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16. November 2020 – November-Plenum

Wie sieht das Bildungssystem der Zukunft aus?

Seit Jahren wird darüber gestritten, welches Bundesland das vermeintlich bessere Schulsystem hat. Die Kultusministerkonferenz drängt auf mehr Einheitlichkeit in Deutschland. Der Landtag diskutiert mit.

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Für mehr Einheitlichkeit: Die Kultusminister der 16 Länder wollen Schulausbildung und Schulabschlüsse in den kommenden Jahren deutlich vergleichbarer gestalten. Foto: dpa, Peter Steffen

Auf Druck der Koalitionsfraktionen soll Bildungsministerin Karin Prien (CDU) dem Parlament ihre Sichtweise zu den Ergebnissen der letzten Kultusministerkonferenz (KMK) darlegen. Mitte Oktober hatten die Minister der 16 Länder eine „Ländervereinbarung“, die für mehr Einheitlichkeit und Zusammenarbeit in Deutschland sorgen soll, beschlossen. So wollen die Kultusminister die Schulausbildung und Schulabschlüsse in den kommenden Jahren deutlich vergleichbarer gestalten. In die Grundsatzdebatte fließt auch der aktuelle Bericht zur Unterrichtssituation 2019/2020 ein, demnach vor dem Lockdown im Frühjahr fast jede zehnte Stunde in Schleswig-Holstein nicht planmäßig stattfand.

Das Vertragspapier der KMK, das noch von den Ministerpräsidenten der Bundesländer unterzeichnet werden muss, soll das 56 Jahre alte „Hamburger Abkommen“ zur „Vereinheitlichung auf dem Gebiete des Schulwesens“ ablösen. Es beschreibt Grundsätze und Ziele der Zusammenarbeit der Länder. Im Hamburger Abkommen“ waren unter anderem gemeinsame Regeln der Länder zur gegenseitigen Anerkennung von Schulabschlüssen, zu Schulferien, den Schularten und der Anerkennung von Lehramtsabschlüssen festgelegt.

Länderübergreifender Pool für Abi-Aufgaben

In der neuen Vereinbarung sichern sich die Länder unter anderem zu, „durch geeignete Maßnahmen“ dafür zu sorgen, dass Schüler bei einem länderübergreifenden Schulwechsel „ihre Bildungslaufbahn bruchlos fortsetzen können“. Ein wesentlicher Punkt sind die Abituraufgaben. Hier wollen sich die Länder dazu verpflichten, eine bestimmte Anzahl der Aufgaben aus einem gemeinsamen, länderübergreifenden Pool zu entnehmen.

Eingerichtet werden soll außerdem eine „Ständige wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz“. Dieses in früheren Planungen auch „Bildungsrat“ genannte Gremium soll die Länder in Fragen der Weiterentwicklung des Bildungswesens unter anderem mit Blick auf eine bessere Vergleichbarkeit beraten.

Unterschiedliche Reaktionen

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Prien steht voll hinter den bildungspolitischen Beschlüssen der Kultusminister. Die Konferenz habe „für die Zukunft unseres Bildungssystems wegweisende Beschlüsse gefasst“, sagte die CDU-Politikerin nach der Konferenz. Mit der Verpflichtung der Länder, wesentliche Zukunftsthemen der Bildungspolitik in den kommenden Jahren mit klaren, gemeinsamen Zielen weiterzuentwickeln, werde den berechtigten Erwartungen an einen zeitgemäßen Bildungsföderalismus entsprochen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierte dagegen die Inhalte der Ländervereinbarung als „Rolle rückwärts“ und „schwarzen Tag für die Bildung“. Das Papier schreibe den „Status quo einer Bildungspolitik der 1950er-Jahre West fest“, sagte die GEW-Bundesvorsitzende Marlis Tepe. „Prüfungen werden zentralisiert und normiert, Qualität soll über noch mehr Tests und Bildungsstandards gesichert und veraltete Pädagogik jetzt auch digital betrieben werden“. Zudem sei das Thema Inklusion, das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht behinderten Schülern, zu kurz gekommen.
(Hinweis: eine Übersicht über einzelne Punkte der KMK-Beschlüsse sind am dieses Textes aufgeführt)

Unterrichtsbericht: Fast jede zehnte Stunde nicht planmäßig

In die Debatte fließt auch der aktuelle, alljährliche Bericht zur Unterrichtsversorgung im Schuljahr 2019/2020 ein. Allerdings beziehen sich die Daten coronabedingt nur vom Schuljahresbeginn 2019 bis Mitte März dieses Jahres. Demnach sind an den allgemein bildenden Schulen rund zehn Prozent des in den Stundenplänen vorgesehenen Unterrichts ausgefallen – rund zwei Prozent ersatzlos, weitere knapp acht Prozent wurden durch Vertretungsunterricht und andere organisatorische Maßnahmen, wie etwa durch das sogenannte Eigenverantwortliche Arbeiten, ersetzt. An den berufsbildenden Schulen fielen durchschnittlich 2,8 Prozent des Unterrichts aus und weitere 5,5 Prozent wurden in außerplanmäßigen Organisationsformen erteilt.

