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27. November 2020 – Sondersitzung November

Disput um Schwangerschafts­abbrüche

Die Koalitionsfraktionen sind der Ansicht, dass es in Schleswig-Holstein ein umfassendes ambulantes und stationäres Angebot für Schwangerschafts­abbrüche gibt. Die Opposition sieht das ganz anders.

Pauls Birte SPD Plenum
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Birte Pauls, tritt für ein wohnortnahes ambulantes und stationäres Angebot zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen ein. Foto: Michael August

Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, sollen in Schleswig-Holstein entsprechende Eingriffe in Wohnortnähe vornehmen lassen können. Hierzu besteht in weiten Teilen Einigkeit im Plenum. Konträr ist die Diskussion allerdings im Detail. Auf dem Tisch lagen drei Anträge zum Thema, die auf Druck der Koalitionsfraktionen nicht wie von der Opposition gewünscht an den Sozialausschuss überwiesen, sondern abgestimmt wurden. Mit Mehrheit wurde so ein Antrag von CDU, Grünen und FDP mit der Feststellung angenommen, dass „in Schleswig-Holstein ein umfassendes ambulantes und stationäres Angebot, um Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu können, besteht“. Zwei Anträge von SPD und SSW wurden abgelehnt.

Die Sozialdemokraten hatten mit ihrem Ursprungsantrag an die Landesregierung appelliert, dem „Versorgungsauftrag für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen“ nachzukommen, während der SSW insbesondere die Situation in Flensburg in den Fokus rückte. Dort sollen nach einer Krankenhausfusion unter Beteiligung eines katholischen Partners Abtreibungen künftig nur noch in Notfällen vorgenommen werden.

SPD: Abbruch nicht auf dem Hinterhof

In der Debatte wies die SPD-Abgeordnete Birte Pauls darauf hin, dass die Listen der Bundesärztekammerschaft über Fachpraxen in Schleswig-Holstein, die Abbrüche vornehmen, zum Teil nicht mehr aktuell seien. Zur Situation in Flensburg sagte sie, es dürfe nach der Fusion auf dem Klinikgelände kein Praxisraum „auf dem Hinterhof“ entstehen – damit würden Schwangerschaftsabbrüche noch weiter „stigmatisiert werden“.

Katja Rathje-Hoffmann (CDU) zeigte sich erfreut, dass es in Flensburg bereits intensive Gespräche an einem „Runden Tisch“ gibt und sich eine Lösung über eine niedergelassene Ärztin abzeichnet. Grundsätzlich gebe es in Schleswig-Holstein keine Unterversorgung bei der sogenannten Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, Jamaika habe die Situation im Blick. Dieser Ansicht schloss sich die FDP-Politikerin Anita Klahn an. Aminata Touré (Grüne) sah dagegen noch Nachholbedarf bei dem flächendeckenden Angebot an Schwangerschaftskonfliktberatungen, und auch sie bemängelte wie die SPD-Politikerin Pauls, dass die Adressenliste bei der Bundesärztekammer lückenhaft sei.

Garg: Vegleichsweise gute Situation im Land

Die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering (SSW) äußerte sich enttäuscht darüber, dass „wir keinen gemeinsamen Antrag hinbekommen haben“ – insbesondere der Fall Flensburg zeige, wie schwierig es in Schleswig-Holstein sei, eine wohnortnahe Versorgung sicherzustellen.

Abschließend verwahrte sich Sozialminister Heiner Garg (FDP) gegen Vorwürfe, die Landesregierung tue auf dem Gebiet zu wenig. Beispielsweise werde seit zwei Jahren im Ministerium „intensiv“ nach einer Lösung für Flensburg gesucht – und zu der werde es auch an der Förde kommen. Grundsätzlich, so Garg, komme Schleswig-Holstein den bundesgesetzlichen Vorgaben bei dem Angebot an Vornahmen von Schwangerschaftsabbrüchen nach; auch im bundesdeutschen Vergleich stehe das Land gut da. 

Beklagt wurde überfraktionell, dass immer weniger niedergelassene Ärzte im Land bereit seien, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, weil sie Anfeindungen fürchten.

Die SPD sorgt sich um Frauen, die ungewollt schwanger sind und fordert von der Landesregierung, den „Versorgungsauftrag für ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen wahrzunehmen“. Dafür sei eine flächendeckende Planung für Schleswig-Holstein notwendig. In einem Alternativantrag heben die Koalitionsfraktionen hervor, dass dieser Versorgungsauftrag im Schwangerschaftskonfliktgesetz des Bundes verankert ist.

„Versorgungslücken“ könnten etwa durch rückläufige Angebote entstehen. Als Beispiel nennt die SPD in ihrem Antrag die Fusion zweier Kliniken in Flensburg. Das geplante Zentralkrankenhaus in der Fördestadt will Abtreibungen künftig nur noch in Notfällen vornehmen. Der Grund: Die katholischen Malteser als einer der Krankenhausträger lehnen Schwangerschaftsabbrüche aus ethischen Gründen ab.

Als weiteres Problem nennen die Sozialdemokraten die unzureichende Ausbildung im Bereich Frauenheilkunde auf dem Gebiet der Schwangerschaftsabbrüche. „Aktuelle, fachgerechte Methoden zum Abbrechen einer Schwangerschaft“ seien kein regulärer Bestandteil des Medizinstudiums und würden „auch nicht im Rahmen der fachärztlichen Ausbildung in der Gynäkologie“ gelehrt. Dies müsse geändert werden.

Koalition will Gespräche führen

CDU, Grüne und FDP halten das Versorgungsangebot in Schleswig-Holstein als ausreichend. Sie rufen in ihrem Alternativantrag dazu auf, im Dialog mit allen Beteiligten Gespräche zu führen, „wie eine verbesserte Information und Übersicht der Einrichtungen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, sichergestellt werden kann“ und wie im Rahmen der Facharztausbildung im Bereich Frauenheilkunde und Geburtshilfe oder der Weiterbildung, die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen berücksichtigt werden könne. Darüber hinaus wird in dem Papier darauf hingewiesen, dass im kommenden Jahr ein mit Landesgeldern finanziertes Projekt zur Förderung von ärztlichen Beratungsangeboten im Schwangerschaftskonflikt gestartet wird.

(Stand: 16. November 2020)

Vorherige Debatte/Meldung zum Thema:
März 2019 ((Werbung Ärzte/ohne Aussprache)
Januar 2018 (Infos von Ärzten)

Antrag

Frauen nicht allein lassen – Versorgungsangebot für einen sicheren Schwangerschaftsabbruch in Schleswig-Holstein sicherstellen
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2544
Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/2584
Alternativantrag der Abg. des SSW – Drucksache 19/2619