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In der Beratung über eine Mindestlohn-Erhöhung waren in einer Sache alle Redner einig: Menschen müssen von ihrer Arbeit leben können, auch um Armut im Alter zu verhindern. SSW und SPD wollen dieses Ziel allerdings mit einem höheren Mindestlohn als den derzeit gültigen in Höhe von 9,35 Euro erreichen. CDU und FDP sagen: Eine Erhöhung auf 13 Euro, wie es der SSW jetzt vorgeschlagen hat, ist das falsche Instrument zur Armutsbekämpfung.
Als Redner für die Antragsteller vom SSW machte Christian Dirschauer deutlich: Der derzeit geltende Mindestlohn schütze nicht vor Altersarmut und sei „nicht existenzsichernd“. Langfristig müsse der Mindestlohn, den der SSW zunächst auf 13 Euro erhöhen will, „an die Tarifentwicklung gekoppelt“ werden. Als einen positiven Effekt der Maßnahme hob Dirschauer eine höhere Kaufkraft hervor. Und auch „Löhne oberhalb des Mindestlohns“ würden beeinflusst.
„Sicher gut gemeint, aber leider wenig zielführend“ – mit dieser Aussage reagiert Werner Kalinka (CDU) auf den Vorstoß des SSW. Der Mindestlohn, so Kalinka, sei eine große Errungenschaft. Aber: „Ein Eingriff nach SSW-Modell wäre falsch“. Die Mindestlohnkommission empfehle das aktuelle Vorgehen, demnach eine Anhebung von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde bis 2022 vorgesehen ist – „das muss so bleiben“, stellt Kalinka klar. Statt mehr Zuwendungen müssten vielmehr Mietsteigerungen begrenzt, Eigentum gebildet, Abgabensteigerung gebremst und Steuererhöhungen vermieden werden, schlägt der CDU-Sozialpolitiker vor.
Die Redner für SPD und Grüne pflichteten Dirschauer in einigen Punkten bei. Wolfgang Baasch (SPD) betonte die positiven Auswirkungen Mindestlohns. So senke er das Armutsrisiko, vermindere den Niedriglohnsektor und erhöhe die Konsumnachfrage. Ein höherer Mindestlohn sei „ökonomisch und sozial richtig“, so Baasch. Joschka Knuth (Grüne) gab zu: „Von der Zielsetzung spricht der Antrag mir aus dem Herzen“. Er machte dabei deutlich, dass er damit weniger die Koalitionsmeinung vertrete als vielmehr seine Position als Abgeordneter der Grünen.
Für den FDP-Abgeordnete Kay Richert ist ein höherer Mindestlohn nicht der richtige Ansatz. Statt „reglementieren und lamentieren“ müssten „bessere, hochentlohnte Arbeitsplätze“ geschaffen werden mit Anreizen für Industrie und einer „Ansiedlungsstrategie“. Auch Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) ist der Meinung: „Lohnfindung ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers“. Ein bundesweit einheitlicher Mindestlohn wirke nicht gegen Altersarmut, es müssten vielmehr regionale Unterschiede berücksichtigt werden.
Der SSW-Antrag wurde in den Sozial- und den Wirtschaftsausschuss überwiesen.
Der SSW will den Mindestlohn auf 13 Euro erhöhen und ihn dann jährlich der allgemeinen Tarifentwicklung im Land anpassen. Hierfür soll die Landesregierung in Berlin mit einer Bundesratsinitiative Druck machen. „Der derzeitige Mindestlohn von 9,35 Euro ist nicht armutsfest“, begründet der SSW seinen Vorstoß. Außerdem, so eine weitere Forderung, „müssen die Ausnahmen, nach denen Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren und Langzeitarbeitslose unterhalb des Mindestlohnes beschäftigt werden können, abgeschafft werden“. Zuletzt war der Mindestlohn am 1. Januar 2019 von 8,84 auf 9,19 Euro je Stunde angehoben worden.
Derweil hat die Mindestlohnkommission der Bundesregierung Ende Juni eine Anhebung von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde bis 2022 empfohlen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte aber bereits an, der Kommission neue Vorgaben zu machen, um rasch eine weitere kräftige Erhöhung auf zwölf Euro zu erreichen. In dem Gremium stimmen Spitzenvertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaften über die Mindestlohnhöhe ab. Der SSW verweist darauf, dass das Bundesarbeitsministerium bereits 2018 einen Stundenlohn von 12,63 Euro als erforderlich angesehen habe, um zu verhindern, dass Menschen nach 45 Jahren versicherungspflichtiger Beschäftigung auf Grundsicherung angewiesen seien.
Einer im Juli erstellten Statistik des Statistischen Bundesamts zufolge war der Anteil der Beschäftigten, die weniger als zwölf Euro verdienten – also der von Arbeitsminister Heil angestrebte künftige Mindestlohn – im April 2018 in Schleswig-Holstein überdurchschnittlich hoch. Während dies im Bundesdurchschnitt für 26,27 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse zutraf, waren es in Schleswig-Holstein 28,86 Prozent. In Westdeutschland (einschließlich Berlin) betrug der Anteil 24,71 Prozent, in Ostdeutschland 36,67 Prozent. Am höchsten war der Anteil in Mecklenburg-Vorpommern (38,01 Prozent), am niedrigsten in Hamburg (21,62 Prozent).
Auch das allgemeine Lohnniveau liegt in Schleswig-Holstein lag deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. So betrug der durchschnittliche Bruttostundenverdienst im nördlichsten Bundesland 17,83 Euro – im Bundesdurchschnitt waren es 19,37 Euro. Niedriger als in Schleswig-Holstein war der Stundenlohn nur in den fünf ostdeutschen Bundesländern ohne Berlin mit durchschnittlich 16,27 Euro. Am niedrigsten war der Stundenlohn mit 15,86 Euro in Mecklenburg-Vorpommern. Am meisten verdienten die Beschäftigten in Hamburg, dort waren es 21,90 Euro.
Vorherige Debatten/Meldung zum Thema:
Februar 2019 / Mai 2020 (Mindestlohn für Auszubildende)
April 2018 / Juli 2018 (Landesmindestlohn)
Einen armutsfesten Mindestlohn schaffen
Antrag der Abgeordneten des SSW – Drucksache 19/2387