Wenn kein Lehrer erkrankt oder anderweitig verhindert wäre, hätten an den allgemeinbildenden Schulen sämtliche Schulstunden planmäßig stattfinden können. Denn rein rechnerisch, so hebt es die Landesregierung einleitend hervor, sei „das Ziel einer hundertprozentigen Unterrichtsversorgung“ im Schuljahr 2019/20 durch 153 zusätzlich geschaffene Planstellen für Lehrkräfte „erreicht und übertroffen“ worden. Im Durchschnitt war demnach im vergangenen Schuljahr an den allgemeinbildenden Schulen eine Unterrichtsversorgung von 101 Prozent sowie an den berufsbildenden Schularten von rund 97 Prozent zu verzeichnen.

Gymnasien verlieren 1200 Schüler

Die Schülerzahl insgesamt ist an allgemein- und berufsbildenden Schulen im Vergleich zum Vorjahr 2018/2019 um rund 4.200 (-1,1 Prozent) auf knapp 364.000 zurückgegangen. Während es an den Grundschulen inklusive der DaZ-Zentren Primar einen leichten Rückgang gab (-0,5 Prozent), stieg die Schülerzahl an den Gemeinschaftsschulen an. Allerdings wählten etwas weniger Schüler die Gemeinschaftsschulen-Laufbahn mit Oberstufe. Die Gymnasien verzeichnen den Angaben zufolge einen starken Rückgang von rund 1.200 Schülern (-1,6 Prozent).

Die Anzahl der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist laut dem Bericht weiterhin gestiegen, in diesem Jahr um rund 220 (1,3 Prozent). Während die Förderzentren ein Plus von 120 Schülern (2,4 Prozent) verzeichneten, stieg die Schülerzahl in inklusiven Maßnahmen an den Schulen um rund 100 (knapp ein Prozent mehr). Damit ist der Anteil der Schüler in Inklusionsmaßnahmen bezogen auf alle Schüler mit Förderbedarf mit einem Absinken von 69,5 Prozent im Vorjahr auf 69,2 Prozent annähernd gleichgeblieben. Die Schülerzahl an den berufsbildenden Schulen ist um knapp 1.500 (-1,6 Prozent) weiter gesunken.

Die Pläne der Kultusministerkonferenz im Einzelnen

GRUNDSCHULE:
Für Kinder, die in die Grundschule kommen, sollen einheitliche Standards für sprachliche und mathematische Kompetenzen und entsprechende Förderung gesetzt werden. Dafür soll die KMK gemeinsam mit der Jugend- und Familienministerkonferenz eine Empfehlung erarbeiten. Die Länder wollen sich zudem auf einen Gesamtstundenrahmen und einen Mindeststundenumfang in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht in der Grundschule verständigen. Die Vermittlung der Schreibschrift wird betont, ebenso ein einheitlicher Rechtschreibrahmen.

NACH DER GRUNDSCHULE
Im sogenannten Sekundarbereich I – also den ersten Jahren nach der Grundschule – soll das Namenschaos in Deutschland geordnet werden. Hier gibt es in jedem Land andere Bezeichnungen: Hauptschule, Realschule, Mittelschule, Regelschule, Oberschule oder Stadtteilschule. „Zur Erhöhung der Transparenz und damit Akzeptanz prüfen die Länder die Möglichkeit einer einheitlicheren Namensgebung für die Schularten“, heißt es im Beschluss der KMK. Zudem sollen einheitliche Regelungen im Sekundarbereich I zur Wochenstundenzahl der Fächer und Lernbereiche im Pflicht- und Wahlpflichtunterricht geschaffen werden.

ABITUR:
Die Länder verpflichten sich dazu, dass ab 2023 die Hälfte der Aufgaben für die Abi-Prüfungen in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch aus gemeinsamen Aufgabenpools kommen soll. Das soll ab 2025 dann auch für Biologie, Chemie und Physik gelten. Solche gemeinsamen Aufgabenpools gibt es jetzt schon für Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch. Allerdings gibt es bisher keine Pflicht, daraus auch Aufgaben zu verwenden.

Weil die Abitur-Note zu einem großen Teil von den Leistungen vor den eigentlichen Prüfungen abhängt, soll zudem bis 2023 eine genaue Anzahl „verpflichtend zu belegender und in die Gesamtqualifikation einzubringender Fächer einschließlich ihrer Gewichtung“ festgelegt werden. Es gehe nicht darum, dass an einem Tag überall in Deutschland dasselbe Abitur geschrieben wird, sondern um mehr zentrale Elemente, hieß es.

(Stand: 16. November 2020)

Vorherige Debatten zum Thema:
Oktober 2020 (Situation an Schulen)
August 2020 („Lernen in Corona-Zeiten“)
Januar 2020
Dezember 2019 (Unterrichtsbericht 2018/19)
Dezember 2018 (Unterrichtsbericht 2017/18)

Aktuell:
Der Tagesordnungspunkt wurde abgesetzt

Antrag

Mündlicher Bericht über die Ländervereinbarung über die Grundstruktur des Schulwesens
Antrag der Fraktionen von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – Drucksache 19/2552

Bericht der Landesregierung

... über die Unterrichtssituation im Schuljahr 2019/20
Federführend ist das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Drucksache 19/2471