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Überproduktion und Absatzschwierigkeiten – Schleswig-Holsteins Schweinemastbetriebe stehen „akut unter Druck“. Das betonte Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) im Landtag. Zum einen hätten 13 Staaten außerhalb EU wegen der Afrikanischen Schweinepest ein Importverbot für deutsches Schweinefleisch verhängt, darunter China. Dabei sei die Tierseuche in Schleswig-Holstein derzeit nicht nachgewiesen, so Albrecht. Zum anderen gebe es im Lande „einen Überhang von 40.000 schlachtreifen Schweinen“, als Folge der Corona-Pandemie und des gedrosselten Betriebs in zahlreichen Schlachthöfen. Die SPD warf der Regierung zu wenig Einsatz vor.
Die Schlachtbetriebe in den Schweine-Hochburgen Niedersachsen und NRW hätten wochenlang „eingeschränkte Kapazitäten“ gehabt, so Albrecht. Dort wird mehr als die Hälfte der Schweine aus Schleswig-Holsteins Höfen weiterverarbeitet. Als Reaktion müssten nun die Kapazitäten im Lande ausgebaut werden, so der Minister, etwa mit längeren Arbeitszeiten im Großbetrieb in Kellinghusen. Er werde sich zudem bei seinen Amtskollegen in Niedersachsen und NRW gegen eine „nachrangige Schlachtung“ von schleswig-holsteinischen Schweinen einsetzen, kündigte Albrecht an.
Kirsten Eickhoff-Weber, deren SPD-Fraktion das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hatte, hielt der Landesregierung vor, „keine Wege aus der Krise“ aufzuzeigen. Schuld an der aktuellen Misere sei die „Expansion und Konzentration in der Fleischwirtschaft“, die auf Kosten der Schlachthofmitarbeiter, der Tiere und der Landwirte gehe. Sie rief Jamaika auf, „nicht vor der Lobby der Fleischbarone in die Knie zu gehen“. Auch Bernd Voß (Grüne) sah die aktuelle Lage als „Folge struktureller Probleme“ und „lang bekannter Missstände“, etwa bei der Unterbringung der Leiharbeiter in den Schlachthöfen. Er forderte „mehr regionale, dezentrale Verarbeitung“.
„Die Landwirte sind unverschuldet in diese Lage gekommen“, hielt Oliver Kumbartzky (FDP) dagegen. Der Stillstand in vielen Schlachtbetrieben während der ersten Corona-Phase sei „wie eine Vollbremsung auf der Autobahn“ gewesen und wirke bis heute nach. Er empfahl der Branche, neue Absatzmärkte zu suchen und Notfallpläne für einen erneuten Corona-Ausbrauch aufzustellen. Heiner Rickers (CDU) verwies darauf, dass die Ställe auf vielen Höfen überfüllt seien. Die Behörden müssten „schlanke“ Zulassungsverfahren für Notunterkünfte gestatten und auch private Schlachtungen erlauben.
Der SSW fehlte bei der Aussprache komplett. Die drei Abgeordneten Lars Harms, Christian Dirschauer und Jette Waldinger-Thiering haben sich in Quarantäne begeben. Hintergrund: Die SSW-Politiker hatten sich in der vergangenen Woche mit einer Person getroffen, die positiv auf Corona getestet wurde. Derzeit machen die Abgeordneten eine Schnelltest und hoffen, am Nachmittag wieder an der Tagung teilnehmen zu können.
Die SPD fordert die Landesregierung auf, mündlich über die aktuelle Situation der schweinehaltenden Betriebe in Schleswig-Holstein zu berichten. Hintergrund sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die drohende Afrikanische Schweinepest. Eingeschränkte Schlachtkapazitäten führen mancherorts zur Überfüllung in den Ställen, und unter der drangvollen Enge leiden die Tiere zum Teil massiv. Die Schweinehalter stehen „unter immensem Druck“, so die SPD im vorliegenden Antrag.
Zusätzlich werden Ferkel geboren, für die eigentlich kein Platz ist. Daher müsse die Politik nun für Lösungen sorgen, fordert die SPD. Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte vor einigen Tagen angekündigt, mit seinen Amtskollegen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Verbindung aufzunehmen. In den beiden Bundesländern sind die größten deutschen Schlachtbetriebe ansässig.
Nach einem Gespräch mit Vertretern der Schweinebranche sagte der Minister Medien gegenüber, er sei zuversichtlich, die Kapazitäten im Norden auf hohem Niveau gewährleisten zu können. Schleswig-Holsteins Bauernverband hatte zuvor Alarm geschlagen, weil sich im Land ein Überhang an 30.000 Schlachtschweinen aufgebaut habe. Bund, Länder, Kreise und Fleischwirtschaft müssten schnell alles tun, um mehr Kapazitäten für Schlachtungen zu erschließen, forderte Verbandspräsident Werner Schwarz. Die Lage in den Betrieben sei dramatisch.
Laut Minister Albrecht werden etwa die Hälfte der in Schleswig-Holstein jährlich gemästeten 2,8 Millionen Schweine außerhalb des Landes geschlachtet. Im Norden selbst gebe es mit Tönnies in Kellinghusen nur einen Schlachtbetrieb, der mehr als 500 Tiere in der Woche verarbeite. Grund für den Rückstau seien zum Teil die coronabedingten Hygienemaßnahmen bei der Zerlegung der Tiere.
(Stand: 26. Oktober 2020)
Vorherige Debatten zum Thema:
Juni 2020 (Schlachthöfe)
November 2019 (Situation in Schlachthöfen)
Aktuelle Situation der schweinehaltenden Betriebe in Schleswig-Holstein in Folge von Corona und Afrikanischer Schweinepest (ASP)
Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2510