren, für die gerade Hallen, Stadien und Hotels hergerichtet werden. Das hat praktische Gründe: Einige Impfstoffe müssen bei minus 70 Grad gekühlt werden, was nicht in jeder Praxis und Apotheke geht. In Zentren mit Hunderten Impfungen am Tag können Impfstoffe auch in großen Mengen aufgebraucht werden, ehe sie verfallen. Möglich sind spezielle Sicherheitsvorkehrungen.
Wer soll zuerst drankommen?
In den Zentren soll ein Vorrang bestimmter Gruppen beim Impfen klarer durchzusetzen sein als an den Empfangstresen von Arztpraxen, wie Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte – zumal bei emotionalen Reaktionen, wenn jemand abgewiesen wird. Die Reihenfolge will Spahn per Verordnung festlegen, die Richtung zeichnet sich schon ab. Nach einem Rahmen, den der Bundestag in einem Gesetz abgesteckt hat, legte die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI) einen Entwurf für eine genauere Empfehlung vor. Länder und Experten können dazu noch Stellung nehmen. Als erste sollten demnach Ältere über 80, Pflegeheimbewohner und Personal mit höchstem Infektionsrisiko in Kliniken und Altenheimen zum Zug kommen, rund 8,6 Millionen Menschen.
Wo kann man sich impfen lassen?
In den Ländern werden Zentren eingerichtet, die Impfungen in einer Region für die ersten Monate bündeln sollen. In Hessen werden zum Beispiel je Zentrum mindestens 1000 Impfungen pro Tag angepeilt, geöffnet sieben Tage die Woche. In der Düsseldorfer Fußball-Arena sollen auf zwei Etagen bis zu 2400 Impfungen am Tag möglich sein. Gebraucht wird überall auch extra Personal. An Zentren angedockt werden sollen mobile Teams, die etwa in Altenheime gehen. Dabei kann sich Spahn pragmatische Lösungen vorstellen: Wenn ein Team mal vor Ort ist, könnten doch auch gleich alle Bewohner auf Wunsch geimpft werden, selbst wenn ihre Altersgruppe formal noch nicht dran ist.
Wie sollen Impfungen ablaufen?
Für Impfzentren gibt es jeweils eigene Konzepte, die von der An- und Abfahrt bis zur Gestaltung der Räume reichen. Um Warteschlangen und Gedrängel zu vermeiden, sollen Termine generell vorab online oder per Telefon gebucht werden können. Experten empfehlen für Zentren meist Impfstraßen als Einbahnstraßen, um Patienten von Station zu Station zu lotsen - von der Anmeldung, wo die Impfberechtigung geprüft wird und man einen Aufklärungsbogen bekommen kann, bis zu einer Zone, wo man nach dem Impfen noch etwas bleiben kann. Gebraucht werden auch Wartebereiche, Räume für Arztgespräche und die eigentliche Impfung. Die Planer schauen dann, wie lange ein normaler Durchlauf dauert - in Husum in Schleswig-Holstein sind es zum Beispiel etwa 45 Minuten.
Was kostet die Impfung?
Die Impfung samt Beratung soll für alle Bürger kostenlos sein. In der ersten Phase mit noch relativ wenig verfügbaren Dosen muss man aber - nach dann geltender Impf-Reihenfolge - seine «Anspruchsberechtigung» nachweisen. Beim Alter soll das einfach mit Personalausweis oder Pass gehen, wie ein Verordnungsentwurf des Bundes vorsieht. Bei Personal im Gesundheitswesen, in der Pflege und der „kritischen Infrastruktur“ wie der Polizei sollen es Arbeitgeber-Bescheinigungen tun. Wenn Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen an die Reihe kommen, sollen sie ein ärztliches Attest vorlegen müssen. Kennt einen der Arzt, soll man sich das auch telefonisch bestellen und zuschicken lassen können.
Wie kommen Hausärzte beim Impfen ins Spiel?
Nach dem Start in zentralen Einrichtungen sollen die Corona-Impfungen dezentral weitergehen - wie es Praxen gerade auch wieder mit mehr als 20 Millionen Grippeimpfungen tun. Wann umgeschaltet werden kann, ist offen, vielleicht im Sommer. Voraussetzung sind mehr Impfstoffe für den Masseneinsatz, die normal in Apotheken und Praxen zu lagern sind. Wie sich die Impfbereitschaft nach ersten Eindrücken entwickelt, muss sich dann zeigen. Die Bundesregierung plant Info-Kampagnen fürs Impfen und will erklärtermaßen auf breites Vertrauen achtgeben. Dazu gehört das wiederholte Versprechen: Es geht um ein Impfangebot, keine Impfpflicht. Spahn hat im Bundestag sein Wort darauf gegeben.
Wie schnell können Impfungen die Pandemie stoppen?
Mit Prognosen halten sich Politik und Experten zurück. Inmitten andauernder Corona-Beschränkungen sind nahende Impfungen aber „Licht am Ende des Tunnels“, wie Merkel sagte. Schritt für Schritt sei das Virus damit zu besiegen. „Eine Sache von wenigen Monaten wird das allerdings nicht, seien wir da ganz realistisch.“ RKI-Präsident Lothar Wieler nannte Impfungen den „entscheidenden Game-Changer“, der den Pandemie-Verlauf um Jahre verkürzen könne – Deutschland alleine reiche da aber nicht. Ein Aufwand von nochmals fünf, sechs Milliarden Euro rund ums Impfen lohne sich jedenfalls, machte Spahn deutlich. Allein die Novemberhilfen für Betriebe kosteten 15 Milliarden Euro.
(Stand: 7. Dezember 2020)
Vorherige Debatte zum Thema:
Oktober 2020
Mündlicher Bericht zur Umsetzung der Impfstrategie
Antrag der Fraktionen von CDU, B´90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2629