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26. August 2020 – August-Plenum

„Experimentierklausel“ für eine modernere Raumordnung

Das Landesplanungsrecht wird schneller und digitaler. Was die Mehrheit im Landtag als Fortschritt ansieht, stößt bei der SPD auf Gegenwind. Die Sozialdemokraten fürchten um die Beteiligungsrechte der Bürger.

Kirsten Eickhoff-Weber (SPD)
Die Sozialdemokraten fürchten um das Mitspracherecht der Bürger. Die SPD-Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber spricht von „einem Rückschritt in der Beteiligungskultur dieses Landes“. Foto: Michael August

Schleswig-Holsteins Raumplanung wird flexibler. Gemeinden können künftig „in herausragenden Fällen“ rascher als bisher Neubaugebiete ausweisen, Handy-Funkmasten errichten, Gewerbe anlocken oder neue Energieträger ansiedeln. Das sieht eine bundesweit einmalige „Experimentierklausel“ vor, die Jamaika, AfD und SSW im Landesplanungsgesetz verankert haben. Ein Kernpunkt: Beteiligungsverfahren werden digitalisiert und beschleunigt. Die SPD votierte dagegen und warnte davor, die Mitsprache der Bürger einzuschränken. Der Gegenentwurf der Sozialdemokraten scheiterte jedoch an den anderen Fraktionen.

Bislang war ein Zeitraum von vier Monaten vorgesehen, in denen Planungsunterlagen öffentlich auslagen. Diese Zeitspanne wird nun flexibilisiert auf einen Korridor von ein bis vier Monaten. Die Öffentlichkeitsbeteiligung kann nun auch digital ablaufen, eine Papierversionen soll es aber dennoch geben. Dies sei „ein Rückschritt in der Beteiligungskultur dieses Landes“, kritisierte Kirsten Eickhoff-Weber (SPD), denn viele Menschen, etwa Behinderte, hätten Schwierigkeiten mit digitalen Medien, und die Papierfassung solle nur an einem einzigen Standort im Lande einsehbar sein. Jamaika sei „offenbar genervt von den Einsprüchen bei Wind-Planungen“, argwöhnte Eickhoff-Weber.

„Die Welt wandelt sich“

„Jeder kann sich jederzeit bequem von zuhause aus die Unterlagen ansehen“, hielt Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) dagegen, deren Ministerium das Vorhaben im Februar auf den Weg gebracht hatte. Interessierte seien nun nicht mehr an die Öffnungszeiten der Behörden gebunden. Sie wies darauf hin, dass die Raumplanung auf einen Zeitraum von 15 Jahren ausgerichtet sei – aber „unsere Welt wandelt sich ständig“. Das Land wolle „die Kommunen bei der schnellen Reaktionen auf neue Entwicklungen unterstützen“. Es ist vorgesehen, dass die Landesregierung in zwei Jahren eine Beurteilung abliefert, wie sich das neue Gesetz ausgewirkt hat.  

Weitere Redner:
Lukas Kilian (CDU), Bernd Voß (Grüne), Oliver Kumbartzky (FDP), Claus Schaffer (AfD), Lars Harms (SSW)

Im Landesplanungsgesetz soll eine bislang bundesweit einmalige Experimentierklausel verankert werden. Mit ihr will die Landesregierung die Erprobung innovativer Entwicklungsmaßnahmen auf kommunaler Ebene besser unterstützen und fördern, beispielsweise im Zusammenhang mit der Digitalisierung, Siedlungsentwicklung, der Mobilität oder der Energiewende. Die Klausel soll entsprechende Projekte forcieren, indem der Verwaltungsaufwand reduziert, Beteiligungsverfahren beschleunigt und feste, verbindliche Vorgaben im Bedarfsfall abgeschafft werden können. Im Innenausschuss stimmten Jamaika-Fraktionen, AfD und SSW für eine entsprechende Änderung des Planungsgesetzes, die SPD votierte gegen das Vorhaben.

Die SPD hatte bereits im Zuge der Ersten Lesung im Februar eine „Raumplanung nach Gutsherren-Art“ kritisiert. Flexibilität sei in der Raumplanung grundsätzlich willkommen, aber es müsse auch für eine geordnete, gerechte Entwicklung gesorgt werden, hieß es. Mit einem Änderungsantrag wollen die Sozialdemokraten versuchen, auf die Gesetzesänderung noch Einfluss zu nehmen. Die Mängel in dem Entwurf seien so gravierend, „dass vorerst keine Aufnahme einer sogenannten Experimentierklausel ins Landesplanungsgesetz erfolgen sollte“, begründet die SPD ihren vorgelegten Antrag.

Praxistauglichkeit soll dargelegt werden

Vor seiner Beschlussfassung hat der Ausschuss mehrere Modifikationen in dem Entwurf vorgenommen. Unter anderem soll die Landesplanungsbehörde dem Landtag innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes berichten, ob sich die neuen Regelungen in der Praxis bewährt haben. Außerdem soll es möglich sein, Unterlagen von Verfahren gegebenenfalls ausschließlich im Internet zu veröffentlichen. Die SPD sieht hier ältere und arme Bürger ohne Netzzugang benachteiligt.

Der ehemalige, inzwischen von Sabine Sütterlin-Waack abgelöste Innenminister Hans-Joachim Grote (beide CDU) hatte im Februar betont, dass keine Gebiets- oder Strukturreform zur Debatte stünde. Auch Abweichungen von Vorschriften in anderen Rechtsgebieten wie beispielsweise dem Bau-, Naturschutz- oder dem Denkmalschutzrecht seien nicht möglich, so Grote. Es gelte grundsätzlich, hier im Land auf „Megatrends“, sprich künftige Herausforderungen und Projektideen, flexibler einzugehen.

(Stand: 24. August 2020)

Debatte Erste Lesung:
Februar 2020
Weitere vorherige Debatten zum Thema:
Mai 2019 (Moratorium Windkraft)
Juni 2018 (Moratorium Windkraft)

Zweite Lesung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesplanungsgesetzes
Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses – Drucksache 19/2310(neu)
(Ausschussüberweisung am 19. Februar 2020)
Änderungsantrag der Fraktion der SPD – Drucksache 19/2356

Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 19/1952